Nachbesserungsbedarf bei wissenschaftlicher Politikberatung
Berlin: (hib/HAU) Die wissenschaftliche Politikberatung als Instrument zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) sollte aus Sicht von Professor Christa Liedtke, Co-Vorsitzende der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030), ausgebaut werden. Es gebe hier einen erheblichen Nachbesserungsbedarf, sagte Liedtke am Mittwochabend während einer öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Zurzeit fehle es an Standards für die Politikberatung und auch an der Akzeptanz der Beratungstätigkeit innerhalb des Wissenschaftssystems. „Wissenschaft und Politik müssen aber eigentlich in einem inter- und transdisziplinären Austausch stehen und gemeinsam arbeiten. Dazu müssten Formate für einen effektiven Austausch entwickelt werden“, sagte die Co-Vorsitzende der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030, die am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie lehrt. Benötigt werde aber auch ein Monitoring dessen, was Wissenschaft und Politik gemeinsam entwickeln, fügte sie hinzu.
Liedtke verwies darauf, dass die Forschung für Nachhaltigkeit ausgebaut worden sei. Qualität und Quantität seien gestiegen. Vier Milliarden Euro Forschungsförderung zum Schutz des Klimas und für die Nachhaltigkeit seien „eine Hausnummer“, die es zu nutzen gelte. Als wichtig benannte sie die Verknüpfung der verschiedenen Forschungsfelder sowie den Dialog mit der Gesellschaft und den beteiligten Sektoren, um ein gemeinsames Werteverständnis zu entwickeln, damit die Gesellschaft die Innovationen aus der Forschung auch aufnehmen kann. „Der Bottom-up Ansatz ist hier von hoher Bedeutung“, betonte die Wissenschaftlerin.
Sie sprach sich auch dafür aus, die Relevanz der Verbraucherpolitik in den Blick zu nehmen. Beispielhaft zu nennen sei der Onlinehandel. Retouren seien noch immer kostenlos, trotz erheblicher CO2-Emissionen, die dadurch verursacht würden. In der Gesetzgebung sei zu erkennen, dass eine Integration von Umwelt- und Verbraucherpolitik noch nicht stattgefunden habe, kritisierte sie.
Um eine effektive Politikberatung zu erreichen, ist es aus Sicht von Professor Mark Lawrence, geschäftsführender wissenschaftlicher Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS Potsdam), wichtig, dass die Wissenschaftler deutlich machen, „wann sie aus ihrer Expertise sprechen, wann sie aus einer Neben-Expertise sprechen und auch wann sie normativ als Person sprechen“. Lawrence, ebenfalls Co-Vorsitzender der Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030, betonte, er würde sich über einen stärkeren Schulterschluss mit der Politik bei konkreten Fragestellungen freuen. „Wir stehen gerne noch stärker als bislang für einen Austausch zu Sachfragen zur Verfügung.“
Spreche man beim Thema Nachhaltigkeit von Reformen oder gar Transformationen sollten die Adressaten der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Empfehlungen so gut und so früh wie möglich in den Forschungsprozess eingebunden werden, befand Lawrence. Kooperationsgewinne ergäben sich dann für die Wissenschaftler nicht nur durch dringend benötigte strategische Bündnisse. „Ihr Erfahrungswissen in die Forschung mit einzubinden, ist für uns ein ganz wesentlicher Baustein und Gewinn für die Arbeit an einer gemeinsamen Agenda“, sagte er an die Abgeordneten gewandt.