Kreditgeber hatten lange keine Zweifel an Wirecard-Bilanzen
Berlin: (hib/LL) In der öffentlichen Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses („Wirecard“) unter Vorsitz von Kay Gottschalk (AfD) befragten die Abgeordneten am Donnerstag Vertreter der Banken, die dem insolventen Zahlungsdienstleister Wircard Geld geliehen hatten. Als Zeugen erschienen unter anderem Manager der Commerzbank.
Seit 2003 habe man mit Wirecard eine geschäftliche Beziehung unterhalten, berichtete Markus Chromik, Chief Risk Officer der Commerzbank AG. Am Ende sei die Commerzbank „Opfer eines in seiner Dimension unvorstellbaren Betrugs geworden“. Zweifel an der durch die Wirtschaftsprüfer testierten Bilanz habe man viele Jahre nicht gehabt. Angesichts der vorgelegten Zahlen habe man im Rahmen des Konsortiums der Kreditgeber Kredite von knapp 200 Millionen Euro ausgereicht.
„Damals war der Kredit voll gerechtfertigt“, sagte Chromik. Angesichts der anhaltend negativen Presse habe man allerdings das interne Monitoring sowie die Gespräche mit dem Management von Wirecard verstärkt. Die Bemühungen bei der Kreditprüfung seien weit über das hinaus gegangen, was normalerweise üblich sei. Man habe bei Wirecard „100 Prozent mehr Aufwand“ betrieben als bei anderen Krediten.
Die Commerzbank sei dann zu dem Schluss gekommen, dass die gegen Wirecard erhobenen Vorwürfe die Rückzahlung des Kredits nicht gefährdeten. „Es gab zu keinem Zeitpunkt Anlass davon auszugehen, dass die Kreditmaterialität gefährdet war“, sagte Martin Zielke, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Commerzbank AG. Außerdem hätten immer wieder ordentliche zertifizierte Abschlüsse der Wirtschaftsprüfer vorgelegen. Das sei eine wesentliche Voraussetzung für die Kreditvergabe. „Darauf verlassen wir uns bei unserer Arbeit“, betonten beide Bänker.
Und schließlich habe es Gespräche mit dem Kunden Wirecard gegeben, die uns „das Gefühl einer kontinuierlichen Verbesserung“ gegeben hätten, so Chromik. Dass es bei Wirecard Unregelmäßigkeiten geben könnte, sei ihm erstmals im Frühjahr 2018 bei einer Sitzung des Kreditkomitees zu Ohren gekommen. Mit weiteren internen Prüfungen sei die Commerzbank den durch die Financial Times erhobenen Vorwürfen nachgegangenen.
Bald habe sich der Verdacht erhärtet, „dass da etwas anders dargestellt wurde“ als es gewesen sei, dass es in Südostasien, wo sich das Unternehmen mit Zukäufen engagierte, „seltsame Vehikel gibt, die nicht mehr plausibel erschienen“, so der Zeuge weiter.
Die Bank habe sich schließlich entschieden, das Engagement bei Wirecard innerhalb eines Jahres, bis Frühjahr 2019, zu beenden. Ausschlaggebend für diesen „soft exit“ seien die sich verdichtenden Hinweise auf Geldwäsche gewesen. Rechtlich habe dies kein Einzelkündigungsrecht des Kreditvertrags eröffnet, erläuterte Zielke. Die Frage sei gewesen: „Wie kommen wir aus der Geschäftsbeziehung raus, wenn es keine rechtliche Handhabe gibt.“
Man sei dann mit dem Management von Wirecard übereingekommen, dass anstelle der Commerzbank ein anderer Konsortialpartner gesucht werden müsse. Schneller als die Ablösung des Kredits durch eine andere Bank war aber im Juni 2020 dann die Insolvenz gekommen.
Ausschussmitglieder fragten unter anderem, wie hoch der Schaden für den Steuerzahler und die Commerzbank sei, an der der deutsche Staat infolge der Finanzkrise noch zu 15 Prozent beteiligt ist.
Man habe den Kredit weiterhin in den Büchern, jedoch um etwa 187 Millionen Euro wertberichtigt. „Eine sehr große Abschreibung“ sei dies. Aber der endgültige Schaden, wirtschaftlich wie rechtlich, könne noch nicht beziffert werden. Am Markt gebe es weiterhin Interessenten, etwa Hedgefonds, die Forderungen zu übernehmen. „Wir warten mal ab, wie sich das entwickelt“, sagte Chromik, vielleicht komme man nach einiger Zeit besser aus der Sache heraus. Bei den Wirecard-Resten laufe im Übrigen eine „Recovery“.