Sonderbericht zur Verbesserung der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden von Opfern politischer Verfolgung in der DDR
Am 12. März 2024 hat die SED-Opferbeauftragte dem Deutschen Bundestag einen Sonderbericht (Drucksache 20/10600) zum gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Verbesserung der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden von SED-Opfern vorgelegt.
Aktuell scheitert die Mehrheit der SED-Opfer bei der Anerkennung ihrer verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden. So ist beispielsweise im Land Sachsen-Anhalt seit 2015 nur einem Betroffenen die Anerkennung seiner Gesundheitsschäden gelungen. Den Opfern bleibt damit regelmäßig der Zugang zu dringend benötigter Hilfe und Unterstützung verwehrt. Die Opfer scheitern dabei immer wieder am Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der politisch motivierten Repression und der heutigen gesundheitlichen Schädigung.
„Die Schädigungen der SED-Opfer liegen mehrere Jahrzehnte zurück und erfolgten in den Strukturen eines repressiven Staats. Mit dem Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs werden hier Kriterien angelegt, die für die Mehrheit der Opfer von politischer Verfolgung in der DDR nicht erfüllbar sind. Das Scheitern der Opfer liegt damit im System“, so die SED-Opferbeauftragte.
In ihrem Sonderbericht stellt sie die aktuellen Erkenntnisse der Forschung dar, zeigt die Defizite im bestehenden Anerkennungssystem auf und benennt konkret, wie im Zuge der geplanten Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze eine grundsätzliche Vereinfachung erreicht werden kann.
In ihrem Bericht stützt sich die Opferbeauftragte auch auf die aktuellen Forschungsergebnisse der Charité Berlin. Diese zeichnen ein klares Bild. Allein rund 60 Prozent der weiblichen ehemaligen politischen Gefangenen leiden heute unter einer Angststörung. Dieser Wert ist fünfzehn Mal höher als in der Normalbevölkerung.
Laut Evelyn Zupke dürfe man an den Ergebnissen der Forschung nicht länger vorbeigehen. Vielmehr sollten diese in der Ausgestaltung des Anerkennungssystems Berücksichtigung finden. In ihrem Sonderbericht schlägt die SED-Opferbeauftragte daher eine konkrete Gesetzesänderung vor.
Mit den Forschungsergebnissen besteht für die Politik eine belastbare Grundlage, um im Umgang mit den gesundheitlichen Folgeschäden bei SED-Opfern zukünftig nicht mehr den Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs im Einzelfall als Entscheidungskriterium zu definieren. Die SED-Opferbeauftragte spricht sich daher dafür aus, beim Vorliegen des Nachweises der erlebten Repression, beispielsweise politische Haft, und dem Vorliegen definierter Krankheitsbilder, beispielsweise eine Angststörung, zukünftig den Zusammenhang regelhaft zu vermuten.
Eine solche kriterienbasierte Vermutungsregelung hat sich im Soldatenrecht im Umgang mit Soldatinnen und Soldaten, die infolge von Auslandseinsätzen psychische Schädigungen erlitten haben, bereits bewährt. „Natürlich sind einsatzgeschädigte Bundeswehrsoldaten und SED-Opfer völlig unterschiedliche Gruppen. Der Mechanismus, der dem dortigen Anerkennungsverfahren zugrunde liegt, hat mich jedoch überzeugt“, so Evelyn Zupke.
Der Deutsche Bundestag hat im letzten Jahr mit einem Beschluss zum Jahrestag des DDR-Volksaufstandes die Bundesregierung aufgefordert, „die Evaluation der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze zu nutzen, um bei der jetzt anstehenden Novellierung die Impulse der Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag zu berücksichtigen.“
Eine grundlegende Vereinfachung der Anerkennung von verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden von SED-Opfern, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, ist einer der wesentlichen Impulse der SED-Opferbeauftragten für die Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze.
Aus Sicht der SED-Opferbeauftragten haben es die Bundesregierung und der Bundestag in den nächsten Monaten selbst in der Hand. „Ich werbe dafür, dass wir im Jubiläumsjahr von Friedlicher Revolution und Mauerfall nicht nur an den Widerstand erinnern und die Opfer würdigen. Wir sollten die Menschen, die sich dem System in den Weg gestellt haben und die unter den Folgen der Diktatur bis heute leiden, ganz konkret besser unterstützen“, so Evelyn Zupke.