28.08.2023 | Parlament

Begrüßungsansprache von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zur Eröffnung der Ostseeparlamentarierkonferenz im Plenarsaal

[Es gilt das gesprochene Wort.]

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Johannes Schraps, 
sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, 
sehr geehrte Damen und Herren, 

ich begrüße Sie zur 
32. Ostseeparlamentarierkonferenz. 
Ganz besonders die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jugendforums.

Herzlich willkommen im Deutschen Bundestag. Im Herzen von Berlin.
Berlin liegt zwar nicht direkt an der Ostsee.  
Zum Bedauern der Berlinerinnen und Berliner. 
Aber was viele nicht wissen: 
Berlin war einmal Mitglied der Hanse.

Unsere Politik in Berlin beschäftigt sich intensiv mit dem Ostseeraum. 
Das zeigt sich auch in meiner Arbeit. 
In den vergangenen zwei Jahren habe ich einen Großteil Ihrer Länder und Regionen besucht. 
Zum Teil mehrfach. 

Mir ist der Ostseeraum wichtig. 
So wie dem ganzen Deutschen Bundestag. 
Die Ostseeparlamentarierkonferenz findet daher auch hier im Plenarsaal statt. 
Das ist schon etwas sehr Besonderes.   
Ich danke allen, die diese Konferenz zum Thema „Stärkung der Demokratieresilienz in der Ostsee-Region“ mit großer Energie vorbereitet haben. 

Lieber Johannes Schraps, 
Ihre Leistung möchte ich besonders würdigen.
  
In den vergangenen Monaten haben Sie diese Konferenz durch eine ungewöhnlich herausfordernde Zeit geführt. 

Dafür danke ich Ihnen herzlich. 

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, 

der brutale russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 war eine Zäsur für Europa. 
Und für die Ostseeparlamentarierkonferenz. 

Die Zusammenarbeit mit der russischen Duma und den Regionalparlamenten ist unmittelbar beendet worden.

Auf Ihrer Tagung in Stockholm haben Sie geschlossen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilt. 

Das war ein klares und wichtiges Signal. 

Seit 1,5 Jahren kämpft die Ukraine um ihre Existenz. 
Mit meinem ukrainischen Amtskollegen Ruslan Stefantschuk stehe ich in engem Austausch. 
In Kiew habe ich 2022 das Leid der Menschen mit eigenen Augen gesehen. 

Und ich bin tief beeindruckt von der Entschlossenheit der Menschen in der Ukraine, 
ihre Freiheit und Demokratie zu verteidigen. 

Es ist mir ein wichtiges Anliegen: 
Wir dürfen mit unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. 

Wir müssen und werden weiterhin an der Seite der Ukraine stehen. 

Nach dem Ausscheiden Russlands aus den Ostseeraum-Institutionen ist es wichtig, dass die übrigen Anrainer umso enger kooperieren: 
Bei dieser Konferenz und im Ostseerat. 

Auch in anderen Formaten arbeiten wir gut zusammen: in der EU – und auch in der NATO. 

Ich freue mich, dass Finnland bereits NATO-Mitglied ist
– und der Beitritt Schwedens bevorsteht. 
Damit wird unsere Allianz stärker. 
Und unsere Abschreckung noch wirkungsvoller. 

Bei der Kooperation im Ostseeraum kommt Ihrer Konferenz eine besondere Bedeutung zu. 
Sie diskutieren nicht nur über Länder-, sondern auch über Fraktionsgrenzen hinweg. 
Als Abgeordnete sind Sie nah an den Problemen und Bedürfnissen der Menschen vor Ort. 
Näher als Regierungen es sein können. 

Und Sie genießen größere Freiheiten. 
Nutzen Sie diese Freiheiten, um Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen!

Die besondere Stärke Ihrer Versammlung: 
Sie bindet alle politischen Ebenen ein. 
Hier sind nicht nur nationale, sondern auch regionale Parlamente vertreten. 
Und internationale Organisationen. 

So ist die Ostseeparlamentarierkonferenz zu einem besonders wertvollen Forum des Dialogs geworden. 
Nun schon seit mehr als 30 Jahren. 
Sehr geehrte Abgeordnete, 
in den nächsten Tagen wird Sie besonders die demokratische und digitale Resilienz beschäftigen. 

Gerade weil unsere Gesellschaften offen und frei sind, können sie von den Feinden der Demokratie angegriffen werden
– insbesondere im digitalen Raum. 

Auf Internetplattformen, in den sozialen Medien oder über Messengerdienste verbreiten sich Propaganda, Hassrede und gezielte Falschmeldungen rasant. 

Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, 
wie anfällig Menschen für Manipulationen sind – gerade in Krisenzeiten. 
Autoritäre Staaten nutzen das aus. 
Sie versuchen, unsere Gesellschaften zu spalten und die Öffentlichkeit zu instrumentalisieren. 

Wir Demokratinnen und Demokraten müssen uns wappnen und wehren
 – online wie offline. 

Erstens: 
Wir brauchen eine konsequente Strafverfolgung – mit allen Mitteln, die uns der Rechtsstaat gibt. 

Zweitens: 
Wir müssen die Betreiber von Plattformen und Kanälen in die Verantwortung nehmen. 

Darauf zielt auch die Digitalpolitik der Europäischen Union ab. 
Ich halte das für den richtigen Ansatz. 
Wir sollten ihn konsequent weiterverfolgen. 

Drittens: 
Es ist wichtig, dass wir uns untereinander über die richtigen Strategien austauschen. 
Wir sollten voneinander lernen. 

Gerade der Ostseeraum ist immer wieder hybriden Bedrohungen ausgesetzt. 
In vielen Ihrer Staaten sind Politik und Verwaltung sehr gut darauf vorbereitet. 
Auch die Gesellschaften sind wachsam und geschult. 

Bei der Vorbereitung auf Ihre Konferenz habe ich von einer Studie zur Medienkompetenz in den europäischen Staaten erfahren. 
Das Ergebnis ist bemerkenswert: 
Die Spitzengruppe wird von den Ländern der Ostseeregion dominiert.

Finnland hat in der Studie Platz 1 belegt. 
Der ideale Sitz für das Europäische Exzellenzzentrum für hybride Bedrohungen. 

Als ich im März in Finnland war, habe ich auch das Exzellenzentrum besucht und hochinteressante Gespräche geführt. 

Wo immer ich im Ostseeraum war, habe ich eine klare Botschaft mitgenommen:  
Es braucht eine gezielte Aufklärung der Bevölkerung zu den Gefahren von Fake-News. 
Man kann es auch so sagen: 
Die beste Quelle der Resilienz sind die Bürgerinnen und Bürger selbst. 

Wenn wir die Demokratie vor Desinformation schützen wollen, brauchen wir gut-informierte  Bürgerinnen und Bürger. 

Wir müssen auch die politische Beteiligung stärken, wo immer wir können. 

Demokratie muss erfahrbar sein. 
Die Menschen müssen spüren: 
Meine Stimme wird gehört. 
Dann werden sie ihre Demokratie verteidigen.

Genau deshalb liegt mir auch die Beteiligung junger Menschen so am Herzen. 
Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Jugendforums, 
Sie werden der Ostseeparlamentarierkonferenz heute Ihre Empfehlungen zum Schutz der Demokratie vorstellen. 
Das freut mich sehr. 
 
Es ist wichtig, dass Sie Ihre Perspektive einbringen. 
Wir brauchen Ihre Ideen. 

Das Jugendforum ist auch eine tolle Chance, 
sich besser kennenzulernen.  
Auch das stärkt den Zusammenhalt im Ostseeraum. 
Und in Europa. 

Für junge Menschen ist Digitalisierung eine Selbstverständlichkeit. 
Sie sind online aufgewachsen. 
Aber das bedeutet nicht automatisch, dass sie mit dem Internet kritischer umgehen. 

Betont-jugendliche Plattformen - wie TikTok – entwickeln sich immer mehr zu Einfallstoren für versteckte Kampagnen autoritärer Mächte.
Eine Gefahr, für die wir die Userinnen und User sensibilisieren müssen. 

Die gute Nachricht ist: 
Junge Menschen sind besonders begeisterungsfähig für Freiheit und Demokratie. 

Sie sind wichtige Partnerinnen und Partner für mehr Resilienz. 
Aber das setzt voraus, dass wir ihre Meinungen und Bedürfnisse ernst nehmen. 

Meine Damen und Herren,

der Ostseeraum ist eine Schlüssel-Region Europas. 
Viele große Themen unserer Zeit werden dort mitentschieden. 

Einige finden sich auf Ihrem Programm für die kommenden Tage: etwa der Klimawandel und der Schutz der maritimen Ökosysteme. 

Andere Themen werden Sie sicherlich auch beschäftigen. Die Stichworte sind Energie und Sicherheit der maritimen Infrastrukturen. 

Entscheidend ist, dass wir die Ostseeregion als einen Raum der guten Nachbarschaft verteidigen. 

Wir haben allen Grund zur Zuversicht. 

Ich erlebe, dass die Staaten – und Menschen – im Ostseeraum enger zusammenrücken. 

Es gibt einen gemeinsamen Geist. 
Und den Willen, für eine friedliche und nachhaltige Zukunft einzutreten. 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erfolgreiche Konferenz, frische Impulse und eine gute Zeit hier bei uns im Deutschen Bundestag.