24.05.2023 | Parlament

Rede von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas beim Empfang für Mitglieder des Diplomatischen Korps in der Parlamentshistorischen Ausstellung im Deutschen Dom

Exzellenzen!

Herzlich willkommen im Namen des Deutschen Bundestages! 

Einige von Ihnen kenne ich schon. 
Andere sind erst seit kurzem in Berlin.

Ich freue mich auf unseren Austausch. 

Heute – und in den kommenden Jahren. 

In dieser Zeit braucht es engagierte Diplomaten. 

Auch die Begegnungen zwischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern stärken die internationale Zusammenarbeit. 

Mein eigenes Amt als Bundestagpräsidentin ist viel stärker außenpolitisch geprägt, als ich es bei meinem Amtsantritt erwartet hatte. 

Unser Treffen heute findet zwischen zwei Konferenzen statt. 
In Prag haben wir uns vor wenigen Tagen als Parlamentspräsidentinnen und -Präsidenten im EU-Format getroffen. 
Anfang Juni treffen wir uns im NATO-Format in Vilnius. 
Prag und Vilnius zeigen, was uns besonders bewegt: Wir stehen weiter fest und solidarisch an der Seite der Ukraine. 

Die Ukraine benötigt nach wie vor dringend militärisches Material. 
Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung dem ukrainischen Präsidenten Selenski vor kurzem weitere Waffenlieferungen im Wert von 2,7 Milliarden Euro zugesagt hat. 

Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 war eine tiefe Zäsur.  
Er ist zugleich ein Angriff auf unsere Sicherheitsordnung in Europa insgesamt. 

Wir haben die deutsche Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu ausgerichtet. 
Diese „Zeitenwende“ umfasst nicht nur die stärkere Ausstattung der Bundeswehr 
– auch wenn das eine wichtige Aufgabe ist! 
Dafür haben wir im Deutschen Bundestag ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro beschlossen. 

Die Zeitenwende ging für viele Menschen in Deutschland auch mit einem Umdenken einher. 

Übrigens auch bei mir persönlich.
Meinen Pazifismus habe ich aber vor einem Jahr in Butscha und Irpin gelassen.

Wir haben nach dem russischen Angriff auf die Ukraine weitreichende politische Entscheidungen getroffen. 
Unser Parlament spielt in diesem Prozess eine wichtige Rolle. 
Wir verstehen uns als starkes und selbstbewusstes Parlament. 
In vielen Ihrer Heimatländer wird das ähnlich sein.

Viele von Ihnen kommen aus anderen Kontinenten zu uns nach Europa. 
Russlands Krieg gegen die Ukraine wirkt sich  weit über Europa hinaus aus. 
Er hat global noch mehr Menschen in existentielle Not und Hunger getrieben. 

Auch andere Menschheitsaufgaben fordern von uns globale Anstrengungen. 
In einigen Ihrer Heimatländer spüren die Menschen zum Beispiel die Folgen des Klimawandels bereits konkret und schmerzhaft. 

Wir brauchen die internationale Zusammenarbeit. 
Im Kampf gegen Kriege und Konflikte. 
Gegen Hunger, Armut und Elend. 
Gegen den Klimawandel und das Artensterben. 
Beim Umgang mit den großen Flüchtlingsbewegungen.

Diese Aufgaben müssen wir gemeinsam angehen. 
Auch wenn wir aus unterschiedlichen politischen Systemen kommen.
Auch wenn wir unterschiedliche Werte oder strategische Interessen haben.
Auch deswegen liegt mir der parlamentarische Austausch sehr am Herzen. 

Und deshalb freue ich mich besonders, Sie heute begrüßen zu können. 

Ich möchte Sie ermuntern, den Kontakt zu unseren Abgeordneten zu suchen und zu pflegen. 

Sie werden sicher die Parlamentariergruppen im Deutschen Bundestag besuchen. 
Diese Gruppen sind wichtige Akteure in den internationalen Beziehungen. 
Exzellenzen!
Es ist mir eine Freude, Sie an diesem  besonderen Ort willkommen zu heißen. 

Hier im Deutschen Dom zeigt der Deutsche Bundestag die historische Entwicklung des Parlamentarismus in Deutschland.
Vor 175 Jahren konstituierte sich die Nationalversammlung in Frankfurt.  
Die Paulskirche wurde zum Symbol für Demokratie in Deutschland. 

Es führt kein gerader Weg von 1848 zu heute. Dazwischen kennt die deutsche Freiheits- und Demokratiegeschichte Umwege und Rückschritte; sie erlebte tiefe Brüche und fürchterliche Abgründe. 
Diese Abgründe dürfen und werden wir nicht vergessen. 
Unsere Vergangenheit bleibt für uns Deutschen eine Verpflichtung. 

Unser Grundgesetz – das heute vor genau 74 Jahren, am 24. Mai 1949, in Kraft trat - zieht Lehren aus der gescheiterten Weimarer Republik und dem Menschheitsverbrechen des Holocaust. 

Doch, was viele nicht wissen: 
Unsere Verfassung  stützt sich auch auf die Frankfurter Reichsverfassung. 

Viele der Grundrechte wurden bereits vor 175 Jahren von den Abgeordneten einer verfassungsgebenden Versammlung beschlossen. Auch wenn diese Verfassung nie in Kraft trat.
Unsere bewegte Geschichte zeigt: 
Frieden und Freiheit, 
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfordern immer wieder unseren Einsatz. 

In einer Gedenkstunde werden wir am 16. Juni im Deutschen Bundestag an den Volksaufstand in der DDR 1953 erinnern.
Etwa eine Million Menschen protestierten damals an mehr als 700 Orten in der DDR
- auch für mehr Freiheit. 
Wie Sie wissen, wurde der Aufstand damals brutal niedergeschlagen. 

Viele von Ihnen haben schon zugesagt, 
unserer Einladung zu folgen und an dieser Gedenkstunde teilzunehmen. 
Das freut mich sehr.
Heute darf ich Sie einladen, sich unsere – in Teilen neu gestaltete - Ausstellung hier im Deutschen Dom anzusehen. 

Nach dem Empfang können Sie sich auch von Historikern auf Englisch, Französisch oder Spanisch durch die Ausstellung führen lassen.

Ich freue mich auf unsere Gespräche und wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre Aufgabe. 

Ihnen und Ihren Familien wünsche ich, dass Sie eine glückliche und gesunde Zeit in Deutschland verbringen. 

Vielen Dank!

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