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Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label

(© DBT/Thinking Visual/Katrina Günther)

Wortlaut der Empfehlung

„Wir brauchen ein staatliches, verpflichtendes Label für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte.

Das Label soll einfach gestaltet sein und von einer Informationskampagne begleitet werden, damit es Akzeptanz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern findet. Man soll in drei Sekunden erkennen, ob das Lebensmittel unbedenklich ist.

Das Label soll die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und soll wissenschaftlich fundiert sein. Der Bereich Klima soll bei der Einführung ausschließlich auf dem Kriterium Treibhausgasemissionen beruhen.

In den nächsten drei bis höchstens fünf Jahren soll der Bereich um Umweltaspekte (zum Beispiel Schonung der Ressourcen und Artenvielfalt) ergänzt werden. Der Bereich Tierwohl soll sich an den Aspekten aus der Empfehlung zum Tierwohl-Label orientieren. Der Bereich Gesundheit soll sich an dem Grad der Unbedenklichkeit eines Lebensmittels orientieren (z.B. Zucker, Fett, Salz, Zusatzstoffe, Verarbeitungsgrad).

Dabei soll eine schnelle Erkennbarkeit des zertifizierten Labels gewährleistet sein durch Größe und Platzierung auf der Produktvorderseite. Alle weiteren nicht-staatlichen Label dürfen nur auf der Rückseite sein. Über einen Hinweis am Label (z.B. QR-Code) sollen weitere Informationen zur Einstufung digital zugänglich gemacht werden. Das Label soll differenzierbar (Abstufungen innerhalb der drei Kategorien erkennbar) und auf verschiedene Produkte anwendbar sein.

Der Bundestag setzt sich für die EU-weite verpflichtende Einführung des Labels ein. In Deutschland soll es bereits freiwillig oder – sobald juristisch umsetzbar - schnellstmöglich verpflichtend eingeführt werden. Wir wünschen uns, dass Deutschland eine Vorreiterrolle mit einem solchen Label einnimmt, mit dem langfristigen Ziel, dass Anreize für andere EU-Staaten gesetzt werden, das Label auch einzuführen, ähnlich wie bei der Haltungskennzeichnung von Eiern.

Wir empfehlen eine Prämierung von Produzentinnen und Produzenten, die sich zertifizieren lassen (für die Übergangszeit von 1-2 Jahren) und Kontrolle und Sanktionen von Verstößen mit fairen, merkbaren Strafzahlungen, wenn das Label verpflichtend wird.

Bei der Kontrolle sollen bereits bestehende Kontrollsysteme/-institutionen anderer bestehender Labels einbezogen werden. Importierte Produkte, die das Label nicht tragen, sollen als Importprodukt gekennzeichnet sein, ähnlich wie bei Honig. Wichtig ist, dass die Herkunft des Produktes gekennzeichnet ist.“

Die Begründung zur Empfehlung können Sie im Bürgergutachten (Bundestagsdrucksache 20/10300) nachlesen.

Stand der Beratungen und Umsetzung

Das Bürgergutachten wurde nach einer Plenardebatte am 14. März 2024 federführend an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie mitberatend an den Finanzausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und den Ausschuss für Klimaschutz und Energie überwiesen.

Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft thematisierte am 4. November 2024 die Empfehlung „Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label“ in einem öffentlichen Fachgespräch. Geladen waren neben Sachverständigen, die von den Fraktionen benannt wurden, auch zwei Teilnehmerinnen des Bürgerrats sowie zwei Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats.

Mehrere Experten haben sich in dem Gespräch für ein verpflichtendes staatliches Label ausgesprochen. Von Gastronomie und Handel gab es erhebliche Bedenken. 

Prof. Dr. Antje Risius (Georg-August-Universität Göttingen), Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bürgerrats, erläuterte, der Bürgerrat wolle einen neuen Standard setzen, der auch Vertrauen genieße. Sie appellierte: „Wir sitzen alle in einem Boot.“ 

Prof. Dr. Carsten Leo Demming (Duale Hochschule Baden-Württemberg, Heilbronn) sagte, die Empfehlungen des Bürgerrats seien sinnvoll. Ein solches Label müsse auf den ersten Blick schnell und einfach Informationen liefern. Verbraucher würden nur zwischen zwei und acht Sekunden auf die Verpackung blicken. Daher müsse ein Label einheitlich sein, zum Beispiel in Form eines fünfstufigen Ampelsystems. Dass Verbraucher derzeit verunsichert seien, liege an der Vielzahl der Labels. Es gebe einen „Label-Dschungel“.

Lena Hennes (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie) erklärte, ein verpflichtendes staatliches Label entspreche klar dem Wunsch der Verbraucher. Es könne einfache und verlässliche Informationen bieten. Die vom Bürgerrat empfohlenen Dimensionen Tierwohl und Gesundheit seien einfach umzusetzen. Bei der Dimension Klima könnten wegen der schwankenden Emissionen bei Lebensmitteln Durchschnittswerte verwendet werden. 

Die Lebensmittelproduktion trage zu einem Viertel aller Treibhausgasemissionen bei, erläuterte Prof. Dr. Carolyn Hutter (Duale Hochschule Baden-Württemberg, Heilbronn). Intensive Landwirtschaft und Überfischung seien Haupttreiber des Biodiversitätsverlustes. Das Label sei nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft, die animiert werde, ihre Produkte nachhaltiger zu machen und Wettbewerbsvorteile zu generieren. 

Christiane Seidel (Verbraucherzentrale Bundesverband) kritisierte den heutigen „Label-Dschungel“. Für Verbraucher sei es schwer nachzuvollziehen, ob es sich um reines Marketing handele oder ambitionierte Label. Durch Greenwashing würden Verbraucher immer wieder getäuscht. Die Forderung nach einem staatlichen Label werde unterstützt. 

Massive Kritik an der Empfehlung des Bürgerrats äußerte Ingrid Hartges (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). Die Branche leide bereits heute unter starker bürokratischer Belastung. Die Auswahl der Tierwohlkennzeichnung lehne man ab. Man könne freiwillige Lösungen nehmen. Die Politik erkläre, Bürokratie abbauen zu wollen. Hier geschehe das Gegenteil. Außerdem gehe es der Branche nicht gut: „Viele Betriebe geben auf.“ 

Christian Mieles (Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels) sagte, der Handel setze sich seit Langem für nachhaltige Systeme ein. Mit Blick auf die Empfehlungen des Bürgerrates rate man jedoch zu einer differenzierteren Betrachtung. Aus Sicht des Handels erscheine es nahezu unmöglich, Aspekte wie Klima, Tierwohl und Gesundheit in einer Kennzeichnung zusammenzuführen. 

Der Vorschlag des Bürgerrates ziele darauf ab, drei komplexe und sehr unterschiedliche Kriterien in einem Label zu integrieren, kritisierte Manon Struck-Pacyna (Lebensmittelverband Deutschland). „Wir halten dies für eine Überforderung sowohl der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Verständnis als auch der Wissenschaft und Wirtschaft bei der Erarbeitung und Umsetzung“, sagte Struck-Pacyna, die außerdem vor neuen bürokratischen Hürden warnte. 

Karen Bömelburg (Bürgerrat) erläuterte, man sei fassungslos gewesen, wie viele Labels es gebe. Eine Informationskampagne sei zwingend erforderlich, damit der Verbraucher wisse, wie er mit dem neuen Label umgehen müsse. Joachim Joppe (Bürgerrat) entgegnete auf die Kritik aus der Gastronomie, das Label sollte nur für Lebensmittel gelten, die man kaufe. Das Hotel- und Gaststättengewerbe habe mit dem Label nichts zu tun. 

Prof. Dr. Moritz Hagenmeyer, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bürgerrats, nannte die Einführung eines verpflichtenden staatlichen Labels auf nationaler Ebene nicht umsetzbar. Aus europarechtlicher Sicht gebe es derzeit keine Möglichkeit, ein solches Label zu beschließen. (hle, Redaktion Luisa Welke/29.11.2024)