Mediziner unterstützen Altersgrenze für Energydrinks
Mehrere Ärzte haben vor möglichen schweren gesundheitlichen Folgen durch den Konsum von sogenannten Energydrinks gewarnt und sich für die Einführung einer Altersgrenze beim Kauf ausgesprochen, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen. In einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Dienstag, 10. September 2024, unter Leitung des Vorsitzenden Hermann Färber (CDU/CSU) berichtete Prof. Dr. Nikolaus Haas (Ludwig-Maximilians-Universität München), Energydrinks könnten bei Kindern und Jugendlichen eine Art Einstiegsdroge für andere Drogen im weiteren Erwachsenenalter sein – von Alkohol zu Cannabis und härteren Drogen. Bekannt sei auch, dass der Konsum von Energydrinks zu aggressivem Verhalten und vermehrter sexualisierter Gewalt führen könne.
Altersgrenze befürwortet
Aus medizinischen Gründen sprach sich Haas ebenso wie Dr. Felix Sebastian Oberhoffer (Ludwig-Maximilians-Universität München) für eine Altersgrenze bei Energydrinks aus. Zwei Drittel aller Jugendlichen würden Energydrinks konsumieren. Beim Konsum von Energydrinks komme es zu erhöhtem Blutdruck, Herzrhythmusstörungen und einer signifikant niedrigeren Schlafdauer, so Oberhoffer.
Grundlage des öffentlichen Fachgesprächs war die Empfehlung des Bürgerrates „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“, eine Altersgrenze bei Energydrinks einzuführen (20/10300). Die Gesundheitsschäden und das Suchtpotenzial seien ähnlich gravierend wie bei Zigaretten und Alkohol, hatte der Bürgerrat argumentiert.
„Energydrinks sind gefährlich“
Dr. Christina Rempe (staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin) sagte, Energydrinks seien für Kinder und Jugendliche leicht zugänglich. Produktaufmachung und Marketing würden nicht erkennen lassen, dass es sich um Produkte handele, die für Kinder und Jugendliche gesundheitlich problematisch sein könnten.
Dr. Rebekka Siegmann (foodwatch Deutschland) verwies darauf, dass sich der Absatz der Getränke in den letzten sechs Jahren fast verdoppelt habe. Testkäufe hätten belegt, dass auch Elfjährige problemlos Energydrinks hätten kaufen können.
Energydrinks seien gefährlich. Eine Altersgrenze für Energydrinks wäre konsequent, sagte Siegmann. Kinder und Jugendliche müssten vor den Gefahren geschützt werden. Von Influencern verbreitete Werbung ziele auf Kinder und Jugendliche. Das Marketing richte sich eindeutig an Kinder.
Überschrittene Unbedenklichkeitsgrenze
Prof. Dr. Tanja Schwerdtle (Bundesinstitut für Risikobewertung, Max-Rubner-Institut) sagte unter Hinweis auf Risikobewertungen, bereits bei einem Verzehr von zwei 250-Milliliter-Dosen Energydrinks am Tag werde die Grenze einer unbedenklichen Koffeinaufnahme überschritten.
Es sei aber bekannt, dass Kinder und Jugendliche häufig größere Mengen konsumierten. Ergebnisse einer Studie des Bundesinstituts für Risikoforschung und der Charité - Universitätsmedizin Berlin (https://www.bfr.bund.de/de/edkar.html) zu einem chronisch hohen Konsum von Energydrinks würden 2025 erwartet.
„Energydrinks sind sicher“
Andreas Kadi (Energy Drinks Europe) sagte, Energydrinks seien auf europäischer und nationaler Ebene umfassend und ausreichend reguliert. Es würden Hinweise auf erhöhten Koffeingehalt gegeben und zudem Hinweise, dass die Getränke für Kinder, Schwangere und Stillende nicht empfohlen seien. Trotz vergleichbaren Koffeingehalts gebe es solche Verpflichtungen für Kaffee- oder Teegetränke nicht.
In Deutschland seien sogar Höchstwerte für charakteristische Zutaten von Energydrinks festgelegt. Energydrinks seien sicher, sagte Kadi mit Blick auf Bewertungen von Lebensmittelsicherheitsbehörden. Die Drinks würden von Jugendlichen auch nicht übermäßig konsumiert.
Dr. Detlef Groß (Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke) zitierte aus Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI), wonach der Konsum von Energydrinks bei Kindern keine nennenswerte Rolle spiele. Bei Jugendlichen stünden Kaffee, Teegetränke und andere koffeinhaltige Getränke im Vordergrund.
Motivation des Bürgerrates
Rene Schreiber, Teilnehmer der Arbeitsgruppe zu Empfehlung 8 des Bürgerrates „Ernährung im Wandel“, sagte, er sei ursprünglich sogar für ein völliges Verbot gewesen: „Diese Getränke braucht kein Mensch.“ Aus den Beratungen des Bürgerrates berichtete er, dass für die Altersgrenze 16 Jahre der ab diesem Alter erlaubte Konsum von alkoholischen Getränken wie Wein und Bier gesprochen habe.
Dr. med. Thomas Ellrott (Ernst-August-Universität Göttingen), der dem Wissenschaftlichen Beirat des Bürgerrates „Ernährung im Wandel“ angehörte, stellte heraus, dass der Schutz der Gesundheit Heranwachsender den Mitgliedern des Bürgerrates aus ihrem eigenen Erleben heraus wichtig gewesen sei. Ergänzend habe das Gremium einen Experten hinzugezogen.
Sandra Raubenheimer, ebenfalls Teilnehmerin der Arbeitsgruppe zu Empfehlung 8 des Bürgerrates „Ernährung im Wandel“, erklärte, dem Bürgerrat sei es wichtig gewesen, das Thema überhaupt wieder auf den Tisch zu bringen. Der Bürgerrat habe die Empfehlung in einer offenen Debatte erarbeitet. Sie habe dabei persönliche Erfahrungen aus ihrem Nebenjob im Einzelhandel eingebracht, wo sie erlebe, wie schon sehr junge Menschen Energydrinks kauften. (hle und Redaktion Luisa Welke/12.09.2024)