Wirtschaftsminister Habeck räumt strukturelle Krise ein
Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat eingeräumt, dass die deutsche Wirtschaft in einer „strukturellen Krise“ steckt. Wieder aus der Krise herauskommen soll die Wirtschaft nach Habecks Vorstellungen durch eine vollkommen neue steuerliche Förderung mit „Tax Credits“ und direkte Investitionen des Bundes in das bisher in der Hoheit der Länder liegende Bildungswesen. Finanzieren will Habeck dies mit neuen Krediten durch Lockerungen der Schuldenbremse. „Es gibt viel zu tun. Geht nicht, gibt’s nicht“, rief der Minister aus.
Habecks Vorstellungen stießen in der Bundestagsdebatte am Donnerstag, 30. Januar 2025, über den Jahreswirtschaftsbericht 2025 der Bundesregierung (20/14740) auf scharfe Kritik der Opposition. „Sie haben Deutschland ärmer gemacht als je ein Wirtschaftsminister zuvor“, kritisierte Jens Spahn (CDU/CSU).
Minister: Tax Credits und Lockerung der Schuldenbremse
Laut Habeck enthält der Jahreswirtschaftsbericht einige „Lichttupfer“: Die Anlageinvestitionen stabilisierten sich, Baukredite und Baugenehmigungen würden steigen, die Inflation sinken. In diesem Jahr erwartet Habeck noch ein Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent statt bisher geschätzten 1,1 Prozent. Für 2026 erwartet er 1,1 Prozent. Herauskommen will er aus der strukturellen Krise mit mehr Investitionen für Bildung. Drei Millionen Menschen zwischen 20 und 35 Jahren hätten keinen qualifizierenden Berufsabschluss. Er frage, ob es der Weisheit letzter Schluss sei, dass der Bund nicht direkt in die Bildungspolitik hineinfinanzieren dürfe: „Das scheint mir nicht richtig zu sein.“
Wenn der Staat Unternehmen unterstützen wolle, müssen das immer in Brüssel notifiziert werden, was dreieinhalb Jahre dauern könne: „Das ist nicht wettbewerbsfähig.“ Habeck schlug ein bürokratiearmes Verfahren mit „Tax Credits“ vor. Unternehmen würden Investitionen mit ihren Steuern verrechnen können. Zur Finanzierung müsse jedoch die Schuldenbremse hinterfragt werden. Dann könne es auch mehr öffentliche Investitionen geben.
Habeck machte deutlich, dass die Annahme eines Unions-Entschließungsantrages im Bundestag am Mittwoch, 29. Januar 2025, für Kontrollen an den Grenzen mit Stimmen der AfD-Fraktion seiner Ansicht nach eine „schlimme Schleifspur“ hinterlassen werde. Wegen dieser fatalen Entscheidung würden Menschen überlegen, das Land zu verlassen. Auch Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, die größte Gefahr für die Wirtschaft sei das Schließen von Grenzen und die Spaltung in Europa.
SPD: Unionsvorstoß verheerend für Europa
Lars Klingbeil (SPD) sagte, das Zeichen, das mit dem Entschließungsantrag im Bundestag gesetzt worden sei, sei „verheerend für Europa und ein Abriss für europäische Einigung“.
Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte davor, wieder Grenzen hochziehen. Wie Klingbeil sprach sich auch Heil dafür aus, „Made in Germany“ wieder stark zu machen.
Union: Probleme sind hausgemacht
Spahn erklärte: „Wir sind das einzige Industrieland auf der Welt, das schrumpft. Unsere Probleme sind hausgemacht.“
Seit Beginn der Ampel-Koalition wachse die Bürokratie, Abgaben und Steuern seien auf Rekordniveau gestiegen, die Arbeitslosigkeit sei so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr, Energie werde immer teurer, Leistung lohne sich immer weniger. „Wer kann, investiert im Ausland“, sagte Spahn. Doch wer die Wirtschaft schwäche, stärke die AfD.
FDP: Sonntagsreden und Strohfeuer
Christian Dürr (FDP) warft Habeck vor, nur Sonntagsreden zu halten und konjunkturelle Strohfeuer zu entfachen.
Dr. Marco Buschmann (FDP) sagte, eine Politik, die für Wirtschaftswachstum sorge, sei die beste Sozialpolitik. Doch das linke Konzept mit mehr Staatsausgaben, mehr Subventionen und höheren Sozialabgaben von kleinen Sparern „hat noch nie funktioniert“.
AfD: Wirtschaftsfeindliche Politik
Leif-Erik Holm (AfD) erklärte, dass die Wachstumsprognose zurückgenommen werde, „liegt zuerst an ihrer wirtschaftsfeindlichen Politik, Herr Habeck.“ Das von Habeck gesehene Licht am Ende des Tunnels sie in Wirklichkeit die „Stopp-Lampe auf dem Abstellgleis“.
Scharfe Kritik von Linke und BSW
Christian Görke (Gruppe Die Linke) bewerte Habecks Bilanz mit der Note „ungenügend“. Dr. Sahra Wagenknecht (Gruppe BSW) sagte unter Anspielung auf Grünen-Wahlplakate, Habeck sei nicht Sinnbild für Zuversicht, sondern stehe für Schönfärberei und Realitätsverweigerung.
Nach der Debatte überwiesen die Abgeordneten den Bericht gemeinsam mit einem Entschließungsantrag der FDP (20/14731) für eine „ambitionierte Bürokratie- und Regulierungsabbauinitiative“ und einem CDU/CSU-Antrag „für eine starke wirtschaftspolitische Agenda“ (20/14732) zur weiteren Beratung an den federführenden Wirtschaftsausschuss.
Jahreswirtschaftsbericht 2025
Die Bundesregierung erwartet für das Jahr 2025 einen Zuwachs des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,3 Prozent, wie aus dem Jahreswirtschaftsbericht hervorgeht. Im Vorjahr war das BIP um 0,2 Prozent zurückgegangen, im Jahr 2023 hatte der Rückgang 0,3 Prozent betragen.
In dem Bericht heißt es, die deutsche Wirtschaft befinde sich seit inzwischen zwei Jahren in einer Stagnation, was konjunkturelle, vor allem aber strukturelle Ursachen habe. Konjunkturell erhole sich die deutsche Wirtschaft zögerlicher als erwartet von den wirtschaftlichen Folgen der Schocks der jüngeren Vergangenheit. „Gleichzeitig befindet sich Deutschland in einer strukturellen Wachstumsschwäche“, stellt die Regierung fest. So habe das (preis- und saisonbereinigte) Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2024 in etwa auf dem Niveau des Vergleichszeitraums des Jahres 2019 gelegen. Zuletzt hätten insbesondere die nachwirkenden Kaufkraftverluste aufgrund des seit 2021 deutlich angestiegenen Preisniveaus Stimmung und Konsumverhalten der privaten Haushalte geprägt und damit auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
Auch wenn aktuell die Risiken überwiegen, sei dennoch auch eine günstigere Entwicklung möglich, hofft die Bundesregierung. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die internationalen Krisen deeskalieren und die angedrohten protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung nicht oder nur in geringerem Ausmaß umgesetzt werden würden. Zudem könnte eine rasche und wachstumsorientierte wirtschafts- und finanzpolitische Reformagenda der neuen Bundesregierung zu positiven Vertrauenseffekten bei privaten Haushalten und in den Unternehmen führen und die Konsum- und Investitionsdynamik verstärken.
Union will starke wirtschaftspolitische Agenda
Die CDU/CSU-Fraktion will „Deutschland wieder nach vorne bringen“ und hat dafür in ihrem Antrag Vorschläge für eine „starke wirtschaftspolitische Agenda“ vorgelegt. Dazu gehören unter anderem wettbewerbsfähige Energiepreise durch die Reduzierung der Stromsteuer und der Netzentgelte. Die Steuerbelastung der Unternehmen für thesaurierte Gewinne soll schrittweise auf 25 Prozent gesenkt werden. Außerdem fordert die CDU/CSU-Fraktion die komplette Abschaffung des steuerlichen Solidaritätszuschlags.
Zu den weiteren Forderungen der CDU/CSU-Fraktion gehört, vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu entlasten und Mehrarbeit zu belohnen. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen „müssen wir uns wieder runter auf die 40 Prozent hinbewegen. Fleiß muss sich wieder lohnen in unserem Land“, wird gefordert. Außerdem soll das Verbrennerverbot rückgängig gemacht werden. Zur Verbesserung der Forschungslandschaft und zum Bürokratieabbau werden umfangreiche Maßnahmen vorgeschlagen.
Der Koalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird von der CDU/CSU-Fraktion vorgeworfen, Deutschland in eine „handfeste und tiefe Wirtschaftskrise“ geführt zu haben. So sei das Bruttoinlandsprodukt das zweite Jahr in Folge gesunken. Die Insolvenzzahlen würden steigen. „Dabei hat Deutschland das Potenzial, um wirtschaftlich wieder nach vorne zu kommen – mit seinem innovativen Mittelstand und seinen Familienunternehmen, mit Handwerk und freien Berufen, mit kreativen Gründern und weltweit erfolgreichen Industrie-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen und nicht zuletzt mit seiner in vielen Bereichen vorhandenen Spitzenforschung“, wird in dem Antrag festgestellt. (hle/30.01.2025)