Hitziger Schlagabtausch zu AfD-Verbotsanträgen
Nach monatelanger öffentlicher Diskussion um ein mögliches AfD-Parteiverbotsverfahren hat sich der Bundestag am Donnerstag, 30. Januar 2025, erstmalig mit zwei Gruppenanträgen (20/13750, 20/14105) befasst, die darauf abzielen, die Verfassungswidrigkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen. Die Debatte geriet über weite Strecken zum hitzigen Schlagabtausch, in dem Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) immer wieder zu gegenseitigem Respekt und zur Mäßigung mahnen musste.
Das Plenum überwies die Anträge im Anschluss an die Aussprache an den federführenden Ausschuss für Inneres und Heimat.
„Historische Verantwortung, Tür nach Karlsruhe zu öffnen“
Marco Wanderwitz (CDU/CSU), Initiator des fraktionsübergreifenden Gruppenantrags (20/13750), mit dem er ein Verbotsverfahren in Karlsruhe in Gang setzen will, erklärte zu Beginn der Debatte, er sei überzeugt davon, „dass die AfD keine Partei ist, die mal eben ein bisschen rechts ist“. Im Gegenteil: „Sie sind Verfassungsfeinde, Sie sind Feinde unserer Demokratie, Sie sind Menschenfeinde“, so der Abgeordnete aus Sachsen in Richtung der AfD-Abgeordneten im Plenum.
Aus diesem Grund brauche es eine „Überprüfung der Verfassungsfeindlichkeit der AfD durch das Bundesverfassungsgericht mit dem klaren Ziel eines Verbots“. Wanderwitz berief sich auf ein Gutachten von 17 Staatsrechtlern und einen offenen Brief von rund 600 Juristen an Bundestag und Bundesregierung. Deren Auffassung nach sei die AfD eine „verfassungsfeindliche Partei, die strategisch darauf ausgerichtet ist, das demokratische System mit einem menschenunwürdigen System zu ersetzen“. Es sei deshalb die historische Verantwortung des Bundestags, die „Tür nach Karlsruhe zu öffnen.“
„AfD ist Gefahr für unserer Demokratie“
Auch Mitinitiatorin des Antrags Carmen Wegge (SPD) sprach sich für ein Verbotsverfahren aus: Die AfD sei eine Gefahr für die Demokratie. Schon einmal sei in Deutschland die Demokratie durch eine demokratisch gewählte Partei abgeschafft worden, erinnerte sie an den Gewinn der Nationalsozialisten bei der Reichstagswahl 1933.
„Nur weil eine Partei auf einem Wahlzettel steht, heißt es nicht, dass sie auch demokratische Ziele verfolgt.“ Aus diesem Grund eröffne Artikel 21, Absatz 2 des Grundgesetzes die Möglichkeit des Parteienverbots. Denn die Demokratie müsse gegen Verfassungsfeinde wehrhaft sein.
„Zeit, Courage zu zeigen“
Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen), Initiatorin des zweiten Gruppenantrags (20/14105), der vor einem möglichen Verbotsantrag zunächst dessen Erfolgschancen durch ein Gutachten prüfen lassen will, drängte zum Handeln: „Es gibt Tage, da sind wir als Mitglieder dieses Hohen Hauses nicht einfach nur Fachabgeordnete, sondern müssen Courage zeigen“. Das heiße, die Instrumente, „die zur Verteidigung der Demokratie ins Grundgesetz und ins Bundesverfassungsgerichtsgesetz geschrieben wurden, auch anzuwenden“, so Künast. Es sei bereits jetzt „fünf vor zwölf“, in manchen Regionen „sogar schon fünf nach zwölf“ argumentierte sie.
Ähnlich argumentierte auch Martina Renner (Die Linke): Sie verwies zudem auf die Verantwortung für die Opfer rechter Straftaten. Die Bedrohung wachse mit den Wahlerfolgen der AfD. „Wir sind verpflichtet, Antworten zu geben“, mahnte die Abgeordnete.
„Dürfen Gespräch mit Menschen nicht abbrechen“
Konstantin Kuhle (FDP) signalisierte bei allem Verständnis für die Argumente der Antragsteller jedoch Zweifel. Unbestritten sei, dass die AfD in „wesentlichen Teilen von Personen geprägt sei, die unserer Verfassungsordnung und Nachkriegsentwicklung feindlich gegenüberstehen“, sagte der FDP-Politiker. Zudem sei die Partei ein „Organ der hybriden Kriegsführung autoritärer Staaten in Deutschland“, so Kuhle und nannte Russland und auch China.
Doch eine Zustimmung zu den Anträgen bedeute das Gespräch mit Menschen, die „legitime Anliegen“ hätten, abzubrechen, so Kuhle mit Blick auf die Wählerschaft der AfD. Das könnten sich Demokraten nicht erlauben.
Beweise müssen hohen Anforderungen des Gerichts entsprechen
Ansgar Heveling (CDU/CSU) zeigte sich zudem skeptisch mit Blick auf die Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens. Zeitlich sei so kurz vor der Wahl eine so aufwändige Vorbereitung nicht mehr zu leisten, ein Schriftsatz, der nun begonnen würde, würde unter die sogenannte Diskontinuität fallen, gab er zu bedenken. Aber auch hinsichtlich der für ein Verbot nötigen Beweise, die den hohen Anforderungen des Verfassungsgerichts entsprächen, ließ Heveling Zweifel erkennen: Diese müssten vorab vorliegen, dazu brauche es den Austausch mit den Sicherheitsbehörden.
Ein Verbotsantrag erfordere auch deshalb ein enges Zusammenwirken von Bundestag und Bundesregierung sowie der Landesregierungen. Davon sei aber bisher nicht viel zu hören.
AfD: Sie können uns inhaltlich nicht stellen
Peter Boehringer (AfD) warf den Antragstellern vor, aus Unfähigkeit die AfD inhaltlich zu stellen, ein Verbot anzustreben. Das jedoch werde scheitern, prognostizierte er – schließlich sei nicht einmal die Einstufung der AfD als Verdachtsfall bislang rechtskräftig.
Für die Ausgrenzung von „zwölf Millionen Wählerstimmen“ brauche es viel mehr als die „anekdotische Evidenz“ die das Bundesamt für Verfassungsschutz zusammengetragen habe. „Einzelbeispiele reichen nicht aus“, so Boehringer. Zudem sei das AfD-Parteiprogramm „untadelig“.
Debatte über Verbot ist „Wahlkampfgeschenk für die AfD“
Auch Jessica Tatti (BSW) griff die Antragsteller wie Regierungskoalitionäre hart an, wenn auch aus anderen Gründen: Die Debatte über ein AfD-Verbot sei nichts anderes als ein „Wahlkampfgeschenk an die AfD“, sagte Tatti.
Politik, die den Interessen der Menschen zuwiderlaufe, habe die AfD doch erst so groß gemacht und ihr so hohe Umfragewarte beschert. Ein Verbotsantrag werde daran nichts ändern.
Erster Verbotsantrag
Der Bundestag soll nach Ansicht der 113 Verfasser des ersten Antrags (20/13750) beim Bundesverfassungsgericht beantragen, festzustellen, dass die AfD verfassungswidrig ist, und ihr Vermögen zugunsten der Bundesrepublik für gemeinnützige Zwecke einzuziehen, oder hilfsweise festzustellen, dass die AfD von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen ist. Zugleich soll das Parlament der Vorlage zufolge die Bundesregierung und die Landesregierungen auffordern, „durch ihre Nachrichtendienste unverzüglich auf die Herstellung der vom Bundesverfassungsgericht für Parteiverbotsverfahren formulierten Anforderung strikter Staatsfreiheit hinzuwirken und dem Deutschen Bundestag den Zustand der strikten Staatsfreiheit nach dessen Eintritt zu versichern“. Unabhängig von einer solchen ausdrücklichen Versicherung soll der Bundestag „mit Ablauf von zwei Monaten nach seiner Beschlussfassung von einer erfolgreichen Herstellung des Zustands der strikten Staatsfreiheit“ ausgehen.
In der Begründung verweisen die Antragsteller darauf, dass die Prüfung, ob eine Partei verfassungswidrig ist, nach Grundgesetz-Artikel 21 Absatz 4 allein beim Bundesverfassungsgericht liege. Liegen jedoch Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Partei verfassungswidrig ist, seien Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung berechtigt, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag einzureichen, um die Verfassungswidrigkeit prüfen zu lassen. „Nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft hat, liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Partei verfassungswidrig ist“, heißt es in der Begründung weiter. Danach soll der Bundestag ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD anstrengen, „um dem vom Grundgesetz vorgesehenen Schutz der Verfassung angemessen Rechnung zu tragen“. Vorgeworfen wird der AfD in der Begründung unter anderem, sich gegen zentrale Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu wenden. So würden die Würde des Menschen sowie das Diskriminierungsverbot „durch die AfD, ihre führenden Funktionäre sowie zahlreiche Mandatsträger und Mitglieder mittlerweile unverhohlen in Frage gestellt“.
Zweiter Verbotsantrag
Der zweite Antrag stammt von einer Gruppe von 43 Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dieser zielt auf die Prüfung der Erfolgsaussichten eines etwaigen Verbotsantrags gegen die AfD (20/14105). Es bestünden erhebliche Anzeichen dafür, dass die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) darauf ausgehe, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen, und damit die Voraussetzungen eines Verbots durch das Bundesverfassungsgericht erfülle, heißt es in der Vorlage. Daher soll der Bundestag nach dem Willen der 43 Grünen-Parlamentarier prüfen, einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. Dazu soll Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) dem Antrag zufolge vom Parlament beauftragt werden, „alsbald Gutachter zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrages auf Verbot der ,Alternative für Deutschland' zu bestimmen“. Zugleich soll die Bundesregierung nach dem Willen der Antragsteller den beauftragten Gutachtern alle ihr und den ihr nachgeordneten Behörden verfügbaren Materialien zur Verfügung stellen, die für diese Prüfung sachdienlich sein könnten; die Länder sollen „insoweit um Unterstützung ersucht“ werden.
„Vor dem Hintergrund des Ergebnisses dieser Prüfung entscheidet der Deutsche Bundestag zeitnah über die Einleitung eines Verbotsverfahrens“, heißt es in dem Antrag weiter. Falls sich das Parlament dann für einen Verbotsantrag entscheidet, sollen danach die Bundesregierung und die Länder ersucht werden, eine Beachtung des „Gebots strikter Staatsfreiheit“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu gewährleisten. In der Begründung schreiben die Abgeordneten, nicht nur die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder, die Landesverbände der AfD teilweise als gesichert rechtsextrem einstufen, sondern auch zahlreiche öffentlich bekannte Tatsachen und das eigene Erleben im Bundestag böten deutliche Indizien, dass es sich bei der AfD um eine im Sinne des Grundgesetz-Artikels 21 verfassungswidrige Partei handelt. Das allein reiche jedoch nicht, „um jetzt einen - aussichtsreichen - Verbotsantrag zu stellen, und damit auch nicht, einen entsprechenden Beschluss zu fassen“. Das Beweismaterial müsse bei Antragstellung umfassend und mit einer Erklärung strikter Staatsfreiheit aller Beweise vorgelegt werden, „um nicht schon hier in die Gefahr des Scheiterns zu laufen“, führen die Antragsteller weiter aus. In „Ausübung der Verantwortung, die dem Deutschen Bundestag obliegt“, sei es daher richtig, sich jetzt das Material für eine gründliche Prüfung zu verschaffen und dann auf Grund einer fundierten Begutachtung über das Stellen eines Verbotsantrages zu entscheiden. (sas/sto/ste/30.01.2025)