Bund startet mit „vorläufiger Haushaltsführung“ ins neue Jahr
Am Freitag, 29. November 2024, sollte der Bundestag in dritter Lesung namentlich über das Haushaltsgesetz 2025 abstimmen. Dazu ist es nicht gekommen. Am 7. November erhielt der damalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seine Entlassungsurkunde vom Bundespräsidenten. Die FDP schied aus der Regierungskoalition aus, und am 15. November beschloss der Bundestag mehrheitlich, die für die Woche vom 25. November vorgesehene abschließende Beratung des Bundeshaushalts für das kommende Jahr ersatzlos zu streichen. Damit gibt es für 2025 keinen vom Bundestag verabschiedeten Haushalt.
Noch nicht. Denn nach der Neuwahl des Bundestages am 23. Februar 2025 wäre die Aufstellung eines Haushalts für das dann laufende Jahr eines der ersten Projekte, die in Angriff genommen werden müssten. Den Haushaltsentwurf (20/12400), den die Ampelregierung am 10. September 2024 in den Bundestag eingebracht hatte und der nicht mehr beschlossen wurde, fällt mit dem Ende der Wahlperiode der „Diskontinuität anheim“, wie es im Parlamentsjargon heißt. Dies besagt, dass Gesetzesvorhaben, die innerhalb einer Wahlperiode nicht verabschiedet worden sind, nach Ablauf dieser Periode automatisch verfallen. Die neue Bundesregierung muss also ein eigenes Haushaltsgesetz in den Bundestag einbringen.
Gängige Praxis nach Bundestagswahlen
Eine Wirkung entfaltet der Haushaltsentwurf der alten Regierung aber dennoch: Seine Ansätze und Haushaltsstrukturen bilden die Grundlage und die Obergrenze für die „vorläufige Haushaltsführung 2025“. Praktiziert wird diese regelmäßig nach Bundestagswahlen, die im Herbst stattfinden. Seit dem Jahr 2000 kam es bisher neunmal zu einer vorläufigen Haushaltsführung. Wann die neue Regierung nach einer Bundestagswahl einen eigenen Haushaltsentwurf vorlegt, hängt vor allem mit der Dauer der Regierungsbildung zusammen.
Nach der Bundestagswahl 2017, als die Bildung der Großen Koalition sehr schleppend verlief, fand die erste Lesung des Haushaltsgesetzes 2018 am 15. Mai 2018 statt. Verabschiedet wurde der Etat erst am 5. Juli 2018, als das Haushaltsjahr bereits zur Hälfte vorbei war. Wiederum vier Jahre zuvor hatte sich der Bundestag erstmals am 8. April 2014 mit dem Haushalt desselben Jahres (18/700) beschäftigt, verabschiedet wurde er am 27. Juni 2014.
Etatlose Phasen 2022 und 2024
Im Kalenderjahr 2021 hatte der Bundestag keinen Gesamthaushalt verabschiedet, weder den für 2021 noch den für 2022. Den Haushalt für das Jahr 2021 hatten die Abgeordneten bereits am 11. Dezember 2020 beschlossen. Den Haushalt für 2022 (20/1000, 20/1002, 20/1200) brachte die Ampelregierung am 22. März 2022 in den Bundestag ein, verabschiedet wurde er am 3. Juni 2022. Die vorläufige Haushaltsführung galt für nahezu sechs Monate, denn das Haushaltsgesetz 2022 wurde erst am 22. Juni 2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.
Die letzte vorläufige Haushaltsführung dauerte vom 1. Januar bis 12. Februar 2024, dem Tag, an dem das am 2. Februar vom Bundestag verabschiedete Haushaltsgesetz 2024 (20/7800, 20/7802) im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Aufgrund der Auswirkungen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 (Aktenzeichen: Aktenzeichen: 2 BvF 1 / 22) fand die dritte Beratung des Haushaltsgesetzes 2024 nicht wie geplant am 1. Dezember 2023, sondern erst am 2. Februar 2024 statt.
Enge Grenzen der vorläufigen Haushaltsführung
Nach Artikel 110 des Grundgesetzes darf die Bundesregierung nur Haushaltsmittel ausgeben, die vom Parlament durch die gesetzliche Feststellung des Haushaltsplans bewilligt worden sind. Im Haushaltsjahr 2025 befindet sich der Bund also zunächst im Zustand der „vorläufigen Haushaltsführung“. Dieser sind – im etatlosen Zustand – jedoch enge Grenzen gezogen.
Die Bundesregierung darf nur Geld ausgeben, um gesetzlich bestehende Einrichtungen zu erhalten, gesetzlich beschlossene Maßnahmen durchzuführen, rechtlich begründete Verpflichtungen des Bundes zu erfüllen oder um Bauten, Beschaffungen oder sonstige Leistungen fortzusetzen oder Beihilfen für diese Zwecke weiter zu gewähren, sofern in dem Haushaltsplan eines Vorjahres bereits derartige Beträge bewilligt worden sind.
Im Falle unzureichender Einnahmen aus Steuern, Abgaben und sonstigen Quellen ist die Bundesregierung durch Artikel 111 des Grundgesetzes ermächtigt, Kredite bis zur Höhe von 25 Prozent der Endsumme des abgelaufenen Haushaltsplans zur Deckung der nötigen Ausgaben aufzunehmen. Durch diese Ermächtigungsregelungen soll sichergestellt werden, dass der Staat funktionsfähig bleibt und der Bundeshaushalt ordnungsgemäß weitergeführt wird, ohne das Budgetrecht des Bundestages allzu sehr zu strapazieren.
Kurzfristige Ausnahmesituation
Die Artikel 110 einerseits und 111 und 112 des Grundgesetzes andererseits stehen zueinander im Verhältnis von Regel und Ausnahme. Artikel 111 soll nicht das Recht des Parlaments, den Haushalt zu bewilligen, vorübergehend ersetzen. Vielmehr soll in einer kurzfristigen Ausnahmesituation eine vorläufige Haushaltsführung möglich werden.
Die Ermächtigungen nach Artikel 111 sind sowohl sachlich als auch zeitlich begrenzt. Geleistet werden dürfen nur solche Ausgaben, die „nötig“ sind. Das bedeutet, dass sie sachlich erforderlich und geeignet sein müssen, um die genannten Zwecke zu erreichen. In zeitlicher Hinsicht muss die Ausgabe unaufschiebbar sein. Das ist nicht der Fall, wenn sie bis zur Verabschiedung des Haushaltsgesetzes zurückgestellt werden kann, ohne dass dies den Erfolg mindert.
Über- und außerplanmäßige Ausgaben
Auslegungsbedürftig im Artikel 111 ist der Begriff der „sonstigen Leistungen“, für die in den Haushaltsplänen der Vorjahre Mittel vorgesehen waren. Betroffen davon sind sogenannte Fortsetzungsmaßnahmen, die nicht neu sind, sondern „inhaltsgleich“ mit früheren Maßnahmen.
Die Ermächtigungen zur vorläufigen Haushaltsführung beschränken sich nicht auf den Artikel 111. Liegen unvorhergesehene und unabweisbare Bedürfnisse vor, die vom Artikel 111 nicht abgedeckt sind, dürfen gemäß Artikel 112 mit Zustimmung des Bundesfinanzministers über- und außerplanmäßige Ausgaben geleistet werden.
Die Bundeshaushaltsordnung regelt im Paragrafen 45, dass nicht in Anspruch genommene Kredit- und Verpflichtungsermächtigungen des abgelaufenen Haushaltsplans weitergelten und wann Ausgabereste verfügbar sind. Außerdem ordnen die jährlichen Haushaltsgesetze beispielsweise die Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln oder die Flexibilisierung von Ausgaben für die Dauer einer nachfolgenden vorläufigen Haushaltsführung an.
Sachausgaben auf 45 Prozent des Etatentwurfs begrenzt
Damit die Einheitlichkeit der vorläufigen Haushaltsführung der Bundesverwaltung gewahrt bleibt, erlässt das Bundesfinanzministerium Rundschreiben. Für die vorläufige Haushaltsführung 2025 hat Finanzminister Dr. Jörg Kukies (SPD) am 16. Dezember 2024 ein Rundschreiben herausgegeben, das sich an die obersten Bundesbehörden richtet, für die die darin enthaltenen Vorgaben verbindlich sind.
In diesem Haushaltsführungserlass ist unter anderem festgelegt, dass Sachausgaben bis zu 45 Prozent der im Etatentwurf der Ampelkoalition für 2025 (20/12400) veranschlagten Höhe getätigt werden dürfen. Überschritten werden darf dieser Verfügungsrahmen nur, „wenn dies zur Erfüllung einer vor dem 1. Januar 2025 rechtlich begründeten Verpflichtung notwendig ist“. Eine ansonsten erforderliche vorherige Einwilligung des Bundesfinanzministeriums könne „nur für den Fall eines vordringlichen Bedarfs in Aussicht gestellt werden“.
Die vorläufige Haushaltsführung endet mit der Verkündung des Haushaltsgesetzes des laufenden Jahres. Das Haushaltsgesetz wird dann rückwirkend zum Jahresbeginn in Kraft gesetzt. Die nach Artikel 111 des Grundgesetzes erteilten Ermächtigungen werden vom verabschiedeten neuen Haushaltsplan abgelöst. Die während der vorläufigen Haushaltsführung angefallenen Ausgaben wandeln sich in planmäßige Ausgaben um, indem sie auf die Ausgabeermächtigungen des neuen Haushaltsplans angerechnet werden. (vom/30.12.2024)