Rahmenbedingungen für Bundeswehr-Brigade in Litauen debattiert
Bis 2027 soll eine kampfstarke Brigade der Bundeswehr in Litauen stationiert werden. Der Bundestag debattierte am Donnerstag, 5. Dezember 2024, in erster Lesung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung „zur weiteren Stärkung der personellen Einsatzbereitschaft und zur Änderung von Vorschriften für die Bundeswehr“ (20/13488) und über den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum „Abkommen vom 13. September 2024 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich“ (20/14020), mit denen wichtige gesetzliche Grundlagen für die geplante Stationierung geschaffen werden sollen.
Zudem beriet er über den Gesetzentwurf „über die Strafbarkeit der Ausübung von Tätigkeiten für fremde Mächte sowie zur Änderung soldatenrechtlicher und soldatenbeteiligungsrechtlicher Vorschriften“ (20/13957). Die Vorlagen wurden nach der Aussprache dem Verteidigungsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen.
Minister: Wichtigstes Projekt der Zeitenwende
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) betonte die Notwendigkeit einer glaubwürdigen Abschreckung gegenüber dem „revisionistischen und imperialistischen Russland“ unter Präsident Waldimir Putin. Russland produziere aktuell zwischen 1.000 und 1.500 neue Kampfpanzer. Dies sei mehr, als die fünf größten europäischen Staaten insgesamt zur Verfügung hätten.
Die dauerhafte Stationierung einer Brigade in Litauen sei das wichtigste Projekt der „Zeitenwende“. Bis 2027 würden rund 4.800 deutsche Soldaten und 200 Zivilangestellte an der bedrohten Ostflanke der Nato stationiert. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Stärkung der Einsatzbereitschaft, auch „Artikelgesetz Zeitenwende“ genannt, lege dafür wichtige Grundlagen. Ohne dieses Gesetz sei die Aufstellung der Brigade „gefährdet“ mahnte der Verteidigungsminister.
Mit dem Gesetzentwurf zum „Abkommen vom 13. September 2024 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich“ würde zudem Rechtssicherheit für die Stationierung der Brigade geschaffen. Das litauische Parlament habe das Abkommen bereits ratifiziert.
Union: Scholz' Zeitenwende ist gescheitert
Der CDU/CSU-Abgeordnete Florian Hahn signalisierte zwar prinzipiell die Unterstützung der Unionsfraktion für die vorgelegten Gesetzentwürfe, übte zugleich jedoch schwere Kritik an der Bundesregierung und an Verteidigungsminister Pistorius. Die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine ausgerufene Zeitenwende im Februar 2022 sei gescheitert.
Pistorius fordere zwar in vielen Fällen die richtigen Dinge ein, um die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen, aber letztlich fehle ihm der Mut, diese auch durchzusetzen. Dies zeige sich auch bei der Aufstellung der Litauen-Brigade. So müsse die für die Brigade benötigte Ausrüstung in anderen Verbänden der Bundeswehr „geplündert“ werden, führte Hahn aus.
Die Bundesregierung betreibe ein „Nullsummenspiel“, das zu einer „Zweiklassengesellschaft“ im Heer führe. Das vorgelegte Artikelgesetz zur Steigerung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sei zwar für die Truppe wichtig, komme aber zu spät „auf den letzten Metern“ der Legislaturperiode.
Grüne: Ukrainer verteidigen unsere Freiheit
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprach sich die Abgeordnete Merle Spellerberg für die Stationierung der Bundeswehr-Brigade in Litauen aus. Damit komme Deutschland seiner Verpflichtung gegenüber den Nato-Partnern an der Ostflanke des Bündnisses nach.
Seit mehr als 1.000 Tagen müsse sich die Ukraine gegen den brutalen Angriffskrieg Russlands zur Wehr setzen. „Die Ukrainer verteidigen ihre und unsere Freiheit“, betonte Spellerberg. Deshalb müsse Deutschland weiterhin solidarisch an der Seite der Ukraine stehen. Freiheit und Frieden seien untrennbar miteinander verbunden, Frieden ohne Freiheit bedeute lediglich Unterdrückung. In den Ländern Osteuropas sei man sich dessen bewusst.
FDP: Artikelgesetz kann nur ein Anfang sein
Der FDP-Abgeordnete Nils Gründer verwies darauf, dass die geplante Stationierung einer Brigade nicht nur eine große Herausforderung für die Bundeswehr insgesamt, sondern auch für die beteiligten Soldaten und ihre Familien darstelle. Die geplanten Verbesserungen für die Soldaten in der Auslandsverwendung seien deshalb zu begrüßen.
Allerdings müsse das gesamte Personalsystem der Bundeswehr über die Aufstellung der Litauen-Brigade hinaus auf den Prüfstand gestellt werden. Die Bundeswehr müsse zur „stärksten konventionellen Streitmacht in Europa“ werden. Das vorgelegte Artikelgesetz könne deshalb nur ein Anfang sein. Konkret sprach sich Gründer für den Wegfall aller Zuverdienstgrenzen für Soldaten aus, um den Dienst in der Bundeswehr attraktiver zu machen.
AfD: Ausschließlich Landesverteidigung
Massive Kritik an der Bundesregierung übte der AfD-Parlamentarier Hannes Gnauck. Das ausgegebene Ziel, die Truppenstärke der Bundeswehr auf 203.000 Soldaten bis zum Jahr 2031 zu erhöhen, werde nicht erreicht, die Zahl der Soldaten sinke weiter. Eine Widereinführung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht könne zwar helfen, den Personalmangel zu beheben, sei aber nicht dafür da, um junge Deutsche in fremde Kriege zu entsenden.
Die AfD bestehe deshalb auf dem grundgesetzlichen Auftrag der Bundeswehr ausschließlich zur Landesverteidigung. Der Alltag der Soldaten sei von Überstunden und mangelnder Ausrüstung geprägt, führte Gnauck an. Die schlechte Ausrüstungslage sei durch die Waffenlieferungen an die Ukraine weiter verschärft worden. Die von Union und Grünen geforderte Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern erhöhe zudem die Gefahr eines Krieges mit Russland.
Gnauck übte zudem scharfe Kritik an Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) wegen ihrer Äußerungen, Deutschland könne sich mit eigenen Soldaten zukünftig an einer Friedenstruppe in der Ukraine beteiligen.
SPD: Zahnrad der Zeitenwende
Der SPD-Abgeordnete Johannes Arlt warf Gnauck vor, er verbreite Fake News. Deutschland habe noch nie Wehrpflichtige in Auslandseinsätze oder in Kriege entsendet und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Die Truppenstärke der Bundeswehr sei auch nicht gesunken, sondern von 180.000 auf 181.000 gestiegen, ebenso sei in diesem Jahr die Zahl der Bewerber um 20 Prozent gestiegen.
Arlt bekannte sich ausdrücklich zur Aufstellung der Litauen-Brigade. Diese werde für eine glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland benötigt. Das von der Regierung vorgelegte Gesetz zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft klinge zwar etwas technisch, aber die Auswirkungen für die Soldaten sei alles andere als trivial. Es müsse noch vor den Neuwahlen zum Bundestag beschlossen werden. Die Stationierung in Litauen sei für die Soldaten und ihre Familien ein „riesiger Schritt“, bei dem sie unterstützt werden müssten. Das Gesetz sei deshalb ein „Zahnrad der Zeitenwende“.
Linke und BSW kritisieren Bundesregierung
Für die Gruppe Die Linke übten Susanne Ferschl und für die BSW-Gruppe Sevim Dağdelen scharfe Kritik an der Bundesregierung. Die sogenannte Zeitenwende habe zu einer beispiellosen Militarisierung der Gesellschaft geführt, sagte Ferschl. Statt sich um die Sozialpolitik zu kümmern, verfolge die Bundesregierung in ihren letzten Tagen nur noch eine Politik, um die Bundeswehr „kriegstauglich“ zu machen.
In diesem Sinne argumentierte auch Dağdelen und warf Außenministerin Baerbock vor, sie vergrößere mit ihrer „Schnapsidee“ von einer Beteiligung der Bundeswehr an einer Friedenstruppe in der Ukraine die Gefahr eines Krieges.
Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung
„Damit die Bundeswehr angesichts der neuen sicherheitspolitischen Bedrohungslage ihre Aufgaben zur Landes- und Bündnisverteidigung ohne Einschränkungen erfüllen kann, muss insbesondere ihre personelle Einsatzbereitschaft schnellstmöglich erhöht werden“, schreibt die Regierung in ihrem ersten Gesetzentwurf. Darin ist unter anderem vorgesehen, die finanziellen Leistungen für Soldatinnen und Soldaten im Ausland zu erhöhen. Dies solle vor allem für das Personal gelten, das in der noch aufzubauenden Brigade in Litauen eingesetzt wird.
Um den Aufwuchs der Bundeswehr zu stärken, sollen Zeitsoldatinnen und -soldaten mit einer Verpflichtungsprämie motiviert werden, heißt es weiter. Auch Verbesserungen im Versorgungsrecht sind vorgesehen, sodass Soldatinnen und Soldaten nach dem Ende ihres Dienstes besser abgesichert werden. Damit die Reaktionsfähigkeit im Verteidigungsfall verbessert werden kann, soll das Arbeitszeitrecht für das militärische Personal geändert werden. Die Änderungen sollen zudem die nötige Flexibilität schaffen, Streitkräfte bestmöglich auszubilden und zum Schutz der Bevölkerung einzusetzen.
Gesetzentwurf von SPD und Grünen
Wie SPD und Grüne in ihrem Entwurf „zu dem Abkommen vom 13. September 2024 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Litauen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich“ (20/14020) schreiben, regelt das Abkommen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Präsenz der deutschen Streitkräfte sowie für die Präsenz des zivilen Gefolges, von weiterem entsandten deutschen Personal und von deutschen staatlichen Unternehmen im Hoheitsgebiet Litauens.
Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, innerhalb Europas und in unmittelbarer Nähe des Nato-Bündnisgebiets, hat gravierende Auswirkungen auf die europäische Sicherheitsordnung, heißt es in der Vorlage zur Begründung. Deutschland und seine verbündeten Staaten müssten der entstandenen militärischen Bedrohung entschlossen begegnen. „Das erfordert eine spürbare Erhöhung der Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit im Nato-Bündnis und die konsequente Ausrichtung der Bundeswehr auf Landes- und Bündnisverteidigung.“ Hierfür würden umfassend einsatzbereite Streitkräfte benötigt und insbesondere verlässlich bereitstehende, einsatzbereite Einheiten, Verbände und Großverbände.
„Die Bundesrepublik Deutschland wird deshalb eine Brigade des Deutschen Heeres nebst weiteren militärischen und zivilen Dienststellen im Hoheitsgebiet der Republik Litauen stationieren.“ Die Brigade soll unter dem Namen Panzerbrigade 45 im Jahr 2025 offiziell in Dienst gestellt werden.
Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Da in der jüngeren Vergangenheit laut Bundesregierung Fälle bekannt geworden sind, in denen nicht verbündete fremde Mächte oder ihre Mittelsmänner frühere Berufssoldatinnen und Berufssoldaten sowie frühere Soldatinnen und Soldaten auf Zeit zur Ausbildung eigenen Personals beschäftigt haben oder beschäftigen, soll ein neuer Straftatbestand im Wehrstrafgesetz eingeführt werden.
Die Erfassung aktiver und früherer Berufssoldatinnen und Berufssoldaten sowie Soldatinnen und Soldaten auf Zeit werde die Geheimhaltung militärischer Kenntnisse und Informationen im Interesse der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verbündeten selbst bei finanziell attraktiven Vergütungsangeboten fremder Mächte oder ihrer Mittelsmänner stärken, heißt es in der Vorlage (20/13957). (aw/hau/05.12.2024)