Geschichte

Vor 25 Jahren: Bundes­tag setzt Partei­spenden-Untersuchungs­ausschuss ein

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (links) nimmt den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zur sogenannten Parteispendenaffäre durch den Vorsitzenden Volker Neumann (SPD) und seinen Stellvertreter Hans-Peter Friedrich (CDU/CSU) entgegen.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (links) erhält vom Ausschussvorsitzenden Volker Neumann (Mitte) und seinem Stellvertreter Hans-Peter Friedrich den Abschlussbericht zur sogenannten Parteispendenaffäre. (© DBT/Meldepress/Sylvia Bohn)

Vor 25 Jahren, am Donnerstag, 2. Dezember 1999, hat der 14. Deutsche Bundestag in seiner 76. Sitzung auf Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/2139) einstimmig einen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Parteispendenaffäre eingesetzt. Der aus 15 Mitgliedern bestehende 1. Untersuchungsausschuss hatte die Aufgabe, die Gewährung von Spenden, Provisionen und anderen finanziellen Zuwendungen an Mitglieder und Amtsträger der ehemaligen von CDU/CSU und FDP getragenen Bundesregierung zu untersuchen. 

Diese Fragen sollten insbesondere im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Spürpanzern vom Typ „Fuchs“ an Saudi-Arabien im Jahre 1991 sowie der Veräußerung der Erdölraffinerie in Leuna und des Minol-Tankstellennetzes in der ehemaligen DDR geklärt werden. Weiterhin sollte untersucht werden, ob es dabei zu Verstößen gegen Bestimmungen des Parteiengesetzes und anderer Vorschriften gekommen ist. 

Schwarze Konten und verdeckte Geldbewegungen 

Auslöser des Parteispenden-Untersuchungsausschusses war ein Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 3. November 1999 gegen den ehemaligen Bundesschatzmeister der CDU, Dr. h. c. Walther Leisler Kiep. Ihm wurde vorgeworfen, sich für den Verkauf von 36 Spürpanzern vom Typ „Fuchs“ von Thyssen-Henschel an Saudi-Arabien in den Jahren 1990 und 1991 eingesetzt und hierfür eine Provision in Höhe von einer Million D-Mark erhalten, diese jedoch nicht versteuert zu haben. Kiep gab zu, gemeinsam mit dem Wirtschaftsprüfer Horst Weyrauch auf einem Parkplatz in der Schweiz von dem Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber eine Spende für die CDU in Höhe von einer Million D-Mark in bar in einem Koffer erhalten zu haben. Im Rechenschaftsbericht der CDU tauchte diese allerdings nirgendwo auf. 

Kurz darauf, am 26. November 1999, bestätigte der ehemalige Generalsekretär der CDU, der Abgeordnete Dr. Heiner Geißler, gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ die Existenz inoffizieller Konten der CDU-Bundespartei zu seiner Amtszeit. Darauf gestand der frühere CDU-Parteivorsitzende und Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl am 30. November 1999 öffentlich ein, dass es unter seiner Führung schwarze Konten und verdeckte Geldbewegungen gegeben habe, wofür er die politische Verantwortung übernehme. In der Plenardebatte befürworteten die Abgeordneten einstimmig die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. 

Hofmann (SPD): Wo ist die Koffermillion?

Allerdings warf der SPD-Abgeordnete Frank Hofmann der CDU vor, es fehle ihr an der Bereitschaft, die Aufklärung der Vorwürfe tatsächlich voranzutreiben. „In der CDU mangelt es noch immer an der Bereitschaft, die Karten auf den Tisch zu legen. Wo ist die Koffermillion? Wie ist das mit den Konten in der Schweiz? Heiner der Wissende, Volker der Ahnungslose? Wie passt das zusammen?“

Dem früheren Parteivorsitzenden Kohl hielt er vor, durch ein intransparentes Finanzsystem und die eigenmächtige Verteilung von Geldern seine Macht gesichert zu haben, und kritisierte dessen Verständnis von Parlamentarismus und Demokratie, weil Kohl dem persönlichen Vertrauen gegenüber den Spendern seiner Partei den Vorrang gegenüber der Einhaltung der Gesetze eingeräumt habe. „Was ist das für ein Verständnis von Parlamentarismus und Demokratie, wenn Gesetze weniger wichtig sind als persönliches Vertrauen?“

„Helmut Kohl hat Spenden kassiert, versteckt, verschwiegen, verheimlicht und sich ein eigenes Finanzreich geschaffen. Woher kamen die Schwarzgelder? Von wem kamen sie? Wo gingen die Gelder hin? Wofür haben die Spender Gelder gegeben? War das nur so zum Spaß, um sich selbst eine Freude zu machen, oder haben sie handfeste Interessen verfolgt und durchgesetzt? Wofür hat Kohl die Gelder ausgegeben? Hat er das nur so getan, um sich selbst eine Freude zu bereiten, oder hat er damit handfeste Interessen verfolgt und durchgesetzt? Gab es einen Geheimbund Kohl/Kiep/Weyrauch/Lüthje? Oder wusste die Parteispitze Bescheid?“

Schäuble (CDU/CSU) kündigt intensive Bemühungen an

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Dr. Wolfgang Schäuble, bekräftigte demgegenüber das Interesse seiner Fraktion an der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Er kündigte intensive Bemühungen der CDU an, zu einer raschen Aufklärung der Vorwürfe beizutragen. Der Verdacht, Entscheidungen der früheren Bundesregierung seien käuflich gewesen, wiege so schwer, dass im Interesse der Demokratie so schnell, umfassend und vorbehaltlos wie möglich aufgeklärt werden müsse. „Wir sind der Meinung, wenn der Verdacht besteht, Entscheidungen einer Bundesregierung, in diesem Fall Entscheidungen der Regierung von Helmut Kohl, seien durch Zahlungen von Geld beeinflusst worden, dann ist das ein so schwerwiegender Verdacht, dass er im Interesse unserer Demokratie so rasch, vollständig, lückenlos und vorbehaltlos wie irgend möglich aufgeklärt werden muss.“ 

Er war jedoch davon überzeugt, dass Regierungsentscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu keiner Zeit käuflich gewesen seien. „Ich bin mir in der Einschätzung sicher, dass Entscheidungen der Regierung Kohl – ich vermute übrigens, Entscheidungen jeder Bundesregierung, die wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hatten – niemals käuflich gewesen sind, und ich hoffe, dass dies auch in der Zukunft so bleiben wird. Ich werde alles, was in meiner Möglichkeit steht, tun, damit auch in Zukunft sicher gestellt wird, dass niemals der Verdacht, Entscheidungen einer frei gewählten Regierung der Bundesrepublik Deutschland seien käuflich, Bestätigung finden kann.“

Keine Ausforschung der CDU-Parteifinanzen

Gleichzeitig wandte er sich im Interesse der Wettbewerbsgleichheit unter den Parteien dagegen, mit den Mitteln des Untersuchungsausschusses die Finanzpraxis der CDU einer strengeren Überprüfung zu unterziehen, als sie nach den gesetzlichen Regelungen über die Rechnungslegung der politischen Parteien vorgesehen sei. Die Arbeit des Ausschusses dürfe keinesfalls zu einer Ausforschung der CDU-Parteifinanzen durch den politischen Gegner führen.

„Die Christlich Demokratische Union wird alles tun, damit auch für die Vergangenheit geklärt wird, ob wir uns an das Parteienfinanzierungsgesetz gehalten haben. Soweit wir uns daran nicht gehalten haben, werden wir das, was irgend möglich ist, nachholen. Wenn sich daraus Konsequenzen ergeben, dann sind sie für uns bitterer als für andere. Dazu stehen wir. Die Prüfung muss aber nach den Regeln des Parteienfinanzierungsgesetzes und nicht nach anderen vonstatten gehen.“

Ströbele (Grüne): Die Wahrheit muss auf den Tisch

Vehemente Kritik an den Aufklärungsbemühungen der CDU übte Hans-Christian Ströbele für Bündnis 90/Die Grünen. Er warf der CDU vor, die Öffentlichkeit hinzuhalten und die Aufklärung der Vorgänge zu verzögern. „Von Ihnen und den Funktionsträgern Ihrer Partei wird immer nur gerade so viel zugegeben, wie ohnehin schon bekannt ist, wie von der Staatsanwaltschaft schon ermittelt worden ist oder wie von Ihrem Dissidenten, Herrn Geißler, schon durch Veröffentlichung in der Zeitung bekanntgemacht worden ist. Nur das, aber nicht die ganze Wahrheit wird zugegeben.“ 

Er warf der CDU vor, systematisch Schwarzkonten geführt und Spenden verschleiert zu haben. Helmut Kohl habe diese Konten bewusst genutzt, um das Parteiengesetz zu umgehen. Kohl habe sich durch „Haarspaltereien“ und halbgare Erklärungen dem Vorwurf entzogen, gegen das Parteiengesetz verstoßen zu haben. „Wie kann uns Herr Kohl, der heute leider nicht hier ist, erklären, dass er schwarze Konten geführt habe, dass auf diesen schwarzen Konten Gelder eingegangen seien, dass er davon gewusst habe und dass er das Geld ausgegeben habe, aber dass er nicht gewollt habe, dass das Parteiengesetz umgangen wird?“ Ströbele forderte die CDU auf, endlich alle Fakten offenzulegen, um eine Staatskrise zu vermeiden. „Die Wahrheit muss hier auf den Tisch. Herumgerede reicht nicht.“

„Es geht um die Erneuerungsfähigkeit und um die Glaubwürdigkeit der Politik in diesem Lande, in Deutschland. Wenn es uns nicht gelingt, hier im Bundestag und im Untersuchungsausschuss vollständig Klarheit zu schaffen, dann hat diese Republik durch Ihre Praktiken für immer einen Schaden erlitten.“

Van Essen (FDP):  Erweiterung auf alle Parteien

Für die FDP-Fraktion bekundete Jörg van Essen die Zustimmung zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses und die Bereitschaft, im Interesse einer raschen und umfassenden Aufklärung konstruktiv mitzuarbeiten. Van Essen forderte eine schnelle und ergebnisorientierte Arbeit des Ausschusses, betonte jedoch, dass dabei alle Parteien einbezogen werden müssten.

Zur Begründung des von seiner Fraktion eingebrachten Änderungsantrags trug er vor, öffentliche Äußerungen Karlheinz Schreibers gäben Anlass zu der Annahme, dass dieser seine umstrittene „politische Landschaftspflege“ auch auf die damaligen Oppositionsparteien ausgedehnt habe. Aus Sicht der FDP sei es daher verfehlt, den Untersuchungsauftrag auf die Überprüfung der früheren Regierungsparteien und -fraktionen sowie deren Mitglieder zu beschränken. „Wir haben eine Erweiterung des Untersuchungsauftrages auf alle im Bundestag vertretenen Parteien beantragt, um von vornherein zu verdeutlichen, dass es keine Untersuchungshürden geben darf.“

Kenzler (PDS): Aufruf zu Sachlichkeit und Fairness 

Für die PDS betonte Dr. Evelyn Kenzler ausdrücklich die Dringlichkeit einer systematischen parlamentarischen Klärung der Vorwürfe. Dies sei eine Notwendigkeit zur Wahrung der Glaubwürdigkeit der Politik. Dabei plädierte sie für Fairness und Sachlichkeit bei der Aufarbeitung.

Obwohl die Begründung des von der FDP-Fraktion eingebrachten Änderungsantrags nur sehr vage Anhaltspunkte für etwaige Spendenunregelmäßigkeiten der früheren Oppositionsparteien enthalte, habe ihre Fraktion keinen Grund, sich diesem Antrag zu verschließen. Ihrer Ansicht nach werde sich der Untersuchungsausschuss schließlich neben der Sachverhaltsaufklärung und der rechtlichen und politischen Bewertung auch mit der Abgabe von Empfehlungen für das weitere Vorgehen im Hinblick auf gesetzgeberische Konsequenzen in der Parteienfinanzierung beschäftigen müssen.

„Die Reihenfolge kann für uns aber nur sein: erstens Klärung des Sachverhalts durch umfassende Beweiserhebung, zweitens rechtliche und politische Würdigung des erhobenen Beweismaterials und drittens gegebenenfalls Unterbreitung von Empfehlungen für das weitere Vorgehen. Nach Beendigung der Arbeit des Untersuchungsausschusses wird das Plenum vor der Aufgabe stehen, grundsätzlich über gesetzgeberische Konsequenzen in der Parteienfinanzierung nachzudenken.“

Mühsame Aufarbeitung 

Am 16. Dezember 1999 kam der Parteispenden-Untersuchungsausschuss zu seiner Konstituierung zusammen. Parteipolitische Auseinandersetzungen, Schuldzuweisungen und große mediale Aufmerksamkeit begleiteten die mühsame Aufarbeitung des Untersuchungsausschusses bis zu seiner letzten Sitzung am 27. Juni 2002. 

Die Aufklärungsmöglichkeiten des Ausschusses stieß schnell an ihre Grenzen. Helmut Kohl hatte zwar zugegeben, Spenden am Haushalt der CDU vorbeigeschleust zu haben, weigerte sich jedoch, die Spender zu nennen, die ihm zwischen 1993 und 1998 insgesamt 2,1 Millionen D-Mark in bar zugesteckt hatten. Sein Ehrenwort habe er den Geldgebern gegeben, und daran konnte auch der vom Bundestag eingesetzte parlamentarische Untersuchungsausschuss nicht rütteln. 

Den Vorwurf der Bestechlichkeit wies er zurück: „Wenn ich höre, man hätte Regierungshandeln in einer Regierung, die ich vertrete und die ich geführt habe, beeinflusst mit Spenden, ist das für mich ganz und gar unerträglich. Ich war nie bestechlich, ich habe nie Geld für mich persönlich genommen. In meine Kasse persönlich und privat ist nichts gegangen.“ Am 18. Januar 2000 trat Kohl auf Druck der CDU-Spitze vom Amt des Ehrenvorsitzenden zurück.

Debatte zur Spendenaffäre am 20. Januar 2001

In der vereinbarten Debatte zur Spendenaffäre am 20. Januar 2001 lieferten sich Koalition und Opposition einen heftigen Schlagabtausch. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Dr. Peter Struck warf Kohl vor, sein Ehrenwort über die Verfassung zu stellen. „Nennen Sie Ross und Reiter!“, forderte er den Alt-Bundeskanzler auf, Deutschland dürfe nicht zu einer „kohlschen Bimbes-Republik“ verkommen. Rezzo Schlauch (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, es werde mehr und mehr deutlich, dass das System Kohl die CDU noch immer in den Fängen habe, „weil es zum System der Partei geworden ist“. 

Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Schäuble musste zugeben, die Unwahrheit gesagt zu haben und entschuldigte sich für seine Unehrlichkeit zum Erhalt der 100.000 D-Mark-Spende von Waffenhändler Schreiber. Die Parteispendenaffäre nannte er „unendlich schwierig und qualvoll“ und er gab zu, dass in der Regierungszeit der CDU „ganz offensichtlich gegen Gesetze verstoßen“ worden sei. Am 16. Februar 2000 legte er alle Ämter nieder.

125 Sitzungen und kaum Antworten

Während der Untersuchungen stellte sich heraus, dass die CDU über zahlreiche Konten verfügte, die nicht in ihren Rechenschaftsberichten auftauchten. Da derartige Schattenkonten einen Verstoß gegen das geltende Parteispendengesetz darstellten, sperrte der damalige Bundestagspräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse die Auszahlung von insgesamt 21 Millionen Euro Wahlkampfkostenerstattung an die CDU.

Zweieinhalb Jahre lang versuchte der Ausschuss zu klären, von wem das Geld auf den Auslandskonten der CDU stammte erfolglos. Nach Einschätzung des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Volker Neumann blieben erhebliche Teile der Affäre im Dunkeln. Bis heute bleibt ungeklärt, woher das Geld auf den Auslandkonten der CDU stammt, wer die Spender waren und ob es sie je gegeben hat. Trotz intensiver Arbeit blieb der Parteispendenuntersuchungsausschuss mit seinen Ergebnissen sowohl hinter den selbst gesetzten Zielen, als auch den öffentlichen Erwartungen deutlich zurück. Bei nahezu allen Untersuchungskomplexen sind wichtige Fragen offen geblieben. Auch wurde die Arbeit durch fehlende Dokumente und der Aussageverweigerung der wichtigsten Zeugen erschwert. 

Gegen Ende der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses, bekam auch die SPD „ihren“ Parteispendenskandal in Wuppertal und Köln. Auch die Bewertung der festgestellten Tatsachen war im Ausschuss umstritten. Weshalb es im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses (14/9300) neben der Bewertung durch den Untersuchungsausschuss auch abweichende Berichte und Sondervoten durch die Oppositionsfraktionen CDU/CSU, FDP und PDS gibt. (klz/26.11.2024)