Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren von Geothermieanlagen, Wärmepumpen und Wärmespeichern sowie zur Änderung weiterer rechtlicher Rahmenbedingungen für den klimaneutralen Ausbau der Wärmeversorgung (20/13092, 20/13556) war am Montag, 4. November 2024, Gegenstand einer zweistündigen öffentlichen Anhörung. Im Großen und Ganzen begrüßten Expertinnen und Experten den Versuch der Bundesregierung, der Geothermie einen höheren Stellenwert im Rahmen der Energiewende zukommen zu lassen.
„Erheblicher bürokratischer Aufwand“
In jüngerer Zeit beobachte er einen „Run auf Erdwärme“, sagte Gregor Dilger vom Bundesverband Geothermie eingangs. Der vorliegende Gesetzesentwurf lasse neben guten Ansätzen aber auch einige wichtige Punkte vermissen. Als Beispiel nannte er das Stichwort Flächenverfügbarkeit. Bei der Vorbereitung von seismischen Messungen müsse bisher die Zustimmung einzelner Grundstückseigentümer zur Genehmigung etwa der Benutzung von Wegen eingeholt werden.
Hier entstehe aktuell ein erheblicher, bürokratischer Aufwand. Dem könne mit einer allgemeinen Duldungspflicht „für solche kurzzeitigen und kaum spürbaren Maßnahmen“ abgeholfen werden, so Dilger.
Konkurrenz mit anderen Wassernutzungen
Während die meisten Sachverständigen begrüßten, dass die Geothermie künftig im „überragendem öffentlichen Interesse“ sein soll, warnte Bernd Düsterdiek vom Städte- und Gemeindebund vor der Gefahr einer Konkurrenz mit anderen Wassernutzungen wie Trinkwasser oder auch in der Industrie, dem Gewerbe und der Landwirtschaft.
Dr. Matthias Dümpelmann von der 8KU GmbH lobte den Gesetzentwurf ausdrücklich. Da passe schon sehr viel, sagte er. Was er ergänzend forderte, war eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf zum Beispiel Speicher und den Netzausbau.
„Einseitiger Bürokratieabbau“
Carlotta Gerlach vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisierte, der Entwurf betrachte den Bürokratieabbau für den Wärmepumpenausbau sehr einseitig mit Blick auf oberflächennahe Geothermie und benachteilige damit weitere technische Varianten für die Beschleunigung der Wärmewende. Auch der im Gesetzestitel benannte Punkt der Wärmespeicher und die Nutzung der Wärmepotenziale von Fließgewässern werde noch nicht ausreichend berücksichtigt.
Dr. Cornelia Nicklas (Deutsche Umwelthilfe) nannte die Geothermie „wichtig für eine klimafreundliche Energieversorgung“. Sie merkte allerdings kritisch an, dass der Entwurf die möglichen Gefahren geothermischer Bohrungen für die Umwelt – Schadensrisiken bei Bohrungen, mögliche Belastungen des Grundwassers mit Schadstoffen – „mit keinem Wort anspricht“.
„Wärmenetze ausbauen und Preise sichern“
Herbert Pohl von der Deutsche Erdwärme GmbH sagte, Geothermie-Projekte können als Grundlast, die das ganze Jahr zur Verfügung steht, Tausende Haushalte mit Wärme versorgen. Aber „um Geothermie umfassender nutzen zu können, müssen die Wärmenetze ausgebaut werden und Preise beziehungsweise die Abnahme während der Hochlaufzeit gesichert werden“.
Frank Schilling, Leiter des Landesforschungszentrums für Geothermie (LFZG), sagte, die Unwetter in Spanien und ihre Folgen zeigten, dass Nachhaltigkeit in allen Bereichen nötig sei. Er wünsche sich eine breite Unterstützung des Gesetzes durch den Bundestag – ein breiter Konsens politischer Akteure würde die Kommunikation mit den Menschen vor Ort unterstützen und ihnen und den Kommunen zusätzliche Sicherheit geben.
„Geothermie ein schlafender Riese“
Für Dr. Karin Thelen von der Stadtwerke München GmbH (SWM) ist die Geothermie einen „schlafender Riese unter unseren Füßen“, der „endlich“ die angemessene Aufmerksamkeit bekomme. Den wesentlichen Anpassungsbedarf im vorliegenden Entwurf sehe sie auch bei der generellen Privilegierung von Geothermievorhaben in allen Genehmigungsbereichen, sagte Thelen.
Thomas Vienken von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) sieht die Herausforderungen zum einen in technischen Limitationen, zum anderen im regulatorischen Bereich. Das Ziel müsse neben der nachhaltigen ökologischen Nutzung auch eine ökonomisch optimierte Nutzung sein. „Denn wie bei der Nutzung viele regenerativer Energieträger stehen auch bei der Nutzung der Geothermie hohe Investitionen zu Beginn, die sich dann über die Betriebsdauer amortisieren müssen.“
Prof. Dr.-Ing. Reinhard Müller-Syhre von der Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit sagte, ihm erscheine der Entwurf „als eine rücksichtslose Kampagne zur Durchsetzung einer ideologiegetriebenen Technologie“. Dabei würden alle Risiken und Gefahren ignoriert und mögliche Vermeidungsmaßnahmen gezielt aus den relevanten Gesetzestexten gestrichen. Der Entwurf sei deshalb nicht nur in Teilen, sondern in seiner Ganzheit abzulehnen, heißt es in seinem schriftlichen Bericht.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Zulassungsverfahren für geothermische Anlagen, Wärmepumpen und Wärmespeicher deutlich zu beschleunigen, um das für den Klimaschutz erforderliche Energie- und Wärmepotenzial zu erschließen. Damit soll ein wichtiger Beitrag zur Transformation Deutschlands hin zu einer klimaneutralen Volkswirtschaft geleistet werden.
Zur besseren Erschließung des energetischen Potenzials der Geothermie sowie für den Ausbau der klimaneutralen Wärme- und Kälteversorgung durch Wärmepumpen sollen die Verfahrensdauern halbiert werden. Dies soll durch Digitalisierungsvorgaben, Verkürzung behördlicher Fristen bei der Bearbeitung von Antragsunterlagen und die Reduzierung von Genehmigungsanforderungen erreicht werden.
Nach Angaben der Bundesregierung wird ein großer Teil der in Deutschland verbrauchten fossilen Energieträger für die Wärmeversorgung von Gebäuden und in der Industrie aufgewendet. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Erzeugung von Raumwärme mache bislang weniger als ein Fünftel aus. Daher sei es zur Erreichung der Klimaziele erforderlich, die Treibhausgasemissionen in der Wärmeversorgung deutlich zu senken und den Ausbau der erneuerbaren Energien in diesem Bereich deutlich zu steigern.
Potenzial der Geothermie
Hierbei komme der Geothermie eine wichtige Rolle zu: „Geothermie ist eine klimaneutrale, nach menschlichen Maßstäben unerschöpfliche und zugleich zuverlässige und über das gesamte Jahr verfügbare Energiequelle, mit der auch hohe Wärmebedarfe gedeckt werden können“, schreibt die Regierung in dem Gesetzentwurf. Aufgrund der relativ hohen Quelltemperaturen in tieferen Erdschichten entlaste Energie aus Erdwärme das Energiesystem insbesondere in den kalten Wochen des Jahres. Wärmepumpen könnten die Temperatur der Erdwärmequelle insbesondere bei oberflächennaher Geothermie noch anheben.
Das große Potenzial der Geothermie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in Deutschland sei bislang nur unzureichend erschlossen worden, heißt es in der Begründung des Entwurfs. Weniger als zwei Prozent der Wärme werde derzeit aus Geothermie und Umweltwärme gewonnen. Die Geschwindigkeit beim Ausbau der Geothermie sei unzureichend. Bis Februar des Jahres 2022 seien weniger als 50 Projekte der tiefen Geothermie mit einer thermischen Leistung von knapp 350 Megawatt realisiert worden.
Verwiesen wird auf ein Eckpunktepapier für eine Erdwärmekampagne vom 11. November 2022, in dem sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dafür ausgesprochen habe, bis zum Jahr 2030 mindestens 100 neue tiefengeothermische Projekte anzustoßen.
Der 33-köpfige Ausschuss für Klimaschutz und Energie ist für alle Aspekte der Energiewende und die damit verbundenen Fragen des Klimaschutzes zuständig sowie für das Thema Energieeinsparung. Zu den Schwerpunkten der Energieberatungen zählen Neuregelungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), der Netzausbau und die Energieeffizienz. (mis/04.11.2024)