Bundestagsdebatte über Empfehlungen zur Ernährung
Kostenloses gesundes Mittagessen für Kinder in Schulen und Kitas, mehr Nachhaltigkeit beim Verbrauch von Lebensmitteln und eine Tierwohlabgabe: Der Bundestag hat am Donnerstag, 14. März 2024, über die Empfehlungen des Bürgerrates „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ (20/10300) erstmals beraten und die dazu vorgelegte Unterrichtung im Anschluss an den federführenden Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft zur weiteren Beratung überwiesen. Die Debatte offenbarte vor allem die Uneinigkeit bei der Bewertung der Arbeit von Bürgerräten sowie bei den Zuständigkeiten für die Umsetzung der Empfehlungen.
Unterrichtung des Bürgerrates
Fünf Monate lang hatten 160 ausgeloste Teilnehmer in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, Ernährungsexperten und Fachpolitikern über eine Verbesserung der Ernährungspolitik beraten. Vergangenen Monat hatte das Gremium Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ein Gutachten mit neun Empfehlungen überreicht. An erster Stelle empfiehlt der Bürgerrat die Einführung eines kostenfreien und gesunden Mittagessens für alle Kinder in Schulen und Kitas. Der Bund solle dies gemeinsam mit den Ländern finanzieren. Bisher haben nur armutsgefährdete Kinder Anspruch auf ein kostenfreies Mittagessen.
Außerdem schlägt das Gremium ein verpflichtendes staatliches Label vor, das das bewusste Einkaufen gesunder Lebensmittel erleichtern soll. Darüber hinaus sollen Supermärkte ab einer Größe von 400 Quadratmetern Verkaufsfläche verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel zum Beispiel an Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen weiterzugeben. An vierter Stelle steht die Verbesserung der Lebensbedingungen von Tieren und die Finanzierung des Stallumbaus.
Vorgeschlagen wird auch eine gesunde, ausgewogene und angepasste Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen, eine Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls und eine Altersgrenze für Energydrinks. Zudem hat sich der Bürgerrat in seiner Empfehlung darauf geeinigt, dass es mehr Personal für Lebensmittelkontrollen braucht. Dafür soll die Berufsordnung für Lebensmittelkontrolleure novelliert werden.
Grüne begrüßen direkte Bürgerbeteiligung
Für Leon Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) stellt die Einsetzung von Bürgerräten nicht nur eine „Weiterentwicklung der Demokratie“ dar, sondern ermöglicht eine direkte Beteiligung von Bürgern bei gesellschaftspolitisch relevanten Fragen. „Eine selbstbewusste repräsentative Demokratie muss sich vor den Meinungen der Bürger nicht verstecken“, sagte Eckert.
Union warnt vor Auslagerung von Verantwortung
Dafür erntete er heftige Kritik von Philipp Amthor (CDU/CSU). Der Unionspolitiker machte grundsätzliche Kritik am Vorgehen der Ampel-Koalition zur Einsetzung des Bürgerrats deutlich. Er warnte vor einer Auslagerung von Verantwortung an Kommissionen und „herbeiquotierte Räte“ zulasten des Parlaments.
Das sei eine gefährliche Tendenz, da das parlamentarische Regierungssystem aktuell „unter starkem Druck“ stehe. Anstatt Verantwortung und die Lösung von wichtigen Fragen an Bürgerräte zu delegieren, sei es die Aufgabe der Ausschüsse und des Plenums, Entscheidungen zu treffen.
FDP: Vorzüge der repräsentativen Demokratie herausstellen
Dr. Gero Hocker (FDP) schloss sich dem an. Die Einrichtung suggeriere, dass es im politischen Bereich einfache und schnelle Lösungen für komplizierte Sachverhalte geben könnte. Hocker rief dazu auf, die Vorzüge einer repräsentativen Demokratie herauszustellen.
Die Arbeit der Parlamente sei oftmals zeitintensiv, aber sie sei gründlich und durch die Hinzuziehung von Fachleuten gekennzeichnet. „Lassen Sie uns das als selbstbewusste Parlamentarier zum Ausdruck bringen!“
SPD fordert zügige Umsetzung der Vorschläge
Von der SPD-Fraktion erhielten die Einsetzung des Bürgerrates und die von dem Gremium erarbeiteten Empfehlungen hingegen viel Ausspruch. Peggy Schierenbeck (SPD) forderte eine zügige Umsetzung der Vorschläge. Vor allem das kostenfreie Mittagessen in Kitas und Schulen sollten Bund und Länder angehen. Es sei richtig, dass die Zuständigkeit dafür bei den Ländern liege, jedoch sollte es gelingen, bei dieser Frage eine gemeinsame Lösung zu finden.
Marianne Schieder (ebenfalls SPD) forderte ihre Kollegen im Plenum auf, „die Arbeit der Bürger im Bürgerrat ernst zu nehmen und umzusetzen“. Die Empfehlungen seien „Abschluss und Auftrag zugleich“, das neue Instrument der Bürgerbeteiligung habe sich als erfolgreich erwiesen, das zeige das „gute und gelungene Bürgergutachten“, das der Politik nun vorliegt.
AfD will mehr direkte Beteiligungsformate
Für Peter Felser (AfD) ist der Bürgerrat nicht das richtige Instrument zu mehr Beteiligung der Bürger, er plädierte für mehr direkte Beteiligungsformate. Zudem werde mit der Einsetzung des Bürgerrates suggeriert, die Empfehlungen würden auch umgesetzt. Dabei seien etliche im Bürgerrat diskutierten Fragen „längst Gegenstand jahrelanger Debatten“.
Ein kostenfreies Mittagessen an Schulen sei zwar „eine gute Sache“, aber der Bundestag sei nicht verantwortlich. Zudem stelle sich die Frage: „Wer bezahlt das, und ist das gerecht?“ Die Verbrauchsabgabe für mehr Tierwohl wiederum würde Fleisch weiter verteuern. „Wollen wir wirklich, dass Fleisch zum Luxusgut wird?“, so Felser.
Fraktionslose zweifeln an Umsetzung der Vorschläge
Amira Mohamed Ali (Gruppe BSW) hält die Vorschläge des Bürgerrates für „sehr vernünftig“, vor allem das kostenfreie Mittagessen in Schulen. Sie habe jedoch Zweifel, ob es zur Umsetzung der Empfehlungen komme. „Es ist Fakt, dass Menschen mit wenig Geld sich eine gesunde und ausgewogene Ernährung nicht leisten können“, sagte sie. Zehn Millionen Menschen in Deutschland könnten sich derzeit „bestenfalls jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit leisten“. Nach Ansicht Mohamed Alis verteuere die Politik der Ampelregierung die Lebensmittel weiter, „das ist in diesen Zeiten ein Skandal“, sagte sie.
Ina Latendorf (Gruppe Die Linke) erinnerte daran, dass etliche Fragen, die im Bürgerrat diskutiert wurden, „seit Jahren Gegenstand linker Politik sind“. Bereits vor zwölf Jahren habe es den ersten Antrag für die Einführung eines kostenfreien Mittagessens an Schulen gegeben, „dieser und alle weiteren Anträge dazu wurden abgelehnt“, sagte Latendorf. (nki/14.03.2024)