Gesetzentwurf für mehrere Wirtschaftsabkommen debattiert
Mehr Handel zwischen Europa und Afrika, das will die CDU/CSU-Fraktion erreichen. Deutschland soll deshalb zeitnah mehrere Wirtschaftsabkommen ratifizieren, die auf europäischer Ebene bereits verhandelt sind. Dafür hat die Unionsfraktion am Freitag, 7. Juni 2024, einen ausformulierten Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (20/11614). Dieser umfasst auch die Ratifizierung von EU-Investitionsschutzabkommen mit Singapur und Vietnam.
Union: Deutschland stagniert wirtschaftlich
Jens Spahn (CDU/CSU) stellte in seiner Rede zunächst fest: „Deutschland ist in der wirtschaftlichen Stagnation. Wir sind Schlusslicht der Industrieländer. Die Arbeitslosenzahlen steigen. Die Lage ist dramatisch. Aber es passiert nichts. Diese Regierung tut nichts.“ In Richtung der Koalition sagte Spahn: „Sie setzen die falschen Schwerpunkte.“ Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hänge vom Export ab, sagte Spahn. Er vermisse etwa ein stärkeres Engagement für mehr Freihandel. Beispielsweise gebe es keine deutsche Initiative für ein Gelingen des Mercosur-Abkommens mit Südamerika. „Es ist ein historisches Versagen, wenn diese Bundesregierung zulässt, dass Mercosur nicht kommt“, kritisierte Spahn.
Zwar hat die Bundesregierung bereits einige der Abkommen mit Afrika in den Bundestag eingebracht. Allerdings kritisierte Spahn, dass bereits mehrere Regierungsbeschlüsse im Bundestag von der Ampel-Koalition nicht zu Ende gebracht würden. „Deutschland muss der Welt endlich das Signal senden, dass es ein Partner für Handelsabkommen ist“, forderte der Unionspolitiker.
SPD: Union fehlt der Anspruch auf Transparenz
Markus Töns (SPD) widersprach Spahn. „Sie reden dieses Land schlecht und Sie haben keine Lösungsansätze“, sagte er. Er könne „die alte Leier von Mercosur“ nicht mehr hören. Das Abkommen mit den südamerikanischen Staaten sei noch nicht zu Ende verhandelt. „Das macht die Europäische Union“, stellte Töns klar und ergänzte: „Wenn wir wirklich guten Klimaschutz erreichen wollen, und das ist das Ziel von Abkommen, geht hier Ordentlichkeit vor Schnelligkeit.“ Dem Gesetzentwurf der Unionsfraktion fehle der Anspruch auf Transparenz, kritisierte Töns. Es sei ein „ziemlich eigenartiges Verfahren“, sechs Abkommen in einem einzigen Gesetz zu ratifizieren, schließlich handle es sich um jeweils unterschiedliche Verträge. „Diese Abkommen sollten nicht miteinander vermengt werden. Wir wollen dafür sorgen, dass Bürger und NGOs ausreichend informiert werden“, sagte Töns weiter.
Er nannte als Hinderungsgrund für das Abkommen mit Vietnam, dass dieses Land beispielsweise Anforderungen der internationalen Arbeitsorganisation ILO noch nicht ratifiziert habe. Das Abkommen mit dem Südlichen Afrika dagegen sei seit 2016 bereits vorläufig in Kraft. Mehrere EU-Mitgliedsländer hätten dieses noch nicht ratifiziert. Selbiges gelte für das Abkommen mit Ghana. Töns verwies dagegen auf Erfolge der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP: Es sei gelungen, das Handelsabkommen Ceta mit Kanada zu ratifizieren. „Wir werden auch bei Mercosur zu einem Erfolg kommen“, kündigte der SPD-Politiker an. Bis Ende des Jahres werde es einen Verhandlungserfolg geben.
AfD gegen klima- und sozialpolitische Überfrachtung
Für die AfD-Fraktion kündigte Dr. Malte Kaufmann (AfD) an, dem Unionsantrag zuzustimmen. Seine Fraktion werde Freihandelsabkommen stets unter drei Voraussetzungen zustimmen, nämlich „keine dubiose Schiedsgerichtsklauseln, keine Bevormundung der Partnerstaaten durch linksgrüne Weltbeglückungsideen“ sowie keine Nachteile für Deutschland.
Kaufmann verwies darauf, dass alle in dem Unionsantrag genannten Abkommen „seit spätestens 2016 ratifizierungsbereit“ seien. „Wieso wurden sie nicht schon ratifiziert?“, fragte der AfD-Abgeordnete in Richtung der CDU/CSU-Fraktion. Er plädierte für „Handelsabkommen ohne klima- und sozialpolitische Überfrachtung“. Kaufmann weiter: „Leider wurde die gesamte EU genau nach diesen linken Vorstellungen in den letzten Jahren gestaltet.“
Ministerium: Dynamik der deutschen Wirtschaft erhöhen
Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, betonte dagegen, dass „eine faire und freie Handelspolitik extrem wichtig“ sei. Sie verwies darauf, dass die Abkommen mit dem Südlichen Afrika, Ghana und Cote d’Ivoire bereits am 15. Mai im Bundeskabinett verabschiedet worden seien und im Bundestag zur Beschlussfassung vorlägen.
Brantner kritisierte Spahn, dass er „kein Wort“ zum Umgang mit China gesagt habe. Sie verwies darauf, dass die Handelspartner „nicht nur einfach Abbaugebiete“ seien, sondern eigene Wertschöpfung aufbauen wollten. Zugleich führte Brantner aus, dass die Ampelkoalition Maßnahmen ergriffen habe, um die Dynamik der deutschen Wirtschaft zu erhöhen: „Diese Regierung vereinfacht und macht es den Unternehmen leichter, in die Welt zu gehen. Wir bleiben weltoffen, aber wir sind auch mittel- und langfristig nachhaltig unterwegs.“
FDP warnt vor Geist der Abschottung
Carl-Julius Cronenburg (FDP) verwies in seinem Redebeitrag zunächst auf die 16 Jahre Regierungszeit der CDU/CSU-Fraktion bis 2021. „Ihre handelspolitische Bilanz ist äußerst dünn“, sagte er. Dabei bedeute „mehr Handel mehr Wachstum und mehr Wohlstand für uns und unsere Partner“. Aufgrund der vorläufigen Geltung der Abkommen mit Afrika ändere sich durch die Ratifizierung nichts. Zugleich sei die Ratifizierung bereits im parlamentarischen Verfahren. Cronenburg kritisierte indirekt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU). Für eine echte Handelsoffensive seien mehr Freihandelsabkommen nötig. „Da tut sich die Kommission unter Führung ihrer Parteifreundin schwer“, sagte Cronenburg. Beim Mercosur-Abkommen sei ein Abschluss noch nicht in Sicht, dass Abkommen mit Australien sei „vergeigt“ worden.
Damit Abkommen zügig zum Abschluss kommen könnten, müsse die EU-Ebene gestärkt werden. Es sei „ernsthaft Zeit, den EU-only-Ansatz zu verfolgen“, forderte Cronenburg. Dabei müsse das Mindset in der Handelspolitik darin bestehen, dass die Europäer von ihren Partnern genauso viel lernen könnten wie diese von den Europäern. „Kontraproduktiv“ sei es dagegen beispielsweise, Vorgaben aus der EU-Taxonomie in solche Verträge verhandeln zu wollen. Der FDP-Politiker warnte vor einem „Geist der Abschottung.“
Linke: Entwurf ist eine Mogelpackung
Jörg Cezanne (Gruppe Die Linke) bezeichnete den Gesetzentwurf als eine „peinliche Mogelpackung“ und bestätigte das Argument der Regierungsfraktionen: „Alle Partnerschaftsabkommen befinden sich bereits in der vorläufigen Anwendung.“ Cezanne weiter: „Eine Bestätigung durch den Bundestag ändert überhaupt nichts. Von Handelsoffensive keine Spur.“ Allerdings zeigte sich Cezanne auch kritisch in Bezug auf Freihandel.
Er sprach sich dafür aus, in den Ländern des Südens Kleinbauern und regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern, statt allein den Marktzutritt für große Konzerne zu erleichtern. Er wandte sich dagegen, dass der Aufbau erneuerbarer Energie in sonnen- und windreichen Ländern Afrikas allein dazu dienen solle, etwa klimaneutralen Ammoniak für Europa zu erzeugen, wenn „keine Kilowattstunde“ der erzeugten Energie im Land bleibe. Der Gesetzentwurf wurde in die Ausschüsse verwiesen. Federführend ist der Wirtschaftsausschuss.
Antrag der Union
Mit Blick auf die Abkommen mit den afrikanischen Staaten wird im Antrag erläutert: „Durch die Liberalisierung des Handels zwischen beiden Seiten unter vollständiger Berücksichtigung der Unterschiede im Entwicklungsstand zwischen den Vertragsparteien können die Abkommen einen zentralen Beitrag dazu leisten, im Gebiet der Vertragsparteien neue Möglichkeiten zu schaffen, um die Beschäftigung zu erhöhen, Investitionen anzuziehen, Wohlstand zu schaffen und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung zu fördern.“ Menschenrechte, demokratische Grundsätze und Rechtsstaatlichkeit würden gewahrt.
Die Investitionsschutzabkommen mit Singapur und Vietnam würden Investoren die Möglichkeit geben, „einen modernen und reformierten Weg zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zu beschreiten“. (bal/07.06.2024)