Der Bundestag hat am Freitag, 20. Dezember 2024, den Entwurf der Bundesregierung für ein zehntes Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes (20/12773, 20/13168, 20/13328 Nr. 14) angenommen. Für die vom Ausschuss für Digitales und Verkehr geänderte Fassung (20/14304) votierten die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und die Gruppe Die Linke. Die AfD-Fraktion enthielt sich. Dazu hatte den Abgeordneten außerdem Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (20/14307) vorgelegen.
Erstmals beraten wurden Gesetzentwürfe zur Änderung des Paragrafen 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (20/14237), den die Koalitionsfraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht haben, sowie „zur Änderung der Freistellung von Bahnbetriebszwecken des Allgemeinen Eisenbahngesetzes“ (20/14256), den die FDP-Fraktion vorgelegt hat. Beide Gesetzentwürfe wurden zur weiteren Beratung an den federführenden Ausschuss für Digitales und Verkehr überwiesen.
Änderung des Regionalisierungsgesetzes
Die Bundesregierung plant die Novellierung des Regionalisierungsgesetzes, in dem die Unterstützung des Bundes für die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) geregelt ist. Mit ihrem Gesetzentwurf (20/12773) soll der Beschluss des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder vom 6. November 2023 zur Finanzierung des Deutschlandtickets umgesetzt werden.
Zudem ist darin eine „haushaltskonsolidierende Maßnahme“ enthalten: Ein Betrag in Höhe von 350 Millionen Euro soll dem Entwurf zufolge nicht im Jahr 2025 zur Auszahlung gebracht werden. Die Auszahlung soll erst nach Vorlage der Nachweise über die Verwendung der Regionalisierungsmittel für das Jahr 2025 im Jahr 2026 erfolgen.
Verwendung nicht verbrauchter Mittel im Folgejahr
Wie zwischen Bund und Ländern vereinbart soll der Zeitraum der Abrechnung spezifiziert werden, damit nicht verbrauchte Mittel im Folgejahr eingesetzt werden können. Die gemeinsame Abrechnung der Jahre 2023 bis 2025 soll mit dem Zeitpunkt der Einführung des Deutschlandtickets beginnen und mit Ablauf des Kalenderjahres 2025 enden. Dies ermögliche den Ländern ein flexibleres Nachsteuern der Ausgleichsbedarfe, heißt es.
Die Neuregelung sieht zudem vor, dass es keine über den Betrag von jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Kalenderjahr in den Jahren 2023 bis 2025 hinausgehende Nachschusspflicht von Bund und Ländern gibt. Sofern der Betrag den gesetzten Rahmen von 9 Milliarden Euro (je 1,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern für die Jahre 2023, 2024 und 2025) überschreitet, müssten die Länder geeignete Maßnahmen ergreifen, um den Zuschussbedarf ohne Rückgriff auf die nach Paragraf 5 Regionalisierungsgesetz zur Verfügung gestellten Mittel zu decken. „Dabei kommt auch eine Preisanpassung des Deutschlandtickets in Betracht“, wird deutlich gemacht.
Klargestellt wird zudem, dass der Ausgleich finanzieller Nachteile aus dem Deutschlandticket sowie Tarifmaßnahmen der Länder, die in Verbindung mit dem Deutschlandticket stehen, „nicht aus Regionalisierungsmitteln finanziert werden dürfen“. Dies betrifft unter anderem den zusätzlichen Ausgleich für im Preis reduzierte Deutschlandtickets für Personengruppen wie Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Seniorinnen und Senioren und Geringverdienende. „Diese Maßnahmen sind vom jeweiligen Land aus eigenen Landesmitteln zu finanzieren“, heißt es in dem Entwurf.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat kritisiert in seiner Stellungnahme (20/13168) die Nachweispflicht, wonach ein Betrag in Höhe von 350 Millionen Euro als „haushaltskonsolidierende Maßnahme“ nicht im Jahr 2025 ausgezahlt werden soll, sondern erst 2026 nach Vorlage der Nachweise über die Verwendung der Regionalisierungsmittel für das Jahr 2025. Die geplante „Kreditgewährung“ sei nur hinnehmbar, so die Länderkammer, „wenn die vorbehaltlose Auszahlung der einbehaltenen Mittel im Jahr 2026 sichergestellt ist“.
Die derzeitige Regelung eröffne jedoch Interpretationsspielraum, schreibt der Bundesrat. Sie könne auch dahingehend ausgelegt werden, dass die vollständige Auszahlung im Jahr 2026 nur bei rechtzeitiger und vollständiger Vorlage der abschließenden Verwendungsnachweise durch sämtliche Länder erfolgt und es andernfalls nicht zur Auszahlung kommt. „In diesem Fall würden den Ländern aber ihnen verfassungsgemäß zustehende Mittel vorenthalten werden“, heißt es in der Vorlage. In ihrer Gegenäußerung kündigt die Bundesregierung eine Prüfung an, „ob den Ländern bei der Nachweisführung Erleichterungen gewährt werden können“. Auch dem Ausschluss einer Nachschusspflicht des Bundes widersprechen die Länder und fordern, die tatsächlich entstandenen finanziellen Nachteile hälftig auszugleichen.
Gegenäußerung der Bundesregierung
Dem stimmt die Regierung nicht zu. Mit der Formulierung des Gesetzentwurfs sei eine ausdrückliche Regelung beabsichtigt, dass der Finanzierungsanteil des Bundes in den Jahren 2023 bis 2025 auf 1,5 Milliarden Euro jährlich begrenzt bleibt und keine Nachschusspflicht des Bundes besteht, heißt es in ihrer Gegenäußerung.
Die mit dem Beschluss des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 6. November 2023 ebenfalls intendierte Begrenzung des Finanzierungsanteils der Länder kann aus Sicht der Bundesregierung jedoch nicht gesetzlich geregelt werden, „sondern kann nur über eine entsprechende Preisgestaltung des Tickets im Jahr 2025 ausgesteuert werden“.
Strittige Finanzierung von Preissenkungen
Das vorgesehene Verbot, eine Preissenkung von Deutschlandtickets auf Länderebene – zum Beispiel als Schülerticket zum Deutschlandticket – aus regulären Regionalisierungsmitteln finanzieren zu dürfen, wie im Gesetzentwurf festgeschrieben, kann aus Sicht des Bundesrates ebenfalls nicht hingenommen werden. Dies greife in die Länderhoheit ein, verringere zudem den Absatz und erhöhe so das Defizit des Deutschlandtickets zulasten von Bund und Ländern, schreibt die Länderkammer.
Die Bundesregierung hält an der Regelung gleichwohl fest. Paragraf 9 Absatz 6 des Regionalisierungsgesetzes enthalte bereits die Regelung, dass weitergehende Tarifmaßnahmen der Länder in Verbindung mit dem Deutschlandticket nicht aus Regionalisierungsmitteln nach Paragraf 5 finanziert werden dürfen. Es handle sich insofern lediglich um eine Klarstellung.
Betroffen sei unter anderem der zusätzliche Ausgleich für im Preis reduzierte Deutschlandtickets für Personengruppen wie Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Seniorinnen und Senioren und Geringverdienende. „Diese Maßnahmen sollten, sofern die Durchführung gewünscht ist, vom jeweiligen Land aus eigenen Landesmitteln finanziert werden“, schreibt die Bundesregierung.
„Gesetzgebungsverfahren zügig abschließen“
Den Wunsch des Bundesrates, das Gesetzgebungsverfahren zügig abzuschließen, teilt die Bundesregierung. Das Verfahren laufe und werde im Rahmen des Möglichen beschleunigt, heißt es in der Gegenäußerung.
Zur Erwartung der Länderkammer, dass sich der Bund an einer auskömmlichen Finanzierung des Deutschlandtickets auch für den Zeitraum ab 2026 hälftig beteiligt und hierzu zeitnah ein erneutes Gesetzgebungsverfahren einleitet, schreibt die Regierung: Für eine längerfristige Finanzierung des Deutschlandtickets gebe es derzeit umfassende Vorarbeiten und Abstimmungen unter Einbezug der Länder und von Branchenvertretern als Grundlage für ein weiteres Gesetzgebungsverfahren, voraussichtlich im ersten Halbjahr 2025.
Gesetzentwurf von SPD und Grünen
Die Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen wollen die Regelung zur Freistellung eines Grundstückes vom Bahnbetriebszweck in Paragraf 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) erneut ändern. In ihrem Gesetzentwurf (20/14237) verweisen die Fraktionen darauf, dass Paragraf 23 des AEG Ende 2023 dahingehend geändert worden sei, dass eine Entwidmung von Bahngrundstücken, also eine Nutzung zu anderen Zwecken als dem Bahnbetrieb, nur noch dann möglich ist, „wenn das vom Antragsteller geltend gemachte Interesse an der Freistellung das überragende öffentliche Interesse am Bahnbetriebszweck in der Abwägung überwiegt“.
Als überragendes öffentliches Interesse setze sich – auch ohne ein fortbestehendes Eisenbahnverkehrsinteresse – der Bahnbetriebszweck in der Abwägung regelmäßig gegenüber anderen Belangen durch, soweit diesen nicht zumindest ein gleichwertiger Rang zugesprochen werden könne, heißt es weiter. Dies sei grundsätzlich nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen möglich, etwa der Landesverteidigung oder beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Aufgrund der Verschärfung der gesetzlichen Freistellungsanforderungen drohten derzeit zahlreiche, insbesondere Wohnungsbauprojekte von Städten und Gemeinden zu scheitern, schreiben die Abgeordneten.
Wegfall des überragenden öffentlichen Interesses
Vorgesehen ist daher ein Wegfall des überragenden öffentlichen Interesses, „wenn hinsichtlich eines Grundstücks kein Verkehrsbedürfnis besteht und ein langfristiger Nutzungsbedarf für den Bahnbetrieb nicht prognostizierbar ist“. Das Grundstück soll dann anderen Nutzungen zugeführt werden können.
Gleichzeitig soll aber weiterhin sichergestellt sein, dass eine Freistellung im Fall einer möglichen Reaktivierung einer Bahnstrecke ausscheidet. Des Weiteren beinhalte der Gesetzentwurf eine Übergangsregelung, die es ermöglichen solle, Freistellungsverfahren, die vor Inkrafttreten der Regelung am 29. Dezember 2023 beantragt worden waren, „nach der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage zu entscheiden“.
Gesetzentwurf der FDP
Die FDP-Fraktion nimmt in ihrem Gesetzentwurf „zur Änderung der Freistellung von Bahnbetriebszwecken des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG)“ (20/14256) auf die Ende 2023 erfolgte Änderung des Paragrafen 23 des AEG Bezug, der die Freistellung von Bahnbetriebszwecken von Grundstücken (Entwidmung) regelt. Die Bahnbetriebszwecke würden seitdem als „überragendes öffentliches Interesse“ definiert, heißt es in der Vorlage. Die Folge davon sei, dass eine Abwägung bei der Freistellung nur noch bei Maßnahmen stattfinden könne, die ebenfalls einem überragenden öffentlichen Interesse unterliegen.
In der Konsequenz führe dies dazu, so die Abgeordneten, „dass eine Entwidmung für den Wohnungsbau nicht möglich ist, die Flächen aber gleichwohl für den Zubau an erneuerbaren Energien genutzt werden können, da diese ebenfalls im überragenden öffentlichen Interesse liegen“. Dieses gelte sogar für Anträge auf Freistellung, die vor Inkrafttreten des Gesetzes gestellt wurden. Wichtige Projekte der Stadtentwicklung und des Wohnungsbaus, wie das Stuttgarter Rosensteinviertel, seien mit dieser Regelung nicht mehr möglich, kritisiert die FDP-Fraktion.
Ergänzung um weitere Abwägungsgründe
Der Gesetzentwurf sieht daher vor, Paragraf 23 des AEG um weitere Abwägungsgründe zu ergänzen, sodass nicht ausschließlich das überragende öffentliche Interesse eine Entwidmung von Flächen ermöglicht. Zu diesem Zweck müsse auch betrachtet werden, ob Gleisanlagen tatsächlich kurz-, mittel- oder langfristig prognostizierbar die Chance auf eine Reaktivierung haben. Sobald eine solche auch langfristig nicht in Aussicht gestellt werden könne, „muss das überragende öffentliche Interesse als Grund zum Erhalt des Betriebszwecks entfallen“, heißt es in dem Entwurf.
Zugleich müsse eine Übergangsregelung für das geänderte Gesetz geschaffen werden, damit Anträge zur Freistellung nach der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtslage fortgeführt werden können. (hau/20.12.2024)