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Ombudsinstitutionen der Streitkräfte: Unsere Soldaten stehen unter Druck

Im Deutschen Bundestag ist am Dienstag, 1. Oktober 2024, die 16. Internationale Konferenz der Ombudsinstitutionen für die Streitkräfte (ICOAF) eröffnet worden. Die Konferenz versteht sich als Plattform für die Förderung der demokratischen Kontrolle der Streitkräfte und unterstützt den Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit der Ombudsinstitutionen. Das Thema der 16. ICOAF lautet: „Die Streitkräfte unter Druck – Ombudsinstitutionen und die Fürsorgepflicht gegenüber Angehörigen der Streitkräfte.“ 

Eingeladen haben die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, und das Genfer Zentrum für Security Sector Governance (DCAF). Bis Mittwoch, 2. Oktober 2024, werden die Konferenzteilnehmer Erfahrungen austauschen und – vor dem Hintergrund weltweit steigender Militärausgaben, aktuellen Kriegen und Kriegsgefahren, zunehmender Spannungen und Unsicherheiten – Empfehlungen für die Zukunft formulieren. 

Magwas: Globale Sicherheit massiv verschlechtert

Etwa 56 Kriege zähle man aktuell auf der Welt, sagte Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas in ihrem Grußwort im Konferenzsaal im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Hybride Bedrohungen nähmen zu: „Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist der Krieg nach Europa zurückgekehrt.“ Auch die Situation im Nahen Osten komme einem als Krisenherd in den Sinn. „Die globale Sicherheit hat sich massiv verschlechtert.“

„Die Streitkräfte sind aktuell stark gefordert“, stellte Magwas fest. Gleichermaßen gelte es, diese „einsatzbereit zu machen und eine glaubhafte Abschreckung zu verdeutlichen“. Soldatinnen und Soldaten auf der ganzen Welt übernähmen Verantwortung für ihr Land und sorgen für Sicherheit. Der Titel der Tagung: „Die Streitkräfte unter Druck“ sei daher passend gewählt. Die Konferenz sei von großer Wichtigkeit. „Wir brauchen sie als Ort des Austauschs und der internationalen Vernetzung der Ombudspersonen und Wehrbeauftragten.“

„Keine Erfüllungsgehilfen der Regierenden“

Der Tagungsort im Bundestag unterstreiche die Rolle des Parlaments für die deutschen Streitkräfte, sagte die Vizepräsidentin. Über Fragen der Sicherheit und der Verteidigung einer Demokratie werde nicht allein von Militär und Regierung entschieden, so Magwas. Sie rief in Erinnerung, dass die Bundeswehr als Parlamentsarmee ihr Mandat zum Einsatz immer von den Abgeordneten erhalte, die sich diese verantwortungsvolle Entscheidung nicht leicht machten. 

Ebenso sei das Amt der Wehrbeauftragten „für uns eine demokratische Errungenschaft“ und „im Parlament genau richtig aufgehoben.“ Die Ombudspersonen dürften „keine Erfüllungsgehilfen der Regierenden“ sein. Vielmehr hätten die Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten Bürgerinnen und Bürger in Uniform in der Wehrbeauftragten eine „eigenständige und ungebundene“ Ansprechpartnerin. 

Högl: Anforderungen an Streitkräfte sind enorm

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundstages, Eva Högl, blickte zurück auf die Geschichte der Konferenz, deren erste Ausgabe vor 15 Jahren, im Jahr 2009, genau an diesem Ort, auf Initiative ihres Amtsvorgängers, Reinhold Robbe, stattgefunden habe. Von einem kleinen Kreis habe sich die Konferenz mittlerweile zu einem großen Netzwerk entwickelt. 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 41 Ländern und acht Internationalen Organisationen seien hier heute versammelt.

Das Thema der Konferenz liege ihr sehr am Herzen, so Högl. Denn sie erfahre als Wehrbeauftragte im Kontakt mit den Soldatinnen und Soldaten, wie sehr diese gefordert seien und wie hoch deren Belastung sei. „Die Anforderungen an unsere Streitkräfte sind enorm und wachsen weiter“, erklärte die Wehrbeauftragte. Von den Soldatinnen und Soldaten werde ein „hohes Maß an Mobilität, an Flexibilität und an Einsatzbereitschaft“ verlangt. 

Die Wehrbeauftragte Eva Högl sitzt in einem Ausschusssaal und spricht in eine Mikrofon. Neben ihr sitzt der ehemalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages Eva Högl und ihr Vorgänger Reinhold Robbe während der 16. ICOAF im Deutschen Bundestag (© DBT/Thomas Köhler/photothek)

Zu den Krisen, Konflikten und Kriegen in der Welt komme hinzu, dass Freiheit, Frieden und Demokratie als Werte unserer freiheitlichen Gesellschaft, auch hierzulande, enorm unter Druck geraten seien, sagte Högl. „Daher ist es sehr wichtig, dass wir unsere Art zu leben bewahren und verteidigen und gegen mögliche Aggressionen schützen“, so die Wehrbeauftragte. 

„Wir setzen uns für die Rechte unserer Soldaten ein“

Die „enormen Belastungen in den Streitkräften“ seien in allen Ländern ein Thema. Während der Tagung in Berlin werde man sich über die verschiedenen Ausprägungen und Facetten dieser Belastungen austauschen, so Gastgeberin Högl zu ihren Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. 

Zwar unterschieden sich die Mandate und Aufgaben der Ombudsleute von Land zu Land. Manche arbeiteten für das Parlament, andere für die Regierung und manche seien direkt bei den Streitkräften angesiedelt. „Und trotzdem verbinden uns die Themen“, erklärte Högl. „Und es verbindet uns, dass wir Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für unsere Soldatinnen und Soldaten sind und ihnen zur Seite stehen. Wir setzen uns für ihre Rechte und Interessen ein.“

In einzelnen Arbeitssitzungen werde die Konferenz unter anderem auf die besonderen Belange der Familien der Soldatinnen und Soldaten ebenso wie die spezifischen Herausforderungen für Frauen in den Streitkräften eingehen, gab Högl einen Ausblick auf das vor den Teilnehmern liegende Programm. 

Starkes Netzwerk von Ombudsinstitutionen 

Mit der Unterstützung von ICOAF habe das Auswärtige Amt dazu beigetragen, ein starkes Netzwerk von Ombudsinstitutionen zu schaffen, sagte Anka Feldhusen, Direktorin für Zivile Krisenprävention und Stabilisierung im Auswärtigen Amt. Das internationale Engagement in der Krisenprävention und Stabilisierung in den vergangenen Jahren habe gezeigt, „dass die zivile Kontrolle und Menschenrechte ebenso wie Rechenschaftspflichten in den Streitkräften gestärkt werden müssen“. Nur so ließen sich Sicherheitsdienste bereitstellen, „die sich auf den Menschen konzentrieren“ und eine „enge Beziehung zwischen dem Militär und den Bürgern herstellen“.

Das sei auch die Grundlage für die Kooperation zwischen den beiden Bereichen ziviler und militärischer Sicherheit. Angesichts der zunehmend komplexen Sicherheitsherausforderungen weltweit verfolge die deutsche Sicherheitsstrategie einen integrierten Ansatz. Bei der Umsetzung der Sicherheitsaufgaben gelte es stets den Druck, der auf den Streitkräften laste, im Auge zu behalten und die Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten nicht zu vergessen, sagte Feldhusen. 

Fürsorgepflicht als Hauptpfeiler der Arbeit

ICOAF habe sich als wichtiges Forum für die globale Ombudsgemeinschaft etabliert, sagte DCAF-Direktorin Nathalie Chuard. Die Glasfassade des Parlamentsgebäudes in Berlin symbolisiere die Transparenz und Offenheit, zentrale Werte auch für die Ombudsinstitutionen. 

Man durchlebe eine Zeit multipler Krisen, die sich wechselseitig verstärkten. Zum Klimawandel kämen geopolitische Spannungen und Bedrohungen, die, in einer fragilen und fragmentierten Welt, neue Allianzen entstehen ließen, sowie disruptive Technologien, die auch nichtstaatliche Akteure ermächtigten. Wirtschaftliche Verwerfungen und Frustrationen führten zu politischen und gesellschaftlichen Spaltungen, die erodierende Effekte auf die demokratische Governance hätten und  auch die Streitkräfte unter Druck brächten. 

Schlüsselfrage für die Ombudsleute sei, wie bei diesen Krisen das Wohlergehen der Soldatinnen und Soldaten gewährleistet werden könne, betonte Chuard und bezeichnete die Fürsorgepflicht als Hauptpfeiler der Arbeit der Ombudspersonen. Diese seien verantwortlich für den Schutz der Rechte, Freiheiten und Würde der Mitglieder der Streitkräfte. 

Wehrbeauftragte als „starke Kontrollinstanz“

Der ehemalige Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, der die Konferenz einst ins Leben gerufen hatte, erinnerte an die Gründungstagung im Mai 2009 und stellte heraus, dass ICOAF von Beginn an als ein wachsendes internationales Netzwerk angelegt worden sei. Robbe rief in Erinnerung, vor welchem historischen Hintergrund die Stelle eines Wehrbeauftragten nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine parlamentarische, starke Kontrollinstanz nach skandinavischem Vorbild, in Deutschland einst geschaffen worden war. 

Im Kern gehe es darum, auszuschließen, dass die Streitkräfte erneut für politische Zwecke missbraucht werden. Die Wehrmacht sei im Zweiten Weltkrieg unmittelbar an den schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Nationalsozialisten beteiligt gewesen. „Daher war es so bedeutsam, eine unabhängige, effektive und in unserer Verfassung verankerte parlamentarische Kontrolle der neuen deutschen Armee zu implementieren.“ 

Heute sei die Institution der Wehrbeauftragten über Parteigrenzen hinweg angesehen und anerkannt und nicht mehr wegzudenken, sagte Robbe. „Ihre Erkenntnisse und deutliche Kritik an Fehlentwicklungen haben Gewicht und tragen wesentlich zu einer permanenten Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation der Soldatinnen und Soldaten bei.“

Steigenden Anforderungen an Streitkräfte

In ihrer ersten Sitzung untersuchten die Konferenzteilnehmer die geopolitischen, technologischen und gesellschaftlichen Faktoren, die zu Belastungen und steigenden Anforderungen an Streitkräfte auf der ganzen Welt beitragen. Außerdem soll erläutert werden, wie sich diese auf die Streitkräfte auswirken – sowohl auf organisatorischer als auch auf individueller Ebene.

Als Rednerin und Redner sprachen Elisabeth Braw von der Denkfabrik Atlantic Counsel, der Abgeordnete des österreichischen Nationalrats und Vorsitzende der Parlamentarischen Bundesheerkommission, Robert Laimer, sowie Emmanuel Jacob, Präsident der European Organisation of Military Associations and Trade Unions (Euromil). Moderiert wurde das Gespräch von DCAF-Direktorin Nathalie Chuard.

Anwältin der Soldaten

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages wird nach Artikel 45b des Grundgesetzes berufen. Sie fungiert als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte. 

Als „Anwältin der Soldaten“ wacht sie über die Wahrung der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten sowie über die Einhaltung der Grundsätze der Inneren Führung. Jede und jeder aus der Truppe kann sich mit einer Petition direkt an sie wenden – ohne Einhaltung des Dienstweges. Ihre Erkenntnisse über den inneren Zustand der Bundeswehr hält die Wehrbeauftragte in einem Bericht fest, den sie einmal im Jahr dem Parlament vorlegt. (ll/01.10.2024)

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