Der Bundestag hat am Freitag, 18. Oktober 2024, den von der Bundesregierung eingebrachten und vom Finanzausschuss geänderten Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 (Jahressteuergesetz 2024 20/12780, 20/13157) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP angenommen. Dazu hatten der Finanzausschuss eine Beschlussempfehlung (20/13419 Buchstabe a) und der Haushaltsausschuss einen Bericht gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (20/13420) vorgelegt.
Ebenfalls auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (20/13397) nahm das Parlament den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 (20/12783, 20/13084, 20/13328 Nr. 7) an. Die AfD-Fraktion enthielt sich der Stimme. Auch zu dieser Vorlage lag den Abgeordneten ein Bericht des Haushaltsausschusses (20/13398) vor.
Keine Mehrheit fand hingegen ein Antrag der Gruppe Die Linke mit dem Titel „Eine starke neue Wohngemeinnützigkeit als nicht-profitorientierten Sektor auf dem Wohnungsmarkt einführen“ (20/12109), den der Bundestag gegen das Votum der Antragsteller auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zurückwies (20/13419 Buchstabe b).
Einen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur „Einführung des Tarifs auf Rädern zur automatischen Anpassung des Steuerrechts an die kalte Progression“ (20/13357) überwiesen die Abgeordneten zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. Die Federführung übernimmt der Finanzausschuss.
Erster Gesetzentwurf der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat den Entwurf für ein Jahressteuergesetz 2024 (JStG 2024) in den Bundestag eingebracht (20/12780). Dieses enthält laut dem Entwurf „eine Vielzahl thematisch nicht oder nur partiell miteinander verbundener Einzelmaßnahmen, die überwiegend technischen Charakter haben“. Einige Maßnahmen hebt die Bundesregierung dabei hervor. Dazu gehört beispielsweise die vereinfachte lohnsteuerliche Behandlung von Mobilitätsbudgets. Arbeitgeber können demnach künftig ihren Mitarbeitern ein Mobilitätsbudget von bis zu 2.400 Euro pro Jahr als Zusatz zu ihrem Lohn gewähren und dieses pauschal mit 25 Prozent versteuern. „Durch die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung wird eine bürokratiearme Besteuerung ermöglicht“, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Die bisherigen Pauschalbesteuerungsvorschriften würden „um Möglichkeiten zur Nutzung moderner Fortbewegungsmöglichkeiten (wie beispielsweis E-Scooter, die gelegentliche Inanspruchnahme von Car-Sharing-, Bike-Sharing- sowie sonstige Sharing-Angebote und Fahrtdienstleistungen) erweitert“. Ebenso werde der Erwerb von Einzelfahrkarten, Zeitkarten und Ermäßigungskarten für den Bus- und Bahnverkehr begünstigt.
Rahmenbedingungen für Stromspeicher
Auch für Stromspeicher will die Bundesregierung die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessern. So sollen bei der Gewerbesteuer künftig Regelungen analog zu Windkraft- und Solaranlagen gelten. Es sollen „die Standortgemeinden der Energiespeicheranlagen in angemessener Weise am Gewerbesteueraufkommen der Anlagenbetreiber“ beteiligt werden. Das soll die Akzeptanz für solche Anlagen vor Ort schaffen. Die Unterscheidung von Grün- und Graustrom kann dabei aus Sicht der Bundesregierung „für die gewerbesteuerrechtliche Behandlung von Speicherprojekten kein taugliches Abgrenzungskriterium sein“.
Der JStG-Entwurf enthält darüber hinaus eine Klarstellung zur Vermietung von Wohnraum an hilfebedürftige Personen. Diese stellt demnach die Erfüllung wohngemeinnütziger Zwecke dar. „Bezahlbares Wohnen soll insbesondere für Personen mit geringen Einkommen durch steuerbegünstigte Körperschaften ermöglicht werden“ erklärt die Bundesregierung.
Änderungen bei der Kleinunternehmerregelung
Änderungen sind auch bei der Kleinunternehmerregelung im Umsatzsteuerrecht vorgesehen. Maßgeblich hierfür ist laut Gesetzesbegründung das Europarecht. Künftig gilt demnach, dass die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen werden kann, wenn der Umsatz im vorangegangenen Jahr nicht über 25.000 Euro (bisher 22.000 Euro) und im laufenden Jahr nicht über 100.000 Euro (bisher 50.000 Euro) liegt. Dabei gilt allerdings auch eine Verschärfung: Galt bisher, dass es sich im laufenden Jahr um einen prognostizierten Betrag handelte, dessen Überschreitung nicht zwangsläufig zum Verlust der Umsatzsteuerbefreiung für das laufende Jahr führte, kommt eine weitere Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung künftig nicht mehr in Betracht, wenn der Umsatz 100.000 Euro überschreitet. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind indes steuerfrei.
Höhere Freigrenzen gibt es künftig auch für Haus- und Hobbybrauer. Die für diese vorgesehene steuerbefreite Menge für die Herstellung von Bier wird von zwei auf fünf Hektoliter erhöht. Mit dem JStG will die Bundesregierung ferner Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren umsetzen. Vorgesehen ist auch die „Gesetzliche Verstetigung der 150-Euro-Vereinfachungsregelung für Bonusleistungen für gesundheitsbewusstes Verhalten“. Die Abwicklungsfrist für Investmentfonds soll von fünf auf zehn Jahre verlängert werden.
Änderungen bezüglich der Steuerbefreiung
Der Gesetzentwurf beinhaltet auch Änderungen bezüglich der Steuerbefreiung der Entgelte von Reisesicherungsfonds, der Konzernklausel bei der aufgeschobenen Besteuerung der geldwerten Vorteile aus Vermögensbeteiligungen, Änderungen im Umwandlungssteuergesetz, die Zulassung der unmittelbaren Weitergabe steuerlicher Daten von den Bewilligungsbehörden an Ermittlungsbehörden, EU-rechtliche Anpassungen im Erbschaftssteuerrecht sowie Änderungen am Gesetz über Steuerstatistiken.
Die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungseinrichtungen wird an EU-Recht angeglichen. Der Durchschnittssatz für Land- und Forstwirte wird auf 8,4 Prozent angepasst. Insgesamt rechnet die Bundesregierung damit, dass die beabsichtigten Änderungen in den Jahren 2024 und 2025 zu Steuermindereinnahmen für den Fiskus führen. 2026 dürfte ein Plus von mehr als einer halben Milliarde Euro stehen, 2027 und 2028 wieder ein Minus von jeweils 115 Millionen Euro.
Änderungen im Finanzausschuss
Mit zahlreichen Änderungen wie der Streichung des im Regierungsentwurf vorgesehenen Mobilitätsbudgets hat der Finanzausschuss am Mittwoch, 16. Oktober, das Jahressteuergesetz 2024 gebilligt. Die Regierungskoalition erhielt bei zahlreichen ihrer insgesamt 59 Änderungsanträge Zustimmung von den Oppositionsfraktionen. Die ursprünglich geplante Neuregelung der Umsatzsteuerpflicht für Bildungseinrichtungen wie private Musikschulen und im Vereinssport kommt so nicht. Bei den Bildungseinrichtungen beschränkt man sich darauf, die Vorgaben des europäischen Rechts umzusetzen, ohne dass es zu Verschlechterungen kommen soll. Die Umsatzsteuerbefreiung des (Vereins-)Sports wurde ersatzlos gestrichen. Die Meldestandards zu Dividendenerträgen werden an die Faster-Richtlinie der EU angepasst.
Auch werden künftig 80 Prozent der Aufwendungen für die Betreuung von Kindern als Sonderausgaben berücksichtigt, maximal 4.800 Euro. Bisher galt hier eine Regel von zwei Dritteln mit einem Höchstbetrag von 4.000 Euro. Verluste aus Termingeschäften sind künftig uneingeschränkt mit allen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar. Bei der Grundsteuer können Steuerpflichtige einen niedrigeren Wert für ihr Grundstück ansetzen, wenn sie mit einem Gutachten nachweisen, dass dieser mindestens 40 Prozent unter dem vom Finanzamt festgesetzten Grundsteuerwert liegt. Der Gesetzentwurf enthält nun keine Regelung mehr zur Umsatzsteuerbefreiung für die Verwaltung von Krediten durch Banken.
Zweiter Gesetzentwurf der Bundesregierung
Der Grundfreibetrag in der Einkommensteuer soll für das Jahr 2024 um 180 Euro auf 11.784 Euro steigen. Das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor (20/12783). Der steuerliche Kinderfreibetrag soll um 228 Euro auf 6.612 Euro steigen. Die Bundesregierung begründet die Notwendigkeit der Erhöhung damit, dass zum 1. Januar 2024 die Leistungen im Sozialrecht stärker gestiegen sind als noch 2022 im Existenzminimumbericht prognostiziert. „Dies wirkt sich auf die Höhe des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums für das Jahr 2024 aus“ erklärt sie und schreibt weiter: „Nach Aktualisierung der Datenbasis infolge der höheren Fortschreibung der sozialrechtlichen Regelbedarfe ergibt sich ein Anpassungsbedarf bei den steuerlichen Freibeträgen zur Freistellung des sächlichen Existenzminimums von Erwachsenen bzw. Kindern.“
Im Jahr 2025 werde die Erhöhung der steuerfreien Einkommen zu Steuermindereinnahmen von 3,3 Milliarden Euro führen, erwartet die Bundesregierung. 491 Millionen Euro entfallen der Kalkulation zufolge dabei auf die Kommunen und jeweils rund 1,4 Milliarden Euro auf die Länder und den Bund.
Antrag der Gruppe Die Linke
Die Gruppe Die Linke will eine starke neue Wohngemeinnützigkeit als nicht-profitorientierten Sektor auf dem Wohnungsmarkt einführen. In einem Antrag (20/12109) wird die Bundesregierung aufgefordert, für die Einführung eines gemeinnützigen Wohnungsmarktsektors zu sorgen. 30 Prozent des Wohnungsbestandes sollen wieder gemeinnützig bewirtschaftet werden. Es soll eine klare Vorgabe geben, bis wann dieses Ziel erreicht werden soll.
Die von der Bundesregierung geplante Wohngemeinnützigkeit wird als völlig unzureichend abgelehnt. Die vorgesehene Beschränkung auf Steuerbefreiungen im Rahmen der Abgabenordnung stelle für kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften keinen Anreiz dar, baue Hürden auf und sei im Ergebnis nur für einen kleinen Kreis an potenziellen Trägern interessant. Für den Aufbau eines großen nicht-profitorientierten Wohnungssektors müsse die neue Wohngemeinnützigkeit eine attraktive Konkurrenz zur privaten profitorientierten Wohnungswirtschaft darstellen, fordert die Gruppe die Linke.
Nach den Vorstellungen der Gruppe sollen die neuen wohngemeinnützigen Körperschaften auf die Prinzipien der sozialen Wohnraumversorgung, auf eine Renditebegrenzung und auf eine Reinvestitionspflicht verpflichtet werden. Sie sollen von der Gewerbe-, Körperschafts-, Erbschafts- und Grundsteuer sowie von der Grunderwerbsteuer befreit werden. Die Umsatzsteuer bei Neubau-, Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen soll erheblich reduziert werden. Der Bund soll die bisherige soziale Wohnraumförderung auf den neuen gemeinnützigen Bereich übertragen.
Gesetzentwurf der AfD-Fraktion
Der Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Einführung des Tarifs auf Rädern zur automatischen Anpassung des Steuerrechts an die kalte Progression (20/13357) sieht die automatische Anpassung der Tarifeckwerte über eine normierte Tarifformel und aller Freigrenzen, Freibeträge, Pausch- und Höchstbeträge im Einkommensteuergesetz vor. Diese Normierung solle mit dem Ziel vorgenommen werden, die durchschnittliche Steuerbelastung für das entsprechend der Inflation gestiegene zu versteuernde Einkommen konstant zu halten.
Ausgangspunkt dafür ist nach Angaben der Fraktion die Prognose des Verbraucherpreisindexes für das jeweils laufende Jahr, die die Bundesregierung im Rahmen ihrer jährlichen Herbstprojektion erstellt. Etwaige Prognosefehler sollten im Folgejahr berücksichtigt werden, schreibt die Fraktion. Dieses Indexierungsverfahren stelle sicher, dass die Steuerzahler mit Hilfe aktueller Verbraucherpreisdaten zeitnah und fair entlastet werden. (bal/eis/18.10.2024)