Weitgehende Unzufriedenheit mit dem Entwicklungsetat
Über den Etatvorschlag der Bundesregierung für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Einzelplan 23), der im Regierungsentwurf für den Haushalt 2025 (20/12400) enthalten ist, hat der Bundestag am Donnerstag, 12. September 2024, erstmals beraten. Bundesministerin Svenja Schulze (SPD) soll dem Entwurf zufolge im kommenden Jahr 10,28 Milliarden Euro (2024: 11,22 Milliarden Euro) ausgeben dürfen. Das Minus von 936,96 Millionen Euro stellt den größten Einschnitt aller Einzelpläne dar.
Mit geplanten Investitionen in Höhe von 6,65 Milliarden Euro ist der Einzelplan 23 gleichwohl der zweitgrößte Investitionshaushalt des Bundes. Der Einzelplan 23 wurde am Freitag, 13. September, zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen.
Ministerin: Weniger Geld als eigentlich gebraucht wird
Die Ministerin äußerte zu Beginn der Debatte ihre Zufriedenheit darüber, dass es eine Einigung im Haushaltsstreit gegeben hat. Mit einem Etat von mehr als zehn Milliarden Euro bleibe Deutschland ein wichtiger Partner in der Welt: „Es ist aber viel weniger Geld als die internationale Zusammenarbeit eigentlich bräuchte“, fügte sie hinzu.
Deutschland werde sich so in wichtigen Bereichen nicht mehr auf dem gewohnten Niveau engagieren können. Auf neue, nicht erwartete Krisen könne auch nicht mehr so konsequent reagiert werden, wie in der Vergangenheit, sagte Schulze.
CDU/CSU: Haushaltsnotwendigkeiten sind selbstgemacht
Volkmar Klein (CDU/CSU) sprach von einem dramatisch zusammengestrichenen Haushalt. „Nur das Auswärtige Amt mit der humanitären Hilfe muss noch stärker bluten“, sagte er. Internationale Verantwortung gehe aber anders. Dafür habe Deutschland unter Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Vergangenheit gestanden. „Das hat unserem Ansehen genutzt, uns politische Spielräume verschafft und unserer Wirtschaft zusätzliche Türen geöffnet“, sagte Klein.
Für die Kürzungen im Etat würden nun Haushaltsnotwendigkeiten angeführt. Diese seien aber selbstgemacht, „weil die Regierung entschlossen an einer Schwächung unserer Wirtschaft arbeitet“.
Grüne: Mit dem Etatentwurf nicht zufrieden
Felix Banaszak (Bündnis 90/Die Grünen) wies auf Widersprüche hin, die es aus seiner Sicht innerhalb der Unionsfraktion gibt. So hätten Entwicklungspolitiker der Union unlängst in einem Brief an die eigene Fraktion beispielsweise geschrieben, es sei populistisch, Entwicklungsvorhaben in einem Land gegen Missstände in Deutschland auszuspielen. Haushälter der Union hätten hingegen gefordert, anstelle Milliarden für Entwicklungshilfe auszugeben das Geld für den Hochwasserschutz und Landwirte zu nutzen.
Er selbst, so stellte Banaszak klar, sei mit dem Etatentwurf „überhaupt nicht zufrieden“. Das Gleiche gelte auch für seine Fraktion. Ob es gelingen werde, im parlamentarischen Verfahren einen Mittelaufwuchs zu erreichen – wie in den vergangenen Jahren – wisse er nicht. „Und das bedrückt mich“, sagte der Grünen-Abgeordnete.
AfD: Rückgang bei Weitem noch nicht genug
Der sinkende Etat ist für Dr. Michael Espendiller (AfD) hingegen eine gute Nachricht. „Da kann man nur sagen: AfD wirkt.“ Doch der Rückgang sei „bei Weitem noch nicht genug“. Noch immer wolle Ministerin Schulze zehn Milliarden Euro an deutschem Steuergeld ins Ausland transferieren, bemängelte er. „Das sind noch immer mindestens sieben Milliarden Euro zu viel.“
Für die restlichen drei Milliarden Euro brauche es dann eigentlich auch kein Ministerium mehr, sagte Espendiller. „Wir müssen die unnötigen Ausgaben des deutschen Staates senken, damit wir uns auf die Staatsaufgaben konzentrieren können, die für unsere Bürger und unsere Wirtschaft wirklich wichtig sind“, forderte der AfD-Abgeordnete.
FDP: Ein ausgewogener Entwurf
Ministerin Schulze habe einen ausgewogenen Entwurf vorgelegt, befand Claudia Raffelhüschen (FDP). „Auch wenn das mit der Sparvorgabe von einer Milliarde Euro wirklich kein leichtes Unterfangen war“, fügte sie hinzu. Den Unmut, mit weniger Geld auskommen zu müssen, „während die Aufgaben keineswegs weniger werden“, könne sie verstehen.
Nicht nachvollziehbar seien aber die vielen Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen und Medien zu „unverantwortlichen und überproportionalen Kürzungen“ und den angeblich vorprogrammierten katastrophalen Konsequenzen, sagte die FDP-Abgeordnete. Auch mit 10,28 Milliarden Euro sei eine hervorragende Entwicklungszusammenarbeit möglich. Zudem bleibe Deutschland in der internationalen Zusammenarbeit „immer noch zweitgrößter Geber in absoluten Zahlen“.
SPD: Werden der Verantwortung so nicht gerecht
Deutschland müsse in diesen herausfordernden Zeiten, „als eine der stärksten Volkswirtschaften der Welt“, seiner internationalen Verantwortung gerecht werden, forderte Sanae Abdi (SPD). „Mit Blick auf den Etat müssen wir leider feststellen: Dieser Verantwortung werden wir so nicht gerecht“, befand sie.
Abdi griff das Thema Migration auf. Entwicklungsländer wie Jordanien oder der Libanon müssten den größten Teil der weltweiten Flüchtlingsaufnahme schultern. Ein wichtiger Teil der Entwicklungszusammenarbeit sei es, diese Länder zu unterstützen, „damit die Menschen eben nicht gezwungen werden, sich auf lebensgefährlichen Routen bis an unsere Grenzen zu begeben“.
Linke: Mittel werden drastisch gekürzt
Janine Wissler (Gruppe Die Linke) erinnerte an den Koalitionsvertrag, in dem versprochen worden sei, die Mittel für humanitäre Hilfe „bedarfsgerecht“ zu erhöhen, damit Deutschland seine internationalen Verpflichtungen in dem Bereich erfüllen kann.
Mindestens 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung, so Wissler weiter, sollten an die ärmsten Länder der Welt gehen. „Versprochen – gebrochen“, resümierte die Linken-Abgeordnete. In der Realität würden erneut die Mittel „drastisch gekürzt“.
Mittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau
Für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit stehen dem Regierungsentwurf zufolge 4,86 Milliarden Euro zur Verfügung, in diesem Jahr sind es 5,15 Milliarden Euro. Der darin enthaltene Ansatz für die bilaterale finanzielle Zusammenarbeit mit den Partnerstaaten beläuft sich auf 2,24 Milliarden Euro (2024: 2,07 Milliarden Euro), von denen 1,96 Milliarden Euro auf Zuschüsse (2024: 1,78 Milliarden Euro) und 273 Millionen Euro auf Darlehen (2024: 292,49 Millionen Euro) entfallen.
Die bilaterale technische Zusammenarbeit umfasst laut Entwurf 1,68 Milliarden Euro nach 1,79 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Mittel für Krisenbewältigung und Wiederaufbau von Infrastruktur sollen von 1,04 Milliarden Euro 2024 auf 645,12 Millionen Euro sinken.
Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen
Gesamtausgaben in Höhe von 1,93 Milliarden Euro (2024: 2,26 Milliarden Euro) sieht der Etat von Ministerin Schulze im Kapitel: „Europäische Entwicklungszusammenarbeit, Beiträge an die Vereinten Nationen sowie andere internationale Einrichtungen“ vor. Für „entwicklungswichtige multilaterale Hilfen zum weltweiten Umweltschutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz“ sind 751,39 Millionen Euro eingeplant (2024: 850,18 Millionen Euro).
Als Beiträge an die Vereinten Nationen und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sieht der Entwurf 556,51 Millionen Euro vor (2024: 564,47 Millionen Euro). (hau/13.09.2024)