Streit um Bürgergeld und Rente im Etat des Arbeits- und Sozialministers
Der Etatentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der auch in diesem Jahr der mit großem Abstand ausgabenstärkste des Bundeshaushalts bleiben wird, stand am Dienstag, 10. September 2024, rund 90 Minuten lang auf der Tagesordnung des Bundestages.
Im Haushaltsentwurf 2025 (20/12400) sieht der Einzelplan 11 Ausgaben von 179,26 Milliarden Euro vor, das ist mehr als ein Drittel des Gesamtetats. Das ist gegenüber 2024 und dem Gesamtvolumen nur eine verhältnismäßig geringe Kürzung von rund 118 Millionen Euro. In diesem Jahr beläuft sich der Etat von Bundesminister Hubertus Heil (SPD) auf 179,37 Milliarden Euro. Die Einnahmen sollen 2025 mit 1,87 Milliarden Euro höher ausfallen als in diesem Jahr (1,83 Milliarden Euro). Der Einzelplan 11 wurde nach der ersten Lesung am Freitag, 13. September, zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen.
Minister: Mindestlohn-Kommission arbeitet nach Recht und Gesetz
Hubertus Heil verteidigte in seiner Rede seine kürzlich erhobene Forderung nach einer deutlichen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro: „Wenn wir über die Zukunft der Arbeit reden, dann brauchen wir nicht nur gute Arbeitsplätze, sondern auch einen Lohn, von dem man leben kann.“
Die Mindestlohn-Kommission arbeite unabhängig, sei aber nicht losgelöst von Recht und Gesetz, betonte der Minister in Bezug auf die EU-Mindestlohnrichtlinie mit ihrem Referenzwert von 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns.
CDU/CSU: Sie machen das Gegenteil von dem, was nötig ist
Hermann Gröhe (CDU/CSU) warf der Bundesregierung vor, durch falsche Wirtschaftspolitik die Sorgen vieler Belegschaften vor einer Deindustrialisierung erst befeuert zu haben. Zwar weise der Minister gern auf Managementfehler hin, aber die Industrie leide auch unter Fehlern der aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.
„Sie verweigern sich einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten und betreiben eine Politisierung des Mindestlohns. Das ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt brauchen“, sagte Gröhe.
Grüne: Wir halten das Gesamtsystem stabil
Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) forderte, in der Debatte nicht alles nur schlechtzureden. Denn: „Es ist gelungen, eine Gesamtstabilisierung des Etats zu erreichen. Diese Botschaft müssen wir doch an die Bürger senden, dass wir die Systeme zur Absicherung zentraler Lebensrisiken stabil halten!“
Verallgemeinernde Katastrophenszenarien und das Herabsetzen ganzer Bevölkerungsgruppen würden auch der Union am Ende nicht helfen, sagte Kurth.
AfD: Nächstes Jahr explodieren die Bürgergeld-Kosten
Norbert Kleinwächter (AfD) warf der Bundesregierung vor, im Haushaltsentwurf mit geschönten, fingierten Zahlen zu arbeiten. Dieser Haushalt helfe weder den Arbeitnehmern noch den Transferleistungsempfängern.
Es sei absurd, für das Bürgergeld fünf Milliarden Euro weniger einzuplanen, denn die Regierung wisse genau, dass diese Berechnungen nicht zu halten sein werden. „Nächstes Jahr werden wir so hohe Kosten im Bürgergeld haben wie nie zuvor“, prophezeite Kleinwächter.
FDP: Tricksereien beim Bürgergeld
Claudia Raffelhüschen (FDP) kritisierte diesen Punkt ebenfalls: Schon im vergangenen Jahr habe sich die Bundesregierung hier massiv verschätzt und habe nachträglich Geld ins System pumpen müssen.
„Wir brauchen unbedingt Einsparungen, weil unsere Sozialsysteme marode sind, aber die Tricksereien beim Bürgergeld sind nur Wasser auf die Mühlen der Rechten und Linken“, sagte die Liberale.
SPD: Wir wollen auch in Zukunft eine solidarische Gesellschaft
Katrin Michel (SPD) sagte, sie wolle auch weiterhin in einer solidarischen Gesellschaft leben. Sanktionen im Bürgergeld seien dazu kein Widerspruch. „Wir verfolgen Sozialleistungsbetrug konsequent“, betonte sie und kritisierte die Union dafür, sich seit Monaten auf „unsägliche Art und Weise“ am Bürgergeld abzuarbeiten und auf Kosten der Ärmsten immer wieder Neid und Missgunst zu säen.
Michel verteidigte außerdem den Fokus der Arbeitsmarktpolitik auf Qualifizierung und Weiterbildung, „denn wir brauchen jede und jeden in diesem Land“.
Linke: Die Rentendebatte ist gruselig
Matthias W. Birkwald (Gruppe Die Linke) arbeitete sich vor allem an der Rentenpolitik ab. Die aktuelle Debatte sei gruselig. „Haben Sie sich schon mal gefragt, wie ein Bauarbeiter oder eine Krankenschwester noch länger arbeiten sollen?“, fragte er.
Da die Renten in Deutschland alles andere als generös seien, bräuchte es dringend eine Rentenerhöhung um zehn Prozent, sagte Birkwald.
BSW: Die Sanktionspolitik muss enden
Alexander Ulrich (Gruppe BSW) warf der Ampel-Regierung vor, das Land zugrunde zu richten.
Jeden Tag häuften sich Meldungen über einen großflächigen Stellenabbau bei großen Unternehmen, die Sanktionspolitik müsse deshalb endlich ein Ende haben, betonte der Abgeordnete.
Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter
Der Löwenanteil der Zuweisungen und Zuschüsse im Arbeits- und Sozialetat entfällt auf die Rentenversicherung und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Dafür sieht der Entwurf 132,89 Milliarden Euro vor (2024: 127,3 Milliarden Euro).
Darin enthalten sind die Leistungen an die Rentenversicherung mit 121,25 Milliarden Euro (2024: 116,27 Milliarden Euro).
19,2 Milliarden Euro für die „Mütterrente“
Mit 4,76 Milliarden Euro (2024: 5,05 Milliarden Euro) beteiligt sich der Bund an der knappschaftlichen Rentenversicherung. 48,03 Milliarden Euro (2024: 44,85 Milliarden Euro) gehen als Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung, 12,64 Milliarden Euro (2024: 12,02 Milliarden Euro) an die Rentenversicherung in den neuen Ländern. Der zusätzliche Zuschuss des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung beläuft sich auf 31,23 Milliarden Euro (2024: 30,83 Milliarden Euro).
Die Beitragszahlungen für Kindererziehungszeiten („Mütterrente“) summieren sich auf 19,2 Milliarden Euro (2024: 18,14 Milliarden Euro). Die Erstattungen des Bundes für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung schlagen mit 11,5 Milliarden Euro zu Buche (2024: 10,9 Milliarden Euro).
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist mit 44,96 Milliarden Euro eingestellt (2024: 50,51 Milliarden Euro). Die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung soll von 11,6 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 11 Milliarden Euro in 2025 sinken.
Deutliche Einsparungen sind bei den Kosten für das Bürgergeld geplant: Im Entwurf vorgesehen sind 25 Milliarden Euro. Für 2024 waren noch 29,7 Milliarden Euro vorgesehen. Für die Eingliederung in Arbeit sehen die Planungen 3,7 Milliarden Euro vor (2024: 4,15 Milliarden Euro).
Weniger Geld für Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Mit 409,65 Millionen Euro soll die Inklusion von Menschen mit Behinderungen gefördert werden (2024: 523,7 Millionen Euro). Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nach dem Bundesteilhabegesetz will die Regierung mit 135,48 Millionen Euro fördern. Im Etat für 2024 waren dafür noch 234,03 Millionen Euro eingestellt. (hau/che/13.09.2024)