Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 24. November 2022, zwei Vorlagen zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen:
Sanktionsdurchsetzungsgesetz: Sanktionen sollen in Zukunft besser durchgesetzt werden können. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines zweiten Gesetzes zur effektiveren Durchsetzung von Sanktionen (20/4534) eingebracht. Bei den weiteren Beratungen übernimmt der Finanzausschuss die Federführung. Eine der wichtigsten Maßnahmen besteht in der Einrichtung einer Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung auf Bundesebene. Dort soll auch eine Hinweisannahmestelle eingerichtet werden. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass bei Immobilientransaktionen nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden darf. Der Nationale Normenkontrollrat hält die von der Regierung dargestellten Regelungsfolgen für „nachvollziehbar und methodengerecht“. Der Gesetzentwurf ist identisch mit einem von den Koalitionsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bereits eingebrachten Entwurf (20/4326).
Commercial Courts: Die Unionsfraktion macht sich für die Einführung von Commercial Courts an Oberlandesgerichten stark. Diese sollen für Handelssachen mit internationalem Bezug ab einem Streitwert von über zwei Millionen Euro zuständig sein. Dabei soll es die Möglichkeit geben, „das gesamte Verfahren einschließlich Verhandlung, Schriftsätze und Urteil in englischer Sprache zu führen“, wie die Fraktion in einem Antrag (20/4334) ausführt, der im Rechtsausschuss federführend beraten wird. Für internationale Handelssachen, die nicht in die Zuständigkeit der vorgeschlagenen Commercial Courts fallen, sollen nach Willen der Union ferner spezialisierte Kammern an den Landgerichten entstehen. Für die Umsetzung soll die Bundesregierung eine entsprechende Landesöffnungsklausel im Gerichtsverfassungsgesetz einfügen sowie die Zivilprozessordnung und das AGB-Recht anpassen, fordern die Abgeordneten. Von der Einführung der Commercial Courts, die – wie die Union anführt – auch vom Bundesrat vorgeschlagen wird, versprechen sich die Abgeordneten eine nachhaltige Stärkung der staatlichen Ziviljustiz in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten. Zudem sieht die Union eine mögliche Stärkung des Gerichtsstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb.
Organspende: Die AfD-Fraktion fordert, die sogenannte Cross-over-Lebendspende als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu erlauben. Damit sollen aus Sicht der Fraktion die Überlebenschancen von Dialysepatienten verbessert werden. Ein entsprechender Antrag (20/4565) wurde zur weiteren Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen. Mehr als 10.000 Dialysepatienten stünden auf der Warteliste für eine Spenderniere. Wegen der wenigen Spenderorgane betrage die Wartezeit im Durchschnitt sechs bis acht Jahre, heißt es in dem Antrag der Fraktion. Die Alternative zum Warten auf ein postmortal entnommenes Organ sei die Lebendspende. Die in Deutschland erlaubte Lebendnierenspende an nahestehende Personen scheitere jedoch in vielen Fällen an Unverträglichkeiten. Abhilfe würde die Überkreuz-Lebendspende (Cross-over-Spende) schaffen, bei der zwei geeignete Spender-Empfänger-Paare die gespendeten Organe untereinander tauschen könnten. Die Abgeordneten fordern eine gesetzliche Regelung, um Überkreuz-Lebendspenden von Nieren zu ermöglichen. Zudem müssten die organisatorischen Voraussetzungen zur Identifizierung der passenden Spender-Empfänger-Paare geschaffen werden. Die Eingriffe sollten von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt werden.
Mortalitätsregister: Ein weiterer Antrag der AfD-Fraktion trägt den Titel „Einführung, Aufbau und Betrieb eines nationalen Mortalitätsregisters für Forschungszwecke“ (20/4566). Die Vorlage wird federführend im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung beraten. Für die epidemiologische Forschung und den damit verbundenen Gesundheitsschutz der Bevölkerung seien zuverlässige Daten zur Mortalität unerlässlich, heißt es in dem Antrag. Die Einrichtung eines nationalen Mortalitätsregisters würde eine zentrale Qualitätssicherung von Todesbescheinigungen und einen schnellen Datenzugriff ermöglichen, wodurch eine Intensivierung der epidemiologischen Forschung mit Mortalitätsdaten zu erwarten wäre, die auch zur Verbesserung der Datenqualität in der Todesursachenstatistik beitragen dürfte.
Polen: Ein weiterer Antrag der AfD-Fraktion widmet sich dem Verhältnis von Deutschland und Polen. Die Vorlage mit dem Titel „Interessen der Deutschen Minderheit in Polen schützen – Gute Freundschaft mit Polen pflegen“ (20/4567) wurde zur federführenden Beratung in den Auswärtigen Ausschuss überwiesen. Wie die Abgeordneten in ihrem Antrag schreiben, habe die polnische Seite die Mittel für den muttersprachlichen Deutschunterricht der deutschen Minderheit in Polen gekürzt und dies mit Vertragsverletzungen Deutschlands begründet. Die polnische Regierung habe gleichwohl deutlich gemacht, dass eine einvernehmliche Lösung möglich sei. Dies setze aus ihrer Sicht voraus, dass eine dauerhafte Finanzierung des muttersprachlichen Polnischunterrichts in Deutschland sichergestellt werde und sich der Zugang zum muttersprachlichen Polnischunterricht in den Bundesländern merklich verbessere. Die Antragsteller fordern die Bundesregierung unter anderem auf, zusätzlich zehn Millionen Euro im Etat des Auswärtigen Amtes zur Finanzierung des Deutschunterrichts und Sicherung der Arbeitsplätze der von den Kürzungen betroffenen Deutschlehrer bereitzustellen. „Es muss verhindert werden, dass die Deutschlehrer in Polen in andere Berufe wechseln und dann vielleicht nicht mehr für eine Rückkehr zur Verfügung stehen. Daher bedarf es hier einer Übergangslösung in Form der Bereitstellung von Geldern durch den Bund bis eine Einigung mit der polnischen Seite gefunden ist“, schreiben die Abgeordneten.
Ausschusssitzungen: An den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung wurde ein AfD-Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages überwiesen (20/4568). Konkret geht es bei der Vorlage darum, Überschneidungen von Plenar- und Ausschusssitzungen zu vermeiden. Konkret verlangt die Fraktion, im Paragrafen 20 der Geschäftsordnung den Passus „Sitzungen des Bundestages finden nicht zeitlich überschneidend zu Sitzungen der Ausschüsse oder anderer Gremien des Bundestages statt; Ausnahmen im Einzelfall kann der Ältestenrat vereinbaren“ zu ergänzen. Im Paragrafen 60 der Geschäftsordnung soll nach dem Willen der Fraktion folgender Satz hinzugefügt werden: „Ausschusssitzungen dürfen nicht zeitgleich mit Plenarsitzungen anberaumt werden; Ausnahmen im Einzelfall kann der Ältestenrat vereinbaren.“
Entwicklungspolitik: „Feministische Entwicklungspolitik stoppen – stattdessen Frauen- und Mädchenrechte effektiv stärken“ lautet der Titel eines weiteren Antrags der AfD (20/4569), der federführend im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beraten wird. Im Einzelnen verlangt die Fraktion, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mehr als bisher die internationalen Übereinkommen und Verpflichtungen in Bezug auf Frauen- und Mädchenrechte thematisiert und dabei auch die nationalen Identitäten und Kulturen der Vertragsstaaten berücksichtigt. Der Aktionsplan des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Gleichberechtigung 2016 bis 2020 müsse überarbeitet und dem Bundestag vorgelegt werden. Im Aktionsplan soll nach dem Willen der Fraktion das „Gender Mainstreaming als ideologisierte Form in der Entwicklungszusammenarbeit“ gestrichen werden, um die Stärkung der Frauen- und Mädchenrechte umfassend zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus fordern die Abgeordneten, Frauen- und Mädchenrechte einerseits und Gender Mainstreaming andererseits begrifflich abzugrenzen, da sie sich „in der realen gesellschaftlichen Praxis diametral gegenüberstehen“. Auf Gender Mainstreaming basierende Entwicklungsprojekte müssten umgehend eingestellt werden, heißt es in dem Antrag. Zur Begründung schreibt die Fraktion, Gender Mainstreaming laufe den Zielen und Werten des Feminismus zuwider. Während der Feminismus darauf abziele, die Lebensbedingungen von Frauen weltweit zu verbessern und Chancengleichheit mit den Männern herzustellen, führe Gender Mainstreaming dazu, dass geschützte Räume wie Frauenumkleiden, Frauentoiletten, Frauen- und Geburtshäuser in der Praxis abgeschafft würden, weil sich jeder, der sich unabhängig vom biologischen Geschlecht als weibliche definiere, Zugang zu ihnen verschaffen könne. Die daraus resultierenden Widersprüche würden in den oft stark patriarchalisch geprägten Empfängerländern der Entwicklungshilfe stärker wahrgenommen, was die Akzeptanz der Hilfen verringere oder Anreize schaffe, sich mithilfe fingierter Geschlechtsminderheiten zusätzliche Entwicklungsgelder „zu erschleichen“, argumentiert die Fraktion.
Parlamentsreform: „Die Demokratie stärken – Klare Reformen für ein modernes und bürgernahes Parlament“, so lautet der Titel eines CDU/CSU-Antrags (20/4587), der federführend im Geschäftsordnungsausschuss beraten wird. Nach dem Willen der Fraktion soll der Ausschuss Empfehlungen erarbeiten, wie die Geschäftsordnung des Bundestages in einer Reihe von Punkten geändert werden könnte. Als Schwerpunkte werden eine wirksamere und lebendigere Regierungsbefragung mit besserer parlamentarischer Kontrolle, bedeutende und attraktive Debatten im Plenum, eine Stärkung und Sichtbarmachung der Ausschüsse und eine klarere und verständlichere Geschäftsordnung genannt. Die Unionsfraktion plädiert unter anderem dafür, die regelmäßige Dauer der Regierungsbefragung von 60 auf 120 Minuten zu verdoppeln und auf die bisherige 90-minütige Fragestunde zu verzichten. Stattdessen sollten im Plenum künftig dezentrale Ausschussfragestunden stattfinden, die im Internet übertragen werden. Statt wie bisher dreimal jährlich solle der Bundeskanzler künftig mindestens einmal im Quartal befragt werden. An jeder Regierungsbefragung sollen dem Antrag zufolge mindestens zwei Regierungsmitglieder teilnehmen. Jedes Regierungsmitglied müsse mindestens einmal jährlich an der Befragung teilnehmen, die bisher üblichen einleitenden Ausführungen sollen entfallen. Damit die Regierungsantworten parlamentarisch debattiert werden können, solle im Anschluss auf Antrag eine Aktuelle Stunde stattfinden können. Kleine Anfragen will die Unionsfraktion im Plenum beraten lassen, wenn sie von der Regierung nicht fristgerecht beantwortet wurden und fünf Prozent der Abgeordneten oder eine Fraktion dies verlangen. Darüber hinaus will die Fraktion die Tagesordnung des Plenums verschlanken, um „Raum für aktuelle und wichtige Debatten zu schaffen“. Daher sollten die Ausschüsse künftig mehr Fachvorlagen abschließend öffentlich mit Live-Übertragung im Internet beraten, sodass das Plenum ohne Debatte darüber abstimmen kann. Herausragende Debatten müssten so platziert werden, dass möglichst viele sie live verfolgen können. Auch ein verstärkter Einsatz von Gebärdendolmetschern wird angemahnt. Zusätzlich zur jährlichen Debatte über den Petitionsbericht werden halbjährliche Debatten über Petitionen angeregt. Abstimmungen will die Fraktion bündeln, um Verzögerungen im Plenarablauf zu vermeiden. Die Möglichkeiten elektronischer Stimmabgaben seien zu prüfen. Aktuelle Stunden will die Unionsfraktion auch in der Kernzeit und mit der Möglichkeit der Zwischenfrage oder -bemerkung zulassen. Regierungsmitglieder sollten ihre Abwesenheit bei Kernzeitthemen schriftlich begründen müssen. Auch sei nicht hinnehmbar, dass wichtige Regierungsentscheidungen und -vorhaben in Pressekonferenzen oder Talkshows anstatt im Parlament verkündet werden. Am Grundsatz nichtöffentlicher Ausschusssitzungen will die Fraktion festhalten. Vorbereitende Beratungen und Verhandlungen benötigten geschützte Räume, um Lösungsvorschläge ergebnisoffen diskutieren und interfraktionell Kompromisse ausloten zu können, heißt es zur Begründung. Die öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse wollen die Abgeordneten auf eine breitere fachliche Basis stellen. So solle der Sachverstand in den obersten Bundesbehörden dafür genutzt werden. Dauerhaftes Vertagen von Oppositionsvorlagen muss für die CDU/CSU der Vergangenheit angehören. Schließlich empfiehlt die Fraktion, die Geschäftsordnung einer Generalrevision zu unterziehen.
(irs/ste/24.11.2022)