Wenig Sympathie für Anträge zur Hochschulpolitik
Der Bundestag hat am Donnerstag, 4. Juli 2024, drei Anträge der AfD-Fraktion zur Hochschulpolitik beraten. Im Anschluss der Debatte wurden soll sowohl der Antrag mit dem Titel „Einer Ideologisierung der Hochschulbildung konsequent entgegentreten – Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder neu ausrichten“ (20/12090) wie auch der Antrag mit der Forderung nach „Einführung eines Friedrich-Tenbruck-Stipendiums für Soziale Gerechtigkeit“ (20/12092) zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen. Den Antrag mit dem Titel „Antisemitismus an der Wurzel bekämpfen – Die Bundesmittel für das Sonderprogramm ,Globaler Süden' zur Aufarbeitung der postkolonialistischen Ideologie einsetzen“ (20/12091) wird hingegen im federführenden Ausschuss für Kultur und Medien weiterberaten.
In der Debatte zeigte sich, dass die Antragsteller für ihre Forderungen auf keinerlei Sympathie der anderen Fraktionen und Gruppen des Bundestages hoffen konnten. Nicht, weil diese nicht den Antisemitismus an Hochschulen und darüber hinaus bekämpfen wollen, sondern weil sie der AfD unterstellten, das Thema Antisemitismus nur zu instrumentalisieren.
AfD: Nur noch der „woke Rassismus“ ist relevant
Dr. Marc Jongen (AfD) begründete die Anträge damit, dass das intellektuelle Klima an deutschen Universitäten in weiten Teilen intolerant und wissenschaftsfeindlich geworden sei und somit kritischen Diskurs unterdrücke. Es gebe mittlerweile nur noch einen relevanten Rassismus, und das sei der „woke Rassismus“ gegenüber weißen Menschen.
„Das ist ein unhaltbarer Zustand, und es sind die Regierungen in Bund und Ländern, die durch ihre Förderpolitik dafür verantwortlich sind“, sagte er.
SPD: Die AfD macht aus Ideologie erst einen Kampfbegriff
Dem widersprach nicht nur Maja Wallstein (SPD) heftig: „Sie benutzen die Ideologie, um zu fordern, dass die Wissenschaft ideologiefrei werden soll. Das ist absurd“, wandte sie sich an die AfD-Fraktion. Anscheinend hätten die Antragsteller zum einen nicht verstanden, wie Wissenschaft funktioniert, und zum anderen nicht, was der Begriff Ideologie meine.
Ideologie meine ein „Leitbild sozialer Gruppen, aber Sie machen daraus einen Kampfbegriff!“ Diskurse an Universitäten zu verbieten, sei genau die Ideologisierung der Wissenschaft, die die AfD angeblich beenden wolle.
CDU/CSU: Anträge tragen nicht zum Kampf gegen Antisemitismus bei
Daniela Ludwig (CDU/CSU) sagte: „Um es freundlich auszudrücken, lassen mich Ihre Anträge ratlos zurück.“ Natürlich müsse man über die Vorgänge an den Hochschulen sprechen, aber das passiere ja auch längst. „Wir müssen uns fragen, was wir im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit tun können, um die antisemitischen Tendenzen an den Universitäten zu beenden.“.
Die Anträge der AfD leisteten dazu nur „leider keinen konstruktiven Beitrag“. „Der Kampf gegen Antisemitismus wird Ihnen doch nicht abgenommen, weil klar ist, dass es nur ein Deckmantel ist“, so Ludwig.
Grüne: Es geht der AfD um Kulturkampf
Laura Kraft (Bündnis 90/Die Grünen) warf Marc Jongen direkt vor: „Sie haben es doch gerade selbst gesagt, worum es Ihnen geht: um einen Kulturkampf. Das ist das Entlarvende.“ Tipps gegen Antisemitismus brauche man jedenfalls von einer rechten Partei nicht.
„Sie benutzen jedes Thema nur, um gegen Minderheiten zu hetzen, und unterstellen hier eine vermeintliche Einflussnahme auf Förderprojekte. Das sind krudeste Verschwörungstheorien!“
FDP: Sie wollen die Wissenschaft in Misskredit bringen
Prof. Dr. Stephan Seiter (FDP) nannte den Antrag zur Exzellenzstrategie eine Modelpackung. Es werde unterstellt, dass im Wissenschaftsbetrieb nur Menschen arbeiten, die sich gleich wegducken, wenn es Proteste gebe.
„Hochschulen waren schon immer Orte der Diskurse. Aber es ist eben der Inhalt dieser Diskurse, der Ihnen nicht gefällt. Sie wollen mit ihren Anträgen nur das Wissenschaftssystem in Misskredit bringen“, fügte er hinzu.
Linke: Die Geschichte des Antisemitismus soll umdefiniert werden
Nicole Gohlke (Gruppe Die Linke) betonte: „Das, was die AfD macht, ist nichts Geringeres als der Versuch, Geschichte zu fälschen. Es geht ihr darum, die Geschichte des Antisemitismus umzudefinieren und die deutsche Verantwortung dabei zu unterschlagen, in dem sie mal wieder so tut, als sei Antisemitismus ein nach Europa importiertes Problem.“
Erster Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem ersten Antrag (20/12090), die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder für die Hochschulbildung neu auszurichten. Vor allem geht es der Fraktion darum, einer „Ideologisierung der Hochschulbildung konsequent entgegenzutreten“, wie es im Titel des Antrags heißt. Aus Sicht der AfD-Fraktion schreitet die Politisierung der Hochschulbildung bereits seit den 1980er Jahren voran.
Mit der Änderung des Hochschulrahmengesetzes 1985, mit dem die Hochschulen verpflichtet wurden, bestehende Nachteile für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu beseitigen, sei der Wissenschaft ein gesellschaftspolitischer Auftrag erteilt worden, der außerhalb ihres Arbeitsbereiches liege. Und weiter kritisiert der Antrag, dass „woke Ideologien“ insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften die „kulturelle Hegemonie“ übernommen hätten und die Wissenschaftsfreiheit bedrohen würden.
„Exzellenzbonus nach festem Schlüssel verteilen“
Die Abgeordneten fordern deshalb von der Bundesregierung unter anderem, die politische Einflussnahme im Sinne der Durchsetzung gesellschaftspolitischer Anliegen wie der Förderung von Diversität oder der Förderung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses in allen Entscheidungsschritten der Exzellenzstrategie zu reduzieren. Das Expertengremium der Exzellenzkommission solle zukünftig allein und ohne die Wissenschaftsminister des Bundes und der Länder über zu fördernde Exzellenzcluster und Universitäten entscheiden. Diversität oder die Förderung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses solle demnach künftig keine Relevanz bei Förderentscheidungen mehr haben.
Weiter fordert die Fraktion, den Exzellenzbonus künftig nach einem festen Schlüssel (zum Beispiel Forschungspreise, exzellente Nachwuchswissenschaftler) zu verteilen. Da es das erklärte Ziel der Exzellenzstrategie sei, Deutschland als Wissenschaftsstandort zu stärken und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, böten sich besonders Kriterien an, die auch in internationalen Hochschulrankings wie dem „Times Higher Education“ Anwendung finden, schreibt die Fraktion.
Zweiter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem zweiten Antrag (20/12092) die Einführung eines Friedrich-Tenbruck-Stipendiums für soziale Gerechtigkeit. In dem Antrag heißt es: „Das Forschungsstipendium soll nach den deutschen Soziologen Friedrich Tenbruck (1919 bis 1994) benannt werden, der zu den schärfsten wissenschaftlichen Kritikern jener Entwicklungen in der Soziologie gehörte, die heute im Social-Justice-Diskurs kulminieren. Tenbruck habe mit Blick auf universalistische soziologische Theorien wie den Strukturfunktionalismus und dessen Fokus auf Sozialstrukturen, aber auch in Richtung auf die marxistisch inspirierten soziologischen Theorien die 'Außerkurssetzung' von Faktoren wie Nation, Sittlichkeit, Gemeinschaft, Geschichte oder Kultur in der Soziologie beklagt, was er darauf zurückführte, dass ausschließlich die 'Gesellschaft' zur 'Matrix der Daseinsdeutung' gemacht werde.
Die Abgeordneten verlangen deshalb von der Bundesregierung, mit einem Gesetzentwurf die Voraussetzungen für die Einrichtung eines Friedrich-Tenbruck-Stipendiums zu schaffen. Dieses Stipendium solle Promovenden und Habilitanden in sozialwissenschaftlichen Fächern fördern, die sich in ihrer Forschung mit dem Begriff, der Geschichte und politischen Praxis der “sozialen Gerechtigkeit„ befassen und sich dabei insbesondere kritisch mit den Social-Justice-Theorien und ihrer Entwicklung beschäftigen.
Dritter Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert in ihrem dritten Antrag “Antisemitismus an der Wurzel zu bekämpfen und die Bundesmittel für das Sonderprogramm Globaler Süden zur Aufarbeitung der postkolonialistischen Ideologie einzusetzen„ (20/12091). Darin schreibt sie: “Das 'Schweigen', mit der Teile der hiesigen Kulturszene den israelischen Opfern des Hamas-Terrors gegenüberstehen, zeigt, dass die dargelegten Narrative der postkolonialistischen Theorien mit Blick auf Israel auch in Deutschland in Teilen der Kulturszene Akzeptanz finden.„
Die Abgeordneten verlangen von der Bundesregierung unter anderem, die postkolonialistische Ideologie nicht länger zur Richtschnur ihres kulturpolitischen Handelns zu machen. Förderlinien, mit denen postkolonialistische Projekte oder Programme finanziert werden, sollten so zügig wie möglich eingestellt werden. Das Sonderprogramm “Globaler Süden„ solle in ein Sonderprogramm “Aufarbeitung der postkolonialistischen Ideologie„ umgewandelt werden. Die Bundesmittel des Sonderprogrammes “Globaler Süden„ sollten zur Finanzierung dieses Sonderprogrammes eingesetzt werden.
Außerdem müsse für dieses Sonderprogramm ein Konzept entwickelt werden, “das die ideologische Bedingtheit postkolonialistischer Theorien und deren Wurzeln in marxistischen Diskursen sowie über den Zusammenhang von postkolonialistischen Theorien und Antisemitismus aufarbeitet„, heißt es in dem Antrag weiter. (che/hau/04.07.2024)