Auswärtiges

Experten: Wagner-Gruppe hat Kampfauftrag durch den russischen Staat

Zeit: Montag, 24. Juni 2024, 13.30 bis 16.30 Uhr
Ort: Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Sitzungssaal 3.101

Bei einer öffentlichen Anhörung des Auswärtigen Ausschusses zum Thema „Der Einsatz von privaten Sicherheits- und Militärdienstleistern in bewaffneten Konflikten“ am Montag, 24. Juni 2024, haben die geladenen Sachverständigen deutlich gemacht, dass insbesondere die russische Firma Wagner kein rein privates Militärunternehmen ist, sondern „einen klaren Kampfauftrag durch den russischen Staat“ hat, wie Susanne Conrad, Referentin für Recht und Sicherheit in der Abteilung Subsahara-Afrika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, sagte. 

Prof. Dr. Anja Jakobi, Leiterin des Instituts für Internationale Beziehungen am Department für Sozialwissenschaften der Technischen Universität Braunschweig, verwies darauf, dass die politische Nähe zur russischen Führung zwar lange bestritten worden sei. Durch die Restrukturierung zum sogenanntem Afrika-Korps werde aber deutlich, „wie eng die Verbindung war“. 

Russische Söldnerdiplomatie

Söldnergruppen wie Wagner unterminierten die friedensfördernden Ansätze der Vereinten Nationen in den betroffenen Regionen, betonte Andreas Wittkowsky, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF). Prof. Dr. Herbert Wulf vom Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) an der Universität Essen/Duisburg sprach im Zusammenhang mit der erfolgten Umetikettierung der Wagner-Gruppe zum Afrika-Korps von einer „russischen Söldnerdiplomatie“. 

Die russische Regierung habe lange ein politisches Versteckspiel betrieben, indem sie die Wagner-Gruppe „tolerierte, registrierte und sponserte, gleichzeitig aber behauptete, für deren Aktionen nicht verantwortlich zu sein“, sagte Wulf. Die Wagner-Gruppe sei so aber zu einem „Staat im Staate“ geworden. Durch die Umetikettierung zum Afrika-Korps werde sie nun der „außenpolitischen Ideologie untergeordnet“. 

„Antiwestliches Fundament geschaffen“

Der Experte sprach von einer „Win-Win-Situation“. Durch die Unterstützung für autokratische Regime erhalte Russland Zugriff auf Rohstoffe und Ressourcen, helfe aber auch, den Kampf gegen Separatisten und Dschihadisten zu führen. Russland biete zugleich eine Alternative zum Westen und nutze die antieuropäische, antifranzösische und antikoloniale Stimmung in den Einsatzländern, sagte er. 

Das Afrika-Korps, so Susanne Conrad, diene dazu, die geostrategischen Ziele Russlands in Afrika „kohärent zu verfolgen“. Es gehe darum, die westliche Einflusssphäre in Afrika durch eine russische zu ersetzen und die Sicherheit in Europa über die südliche Nachbarschaftsperipherie zu destabilisieren. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren habe der russische Staat es erreicht, ein antiwestliches Fundament in der südlichen Nachbarschaft der Nato zu schaffen. 

„Russischem Einfluss entgegenwirken“

Die Mischung aus paramilitärischer Kampfeinheit und Informationskrieg, finanziert durch die Ressourcenausbeutung afrikanischer Staaten, habe sich für Moskau bezahlt gemacht, sagte Conrad. Insbesondere der politische und militärpolitische Einfluss Frankreichs und der USA sei in Teilen Westafrikas signifikant zurückgedrängt worden. Conrad forderte eine internationale Kontrolle und ein politisches Regelwerk der internationalen Gemeinschaft, um dem menschenverachtenden und kriminellen Verhalten des russischen Einflusses in Afrika entgegenzuwirken. 

Für ein UN-Regelwerk, das durchgesetzt werden müsse, plädierte auch ZIF-Vertreter Andreas Wittkowsky. Aktuell sehe man aber bei den Vereinten Nationen die Mitgliedstaaten in der Verantwortung, entsprechende Regelungen durchzusetzen. Daran hätten bestimmte Mitgliedstaaten jedoch kein Interesse, sagte er. Gleichwohl gelte es, „das dicke Brett weiter zu bohren“. 

„Sicherheit des UN-Personals gefährdet“ 

Wittkowsky verwies auf die besonderen Schwierigkeiten für internationale Friedenseinsätze, wenn man vor Ort mit der Anwesenheit der Wagner-Gruppe oder auch der Nachfolgeorganisation Afrika-Korps konfrontiert sei. Auf UN-Ebene wisse man, dass die Söldnereinsätze Friedensmissionen gefährden. Erhöht werde zudem das Risiko von Menschenrechtsverstößen sowie von gewaltsamen Rekrutierungen in der Zivilbevölkerung.

Laut Wittkowsky sind die UN-Missionen in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Die Sicherheit des UN-Personals sei gefährdet. Im Ergebnis führe all dies zu einem „Reputationsverlust der UN in der örtlichen Bevölkerung“.

„Friedensmissionen langfristig weiterentwickeln“

Man müsse sich klarmachen, so sagte Anja Jakobi, dass „privater Akteur“ in Autokratien und liberalen Demokratien „etwas anderes meint“. Das Label „privater Akteur“ dürfe daher nicht gleichgesetzt werden. Jakobi sieht Deutschland aufgefordert, multilaterale Instrumente wie Friedensmissionen langfristig weiterzuentwickeln und so zu gestalten, „dass sie als erfolgreiche Beispiele zur Konfliktbewältigung gelten können“. Im Moment seien sie das „nicht unbedingt“. 

Das humanitäre Völkerrecht werde insbesondere durch die Militärdienstleister des neuen Typs, die einerseits eine Kapazitätslücke der bestehenden Militärs füllten, andererseits auch die Nachfrage nach Militärdienstleistungen außerhalb geltender Normen erfüllten, weiter herausgefordert, sagte Jakobi. Auf dessen Einhaltung sollte jedoch bestanden werden. 

Aus ihrer Sicht sollten Möglichkeiten wie Sanktionen, Exportverbote von Waffen oder multilaterale Verträge zur Verfolgung von Kriegsverbrechen umfassend ausgeschöpft werden. Zu prüfen sei zudem, inwiefern bestimmte Militärdienstleister bei gewaltsamen Einsätzen selbst als kriminelle Gruppe zu klassifizieren seien „und damit ein anderer Umgang mit ihnen, ihren Unterstützern, ihren Auftraggebern und ihren Finanzströmen möglich ist“. (hau/25.06.2024)