Unterstützung für den Wiederaufbau in der Ukraine
Die Unterstützung der Ukraine beim Wiederaufbau kriegszerstörter Infrastruktur, die Begleitung des Landes auf dem Weg in die EU oder die humanitäre Hilfe: Das breit angelegte internationale Engagement für das von Russland angegriffene osteuropäische Land kann nicht genug gewürdigt werden, waren sich deutsche und ukrainische Abgeordnete im öffentlichen Fachgespräch des Europaausschusses mit dem Titel „Die parlamentarische Dimension der Ukraine Recovery Conference“ einig, der am Dienstag, 11. Juni 2024, zusammen mit einer Delegation ukrainischer Parlamentarier tagte, um die Wiederaufbaukonferenz der Bundesregierung zu begleiten. Höchste Priorität habe jedoch zunächst die militärische Sicherheit der Ukraine und der Schutz ihrer Einwohner vor russischen Luftangriffen.
Hofreiter: Russisches Eigentum heranziehen
Die andauernden, systematischen Angriffe der russischen Armee auch auf zivile Ziele und insbesondere die Energieinfrastruktur in der Ukraine, führe vor Augen, dass man das Land weiter ausreichend militärisch unterstützen müsse, sagte Dr. Anton Hofreiter, Vorsitzender des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union.
Hätte der russische Präsident in der Ukraine Erfolg, werde er weitere Länder angreifen. Erst wenn dem Kremlherrscher klar werde, dass er diesen völkerrechtswidrigen Krieg verliere, sei er zu echten Friedensverhandlungen bereit. Mehrere hundert Milliarden Euro aus beschlagnahmtem russischem Eigentum könnten zum Wiederaufbau herangezogen werden.
Klympush-Tsintsadze warnt vor „Einfrieren“ des Konflikts
„Wir danken Ihnen dafür, dass Sie mit dafür gekämpft haben, dass die Europäische Union für uns eine Realität werden könnte“, wandte sich Iwana Klympush-Tsintsadze, Vorsitzende des Europaausschusses des ukrainischen Parlaments, an die deutschen Abgeordneten und dankte für die humanitäre, finanzielle und militärische Hilfe. Man kämpfe in der Ukraine für gemeinsame Werte. „Wir sind aber hier, um noch mehr zu erbitten.“ Mit ihrem Mut allein seien die Ukrainer nicht in der Lage ihr Land zu verteidigen und die Angreifer hinauszuwerfen, sondern bei den Rüstungsgütern von der internationalen Unterstützung abhängig, gab die ukrainische Politikerin zu bedenken. „Humanitäre Hilfe für die Ukraine“ bedeute: „Waffen, Waffen und Waffen. Wenn wir dieses Land erneuern wollen, müssen wir es zuerst verteidigen. Das geht nicht ohne Waffen.“ Man hoffe auf weitere Einheiten der Luftabwehrsysteme Patriot, aber auch Taurus sowie Leopard-Panzer.
Gelinge es nicht, Russland wieder aus der Ukraine hinauszuwerfen, dann lade man das russische Regime zu einer Eskalation ein. Wer über ein „Einfrieren“ des Konflikts rede, der rede „über einen weiteren Krieg, auf den Russland sehr viel besser vorbereitet sein wird.“ Russland werde nicht nur die postsowjetischen Länder angreifen. Andere Regime würden seinem Beispiel folgen. Es gehe darum, welche Weltordnung man wolle und ob das Völkerrecht weiter gebrochen werden könne.
Korniyenko betont Bedeutung des Luftschutzes
Die aus Mitgliedern verschiedener Ausschüsse des ukrainischen Parlaments bestehende Delegation sei in den Bundestag nach Berlin gekommen, um den deutschen Parlamentariern ein umfassendes Bild der aktuellen Lage in ihrem Land zu geben, sagte der Vizepräsident der Werchowna Rada, Oleksandr Korniyenko. Die jüngsten Attacken der russischen Streitkräfte hätten der ukrainischen Infrastruktur erneut massiv zugesetzt. Zahlreiche Tote und Verletzte seien zu beklagen, die wirtschaftliche Erholung komme so nicht in Gang.
Die Ukraine würde sich gerne aus eigener Kraft versorgen, aber unter den Kriegsbedingungen funktioniere das nicht. Angesichts der Energiekrise blickten die Menschen bereits im Juni mit Schrecken auf den November. „Luftschutz“ sei momentan das wichtigste Wort in seinem Land. „Mit jedem weiteren Abwehrsystem werden unsere Städte besser geschützt“, könnten Menschenleben gerettet und die Infrastruktur nachhaltig repariert werden.
Fraktionen erläutern Haltung zum Taurus-System
In der Diskussion mit ihren ukrainischen Kolleginnen und Kollegen warben die deutschen Abgeordneten um Verständnis für manchmal längere Verfahren, die aus der Abstimmung mit Partnerländern und internationalen Organisationen sowie den Regeln des demokratisch-parlamentarischen Prozesses resultierten. Man stehe der Ukraine weiter bei, auch mit militärischer Ausrüstung. Dabei stellten die deutschen Fraktionen ihre unterschiedliche Haltung zum weit reichenden Taurus-System heraus, das deswegen bislang nicht an die Ukraine geliefert wurde.
Die ukrainische Seite brachte ihre Dankbarkeit zum Ausdruck und mahnte gleichzeitig eine noch größere Schnelligkeit und Entschlossenheit vor allem bei der Lieferung der großen Waffensysteme, vor allem zur Luftverteidigung, an. Der Preis jedes Zögerns sei der Verlust von Menschenleben. Viele hätten so bereits gerettet werden können, Zivilisten, aber auch Kämpfer, die jetzt fehlten. Ohne neue Waffen und Waffensysteme sei der russische Präsident Wladimir Putin nicht zu stoppen und werde es keinen Frieden geben, zeigten sich die Ukrainer überzeugt.
Kampf gegen die Korruption
Die ukrainischen Redner betonten, dass die wirtschaftliche Erholung zunächst die Sicherheit ihres Landes voraussetze. Trotz der angespannten Lage treibe man den Kampf gegen die tief verwurzelte Korruption energisch und mit ersten Erfolgen voran. Das wurde von den Mitgliedern des Europaausschusses mit breitem Applaus gewürdigt.
Die Ukraine unternehme alles, um Rechtsstaatlichkeit herzustellen und ein attraktives wirtschaftliches Umfeld für Investitionen zu schaffen. Die Verantwortlichen aber für den völkerrechtswidrigen Krieg und die immensen Schäden müssten in Zukunft für ihre Taten vor einem internationalen Tribunal zur Rechenschaft gezogen werden, waren sich beide Seiten einig. (ll/10.06.2024)