Özdemir kündigt „Vollgas“ beim Bürokratieabbau für Landwirte an
Bundesernährungs- und -landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) hat am Mittwoch, 12. Juni 2024, die die Fortschritte in der Agrarpolitik der Bundesregierung hervorgehoben. Man sei weitergekommen als viele dies der Regierung zugetraut hätten, etwa im Blick auf die Tierhaltung, sagte Özdemir in der Regierungsbefragung des Bundestages. Das Bundesprogramm zur Finanzierung des Umbaus sei angelaufen, Förderanträge über deutlich mehr als 100 Millionen Euro lägen bereits vor.
Beim Bürokratieabbau werde jetzt Vollgas gegeben, betonte der Minister. Landwirte kämpften seit vielen Jahren gegen bürokratische Hürden, gegen zahlreiche Dokumentationspflichten und komplizierte Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie die mehrfache Eingabe immer der gleichen Daten an unterschiedlichen Stellen. Landwirte würden künftig auch dann die gekoppelte Förderung erhalten, wenn die Tiere eine oder beide Ohrmarken verloren hätten.
Neues Tierschutzgesetz und Herkunftsbezeichnungen
Mit dem vom Kabinett beschlossenen neuen Tierschutzgesetz werde es vielen Tieren besser gehen, versprach der Minister. Die Bundesregierung setze um, was früher versprochen, aber nicht gehalten worden sei.
Zudem sei die Haltungskennzeichnung bei frischem Schweinefleisch eingeführt worden, man wolle sie auf die Außer-Haus-Verpflegung und bestimmte verarbeitete Produkte ausweiten. Seit Februar gälten in Deutschland die neuen Regeln der Herkunftskennzeichnung. Özdemir sagte, er kämpfe auch in Europa dafür, neue Herkunftsbezeichnungen zu bekommen.
Geywitz: Neue Wohngemeinnützigkeit und einfaches Bauen
Neben dem Agrarminister stellte sich auch die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Klara Geywitz (SPD) den Fragen der Abgeordneten. Sie hob vor allem auf die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit nach 25 Jahren ab. Sie sei ein großer Anreiz für bezahlbares Wohnen und ergänze die Förderung für den sozialen Wohnungsbau. Geywitz sprach von einer deutlichen Steigerung der Förderung von drei bis fünf Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro. Die Mittelaufstockung zeige Wirkung, so die Ministerin, es habe 2023 20 Prozent mehr geförderte Wohneinheiten gegeben. Die Zahlen am Bau zeigten einen stabilen Verlauf.
Man unterstütze die Bauwirtschaft auch durch Bürokratieabbau, wozu auch die Novelle des Hochbaustatistikgesetzes beitrage. Geywitz kündigte zudem an, die Länder bei der Digitalisierung der Genehmigungsverfahren zu unterstützen. Einfacheres Bauen werde durch den neuen Gebäudetyp E ermöglicht und die Städte und Gemeinden dabei unterstützt, sich an den Klimawandel anzupassen. Die Ministerien sprach darüber hinaus die Bewilligung von 500 Millionen Euro zugunsten der Länder an, damit die Kommunen ihre Wärmeplanungen finanzieren könnten.
Bürokratiebelastung und Agrardiesel-Ausstieg
Dr. Gero Clemens Hocker (FDP) erkundigte sich nach dem Bürokratieaufwand für Landwirte und konkret nach dem Erfüllungsaufwand im Zuge des geplanten neuen Tierschutzgesetzes, der mit mehr 100 Millionen Euro beziffert werde. Özdemir sagte, mit dem Gesetz werde eine umfassende Verbesserung des Tierschutzes auf den Weg gebracht und man habe versucht, den Aufwand so gering wie möglich zu halten. Tierschutz gebe es allerdings nicht zum Nulltarif. 900 Millionen Euro betrage der einmalige Aufwand, 106,5 Millionen Euro der jährliche Aufwand. Özdemir betonte die „großzügigen Übergangsfristen“ im Gesetzentwurf.
Das Thema des Abbaus der Agrardiesel-Rückvergütung beschäftigte den Abgeordneten Bernd Schattner (AfD).Der Minister erinnerte daran, dass der Agrardiesel-Ausstieg ein drei Stufen erfolgen soll, hob auf Entlastungen durch Bürokratieabbau ab und auf die Möglichkeit für Landwirte, die zur Erfüllung der EU-Vorgaben für Flächen in einem „guten landwirtschaftlichen ökologischen Zustand“ (GLÖZ-Standard) erforderlichen vier Prozent Brachflächen nicht ausschließlich durch Ackerbrachen und Landschaftselemente zu erbringen.
Steuerentlastung und Risikoausgleichsrücklage
Der CDU-Abgeordnete Albert Stegemann sprach das geplante Jahressteuergesetz der Regierung an, in dem anstatt einem Ausgleich der Landwirte für die Belastung durch die Agrardiesel-Regelung von rund 500 Millionen Euro eine neue Belastung der Landwirte von 95 Millionen Euro finden seien. Özdemir nannte mehrere entlastende Maßnahmen für die Landwirte, darunter die steuerliche Gewinnglättung, das Bürokratie-Entlastungspaket, das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz und die Umsatzsteuer-Pauschalierung an.
Stegemanns Fraktionskollege Dr. Oliver Vogt hakte nach, weshalb von einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage wieder abgesehen werde. Der Minister wies darauf hin, dass dies Ein Vorschlag des Finanzministers mit Finanzierungsvorbehalt gewesen sei. Die Haushaltslage sei bekannt.
Milchbauern und Frauenförderung
Karl Bär (Bündnis 90/Die Grünen) fragte nach der Entlastung für die Milchbauern. Özdemir erwiderte, vorgesehen sei, das Budget für Ökozulagen zu erhöhen.
Dr. Daniela De Ridder (SPD) erkundigte sich nach der Frauenförderung in der Landwirtschaft. 90 Prozent aller Agrarbetriebe würden von Männern geführt. Es bleibe noch viel zu tun, räumte der Minister ein. Landwirtschaft sei keine reine Männersache. 36 Prozent aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft seien weiblich. „Wir sind dabei, dieses Thema anzusprechen bei jeder Gelegenheit“, sagte Özdemir.
Wohneigentumsförderung und Digitalisierung
Nach der Situation in der Bauwirtschaft erkundigte sich der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup bei Bauministerin Geywitz. Sie sagte, der Zinssprung aufgrund des russischen Angriffskrieges habe die Baubranche ins Mark getroffen. Die Regierung steuere dagegen, indem sie die Wohneigentumsförderung für Familien auch auf Bestandsbauten erweitere.
Man werde mehr Bauland mobilisieren, es müsse billiger gebaut werden und „wir brauchen Digitalisierung“. Von den vielen Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bleibe nichts übrig, die Länder riefen die Mittel auch ab. In vielen Ländern gebe es inzwischen auch eine Förderung von Wohnungen für Auszubildende.
14-Punkte-Plan und sozialer Wohnungsbau
Daniel Föst (FDP) ging auf lange Verfahren ein. Die Ministerin erinnerte an den 14-Punkte-Plan von Bundeskanzler Scholz mit den Regierungschefs der Länder vor acht Monaten. Zu den Punkten zählten die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit, Novellen des Baugesetzbuchs und des Raumordnungsgesetzes, die Digitalisierung des Bauantrags. Die Länder würden ihre Baunutzungsverordnungen anpassen, um serielles Bauen zu ermöglichen, und die Stellplatz-Regelung liberalisieren. Ihr Ministerium habe eine Geschäftsstelle für serielles Bauen eingerichtet, sagte Geywitz.
Der Abgeordneten Caren Lay (Gruppe Die Grünen) erläuterte Geywitz die drei Säulen des Wohnungsbaus: den freifinanzierten Wohnungsbau, den sozialen Wohnungsbau und nun als dritte Säule die Wohngemeinnützigkeit. Durch weitere Investitionen könne man wieder einen Stand von drei Millionen Sozialwohnungen erreichen. Lay hatte hier einen Rückgang 2023 von 15.300 Sozialwohnungen beklagt.
Klimaneutralität und Lebenszyklusanalyse
Die Nachbesserung der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes vom vergangenen Jahr („Heizungsgesetz“) nahm der CDU-Abgeordneten Dr. Jan-Marco Luczak zum Anlass, nach geplanten Nachbesserungen zu fragen. Die Ministerin betonte, man gehe hin zu einer Ökobilanzierung. Deutschland wolle bis 2045 klimaneutral sein. Das sei nur zu schaffen, wenn nicht mehr mit Öl oder Gas geheizt werde.
„Diese Transformation stellt uns vor große Herausforderungen“, räumte die Ministerin ein. Die Regierung schaffe die Grundlagen für eine Lebenszyklusanalyse. Dabei fokussiere man sich nicht nur auf Heizungen, sondern auch auf Baumaterialien. Im Ministerium sei man „technologie- und materialoffen“. Das Gebäudeenergiegesetz werde von unterschiedlichen Regierungen weiterentwickelt werden.
Ökobilanzierung und Wärmeplanung
Nach Fortschritten bei den Ökobilanzierungen erkundigte sich Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/Die Grünen). Die Ministerin sagte, die Vorarbeiten für einen Gebäude-Ressourcenpass seien im Gange.
Carolin Bachmann (AfD) sagte, die kommunalen Spitzenverbände forderten zwei Milliarden Euro für die Wärmeplanungen der Kommunen, die Regierung stelle den Ländern nur 500 Millionen Euro zur Verfügung. Geywitz betonte, die 500 Millionen Euro beträfen nur das Erstellen der Wärmepläne. Für Investitionen gebe es Mittel aus dem Ministerium von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck. (vom/12.06.2024)