Aktuelle Stunde

Disput über Betrugs­vor­würfe bei Klima­schutz­projekten in China

Bei einer von der AfD-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde mit dem Titel „Deutsche Autofahrer schützen - Mutmaßlichen Klimabetrug in China beenden“ am Freitag, 14. Juni 2024, haben AfD und Union dem Bundesumweltamt (UBA) und dem zuständigen Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) vorgeworfen, zu spät auf Betrugsvorwürfe im Zusammenhang mit vorgetäuschten UER-Klimaschutzprojekten in China reagiert zu haben. Dadurch sei ein Milliardenschaden entstanden, hieß es. 

Die Ampelfraktionen wiesen den Vorwurf zurück und attestierten dem UBA sowie dem BMUV eine angemessene Reaktion auf die Vorwürfe. Klar sei, dass diese nun vollständig aufgeklärt werden müssten. Mit Upstream-Emissions-Reduktions-Projekten (UER) haben Ölkonzerne seit 2018 die Möglichkeit, die gesetzlichen Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu erreichen. Die meisten dieser Projekte zielen darauf, den CO2-Ausstoß bei der Ölförderung zu reduzieren, indem dabei anfallende Begleitgase nicht mehr abgefackelt, sondern durch Umbau der Anlage anderweitig genutzt werden. Für die so eingesparten Emissionen erhalten die Unternehmen UER-Zertifikate, die sie einsetzen können, um die im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) festgeschriebene Treibhausminderungsquote (THG-Quote) zu erfüllen. Bei der Zertifizierung setzt das UBA auf unabhängige Zertifizierer und Validierer vor Ort, von denen offenbar einige in den Betrug involviert sind. 

AfD: Umweltministerium hat nicht reagiert

Der Korruption und dem Betrug sei Tür und Tor geöffnet, weil die Bundesregierung – ebenso wie ihre Vorgängerregierung – laut Karsten Hilse (AfD) „wohlklingende Projekte zur Bekämpfung der vermeintlichen Klimakatastrophe großzügig finanziert“, ohne sich dafür zu interessieren, ob das Geld auch tatsächlich dafür verwendet werde. Deutsche Autofahrer hätten mit Abgaben beim Tanken Klimaprojekte im Ausland finanziert, die größtenteils gar nicht existierten, so Hilse, der von einem Gesamtschaden in Höhe von 4,5 Milliarden Euro sprach. 

Der eigentliche Skandal sei aber, dass schon im September 2023 im Bundesumweltministerium der Betrug bekannt gewesen sei. „Vorsätzlich, aber mindestens grob fahrlässig, wurde nicht reagiert, so dass der Betrug bis vor einigen Tagen weiterlaufen konnte“, sagte der AfD-Abgeordnete. 

SPD befürchtet massiven Vertrauensverlust

Sollte sich der Betrugsverdacht bestätigen, so Daniel Rinkert (SPD), sei es das Klima, was den größten Schaden davontrage. Eingeplante Projekte zur Emissionsminderung hätten dann keinen Nutzen erbracht. „Das heißt, es gibt faktisch weniger Klimaschutz aufgrund von großer Wirtschaftskriminalität“, sagte Rinkert. Verbunden damit sei ein massiver Vertrauensverlust in das System der THG-Quote. Daher brauche es weiterhin eine konsequente Aufklärung der Vorwürfe. Das UBA und das BMUV arbeiteten schon seit Monaten mit großem Einsatz daran, betonte der SPD-Abgeordnete. 

Von einem Milliardenschaden könne gleichwohl nicht die Rede sein, so Rinkert. Die 4,5 Milliarden Euro seien eine fiktive Zahl, die von der Biokraftstoffbranche verbreitet worden sei. Auch sei kein Schaden für die Steuerzahler entstanden. Dies würde jedoch passieren, wenn die Bundesregierung der Unionsforderung nach einem sofortigen Stopp aller Projekte folgen würde. 

Union fordert, Konsequenzen zu ziehen

Christian Hirte (CDU/CSU) sah das anders und warf Rinkert vor, die Dramatik des Ganzen nicht erkannt zu haben. Die Milliardenverluste der Biokraftstoffbranche seien durch „dramatisch zerfallene Quotenpreise“ erklärbar. Auch was die Reaktion im UBA und im Ministerium angeht, war Hirte anderer Auffassung als sein Vorredner. Es sei eben im Jahr 2023 trotz der Informationen chinesischer Hinweisgeber nicht hinreichend reagiert worden. Das UBA sei erst nach der medialen Berichterstattung aktiv geworden, so Hirte.

Als einen dritten Skandal bewertete er, dass trotz des „dreisten Betrugs“ immer noch keine Konsequenzen gezogen würden, „um den Schaden für das Klima zu korrigieren“. Es gebe die Möglichkeit, begünstigende Verwaltungsakte zurückzunehmen, sagte der Unionsabgeordnete. Das BMUV sei in der Pflicht zu handeln, „weil am Ende viel auf dem Spiel steht“. 

Grüne: Strafanzeige sei bereits gestellt

Tessa Ganserer (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte daran, dass die UER-Projekte unter der unionsgeführten Bundesregierung im Jahr 2018 eingeführt worden seien. Wer also im Glashaus sitze, „sollte nicht mit Steinen schmeißen“, sagte Ganserer an die Union gewandt. Den Vorwurf, dass monatelang im Ministerium nichts geschehen sei, wies die Grünenabgeordnete zurück. Schon im Februar habe das Ministerium einen Verordnungsentwurf auf den Weg gebracht, um die von der Vorgängerregierung vererbten fehlerhaften Systeme konsequent zum Ende des Jahres zu beenden.

Gleichzeitig müsse aber auch jedem Betrugsvorwurf konsequent nachgegangen werden, sagte Ganserer. Im UBA sei dafür eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet worden. Im Mai sei zudem Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt worden. 

FDP verweist auf rechtskräftige Genehmigungen 

Judith Skudelny (FDP) erinnerte ebenfalls daran, dass die Anrechnung seit 2018 möglich sei. Der vermutete systematische Betrug bei den UER-Projekten werde durch mehrere Faktoren begünstig, sagte sie. Zum einen dadurch, dass in Europa und Deutschland aufgrund der ambitionierten Klimaziele viel Geld in die Hand genommen werde, um diese zu erreichen. UER-Projekten wiederum fänden dort statt, wo Öl gefördert werde, was die Kontrolle schwierig mache. Zudem müssten die Förderstandards unterdurchschnittlich sein, damit diese zusätzlichen Maßnahmen mehr Klimaschutz bringen. „Diese Bedingungen werden im Wesentlichen in China vorgefunden“, sagte Skudelny. 

Die FDP-Abgeordnete ging auch auf die Reaktion der Bundesregierung ein. Da Deutschland ein Rechtsstaat sei, dürfe allein auf Vermutungen und Verdachtsmomenten hin keine rechtskräftige Genehmigung entzogen werden, sagte sie. (hau/14.06.2024)

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