Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg gefordert
Die CDU/CSU-Fraktion will die Umstände des Atomausstiegs in einem Untersuchungsausschuss aufklären. Die Abgeordneten haben daher einen Antrag zur „Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses der 20. Wahlperiode“ (20/11731) eingebracht, der am Freitag, 14. Juni 2024, erstmals beraten und im Anschluss der Aussprache an den federführenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur weiteren Beratung überwiesen wurde.
CDU/CSU: Verdacht auf Täuschung der Öffentlichkeit
In der Debatte bezeichnete Patrick Schnieder (CDU/CSU) den Untersuchungsausschuss als nötig. „Es steht nach wie vor der Verdacht im Raum, dass Bundestag und Öffentlichkeit getäuscht wurden.“ Schnieder fragte, ob eine Laufzeitverlängerung ergebnisoffen geprüft worden sei oder ob grüne Ideologie die Entscheidung geprägt habe. „Es geht um Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Habeck“, sagte Schnieder an die Adresse des Bundeswirtschaftsministers. Bis heute gebe es keine zufriedenstellenden Antworten auf die gestellten Fragen.
Deshalb müsse die Union „mit dem schärfsten Schwert der Opposition“ und mit den Mitteln der Strafprozessordnung in einem Untersuchungsausschuss Aufklärung betreiben. „Unsere Anträge halten sich an Recht und Gesetz. Tun Sie es auch“, appellierte Schnieder vor dem Hintergrund, dass die Koalition die Einsetzung des Cum-Ex-Untersuchungsausschusses abgelehnt hatte, obwohl die Union das notwendige Quorum erreicht hatte.
SPD: Brennelemente waren verbraucht
Dr. Nina Scheer (SPD) sagte, es sei das gute Recht eines Viertels des Bundestages, einen solchen Ausschuss einsetzen zu lassen. Und an das Recht „halten wir uns natürlich“. Es sei aber auch wichtig, dass das scharfe Schwert dort eingesetzt werde, wo Missstände zu vermuten seien.
Hier hatte Scheer aber in der Sache in Zweifel, ob die die Union ihren Antrag gut begründet habe. Sie wies darauf hin, dass die Atomkraftwerke mit den vorhandenen Brennelementen nur noch für begrenzte Zeit nutzbar gewesen wären und dass keine rechtzeitige Beschaffung von neuen Brennelementen möglich gewesen wäre. Eine Weiternutzung wäre überhaupt nicht möglich gewesen.
AfD wirft Regierung Trickserei vor
Dr. Rainer Kraft (AfD) warf Umwelt- und Wirtschaftsministerium Trickserei vor.
Die Koalition habe mit der Atomkraft einen der größten energiepolitischen Schätze Deutschlands vernichtet, weil sie ihn habe vernichten wollen.
Grüne kritisieren Antrag als dünn
Dr. Irene Mihalic (Bündnis 90/Die Grünen) reagierte mit Spott auf die Vorwürfe der Opposition. Die in der Presse dargestellten Vorgänge hätten ergeben, dass die Grünen für den Atomausstieg seien. Aber „Atomkraft nein danke“ sei Teil der grünen DNA. Die Grünen hätten sich über Jahrzehnte für den Ausstieg aus dieser Hochrisikotechnologie eingesetzt, aber nicht aus ideologischen, sondern aus sachlichen Gründen.
Mihalic sagte zum Antrag der Union, wer sich den Antrag ansehe, müsse feststellen: „Die Suppe ist reichlich dünn.“ Der Untersuchungsausschuss als schärfstes Schwert „eignet sich nicht zum Schmieren ganz kleiner Brötchen“, warnte Mihalic.
FDP warnt vor Vorverurteilungen
Stephan Thomae (FDP) warnte vor Vorverurteilungen. Die Koalition werde dem Untersuchungsausschuss zustimmen, wenn die inhaltlichen und formellen Voraussetzungen gegeben seien. Das werde jetzt im Ausschuss untersucht.
Ralph Lenkert (Gruppe Die Linke) lehnte den Ausschuss ab und erklärte, es gebe wichtigere Themen.
Antrag der Unionsfraktion
Dem Untersuchungsausschuss sollen 14 ordentliche Mitglieder (SPD- und CDU/CSU-Fraktion je vier Mitglieder, Bündnis 90/Die Grünen und FDP-Fraktion je zwei Mitglieder, AfD-Fraktion und Gruppe Die Linke je ein Mitglied und eine entsprechende Anzahl von stellvertretenden Mitgliedern angehören. Der Ausschuss soll sich ein umfassendes Gesamtbild verschaffen von den Entscheidungsprozessen in der Bundesregierung zur Anpassung der Energieversorgung Deutschlands, der die Energieversorgung betreffenden Regelsetzung, vor allem der Gesetzgebung, und der Energiepolitik an die nach dem Kriegsausbruch gegen die Ukraine veränderte Lage. Dabei solle es auch um die in die Entscheidungsprozesse eingeflossenen Informationen, die Überlegungen und Zielsetzungen und die Kommunikation gegenüber Parlament und Öffentlichkeit gehen.
Der Untersuchungsausschuss soll nach dem Willen der Fraktion vor allem klären, ob und gegebenenfalls welche Informationen über die Energieversorgung und ihre Entwicklung sowie die nukleare Sicherheit verfügbar waren und in die Entscheidungsprozesse einbezogen wurden sowie welche Informationen dazu „bei sachgerechtem Vorgehen“ hätten verfügbar gemacht und einbezogen werden können und aus welchen Gründen dies gegebenenfalls geschah oder unterblieb.
Behörden, Gremien und Organisationen auf dem Prüfstand
Geklärt werden solle ferner, ob und gegebenenfalls welche mit Fragen der Energieversorgung und der nuklearen Sicherheit befassten deutschen Behörden, Forschungseinrichtungen, Sachverständigenorganisationen, Expertengremien, Verbände oder Unternehmen mit einer oder mehreren obersten Bundesbehörden in den Entscheidungsprozessen in Kontakt standen oder beteiligt wurden. Welche mit Fragen der Energieversorgung und der nuklearen Sicherheit befassten deutschen Behörden, Forschungseinrichtungen, Sachverständigenorganisationen, Expertengremien, Verbände oder Unternehmen „bei sachgerechtem Vorgehen“ hätten kontaktiert oder beteiligt werden können und aus welchen Gründen dies gegebenenfalls geschah oder unterblieb, ist für die Fraktion ebenfalls von Interesse.
Darüber hinaus solle untersucht werden, ob und gegebenenfalls welche mit Fragen der Energieversorgung und der nuklearen Sicherheit befassten Stellen von Nachbarstaaten sowie europäischen oder internationalen Einrichtungen oder Organisationen von einer oder mehreren obersten Bundesbehörden in den Entscheidungsprozessen in Kontakt standen oder beteiligt wurden. Welche mit Fragen der Energieversorgung und der nuklearen Sicherheit befassten europäischen oder internationalen Einrichtungen oder Organisationen „bei sachgerechtem Vorgehen“ hätten kontaktiert oder beteiligt werden können und aus welchen Gründen dies gegebenenfalls geschah oder unterblieb, wollen die Abgeordneten herausfinden.
Information des Parlaments und der Öffentlichkeit
Ob der Bundestag und die Öffentlichkeit zu Ablauf, Grundlage und Ergebnis der Entscheidungsprozesse und zu den getroffenen Entscheidungen umfassend, zeitnah, sachgerecht und zutreffend informiert wurden, solle ein weiterer Untersuchungsgegenstand sein.
Geklärt werden solle ebenso, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage die von Bundesminister Habeck mit Blick auf die seinerzeit nach Kriegsbeginn diskutierte, mögliche Verlängerung der Laufzeit der Kernkraftwerke der Öffentlichkeit am 27. Februar 2022 zugesagte „ergebnisoffene Prüfung“ beziehungsweise die am 1. März 2022 angekündigte Prüfung, bei der es „keine Tabus“ gebe, stattgefunden hat. Der Untersuchungsausschuss solle zudem prüfen, ob und in welchem tatsächlichen Umfang die Art und Weise der Aktenführung und Entscheidungsdokumentation in den beteiligten Ressorts und Bundesbehörden die verfassungsmäßig vorgesehene parlamentarische Kontrolle von exekutiven Entscheidungen ermöglicht oder erschwert und welche Änderungen oder Ergänzungen von bestehenden Vorschriften deshalb „sachgerecht und geboten sind“. (hle/hau/vom/14.06.2024)