Parlament

Unterstützung für den Re­form- und Integrationskurs in der Republik Moldau

Vier Frauen und ein Mann stehen nebeneinander vor der EU- und der deutschen Flagge.

Abgeordnete aus Moldau zu Gast im Bundestag: von links Ina Coșeru, Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt, Delegationsleiterin Mariana Lucreteanu, Bernhard Herrmann, Vorsitzender der Parlamentariergruppe Bulgarien, Moldau, Rumänien, Natalia Davidovici. (© DBT/Photothek/Thomas Köhler)

„Wir haben euch nicht vergessen und nehmen eure Bemühungen ernst, euer Land in der europäischen Wertegemeinschaft zu verankern und in die EU zu führen.“ Vor allem dieses Signal an die Menschen in Moldau sollte vom Arbeitsbesuch einer Delegation der Moldauisch-Deutschen Parlamentariergruppe des Parlaments der Republik Moldau im Deutschen Bundestag vom 13. bis 17. Mai 2024 ausgehen. Die Abgeordneten aus der moldauischen Hauptstadt Chişinău folgten einer Einladung der Parlamentariergruppe Bulgarien, Moldau, Rumänien im Bundestag, die sich die Pflege der parlamentarischen Beziehungen zu den drei osteuropäischen Ländern auf die Fahnen geschrieben hat.

Parlamentarische Zusammenarbeit für Osteuropa essenziell“

Parlamentarische Zusammenarbeit ist wichtig für den Zusammenhalt Europas“, sagt Bernhard Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender der Parlamentariergruppe Bulgarien, Moldau, Rumänien. Für die Länder Osteuropas, die wie die Republik Moldau noch nicht Mitglied der Europäischen Union sind, sei diese sogar „essenziell“.

Es gehe darum, den Menschen dort, die im wahrsten Sinne des Wortes am Rand Europas lebten, zwischen dem Kriegsgeschehen in der Ukraine auf der einen Seite und der Hoffnung auf Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wohlstand auf der anderen Seite, zu vermitteln: „Wir bauen Europa weiter mit euch und lassen euch nicht zurück.“

Moldau, heute eine parlamentarische Demokratie, habe in den letzten Jahren beträchtliche Fortschritte gemacht auf dem Weg der Stabilität, hin zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, stellt Herrmann fest. „Regierung und Bevölkerung sind klar reformorientiert und teilen unsere Werte.“ Justizreformen und Korruptionsbekämpfung gehörten ebenso zu den Prioritäten der Regierung wie die Annäherung an die EU.

Russische Störmanöver, ungeklärte Transnistrien-Frage

Allerdings sei das Erreichte durch „Störmanöver Russlands“ ständig gefährdet. So stehe die Republik Moldau traditionell unter politischer Einflussnahme Moskaus, ja einer „alltäglichen Desinformation“. Durch den russischen Angriffskrieg habe das Land zudem mit der Ukraine einen wichtigen Energielieferanten verloren. Auch nach der Anbindung an das europäische Stromnetz bestehe eine gefährliche Abhängigkeit von russischen Energielieferungen.

Mangelnde Klarheit in der Unterstützung auf westlicher Seite trage ein Übriges dazu bei, die Menschen zu frustrieren und das Land vom EU-Kurs abzubringen. Auch der Status von Transnistrien sei in dieser Hinsicht zu beachten, gibt Herrmann zu bedenken. Die Republik Moldau sei derzeit bemüht, die Situation um den Landesteil nicht zuzuspitzen.

„Moldau braucht Signale der Unterstützung aus Europa“

Man dürfe nicht riskieren, dass bei den in dem Land für Herbst geplanten Präsidentschaftswahlen und einem Referendum sowie bei den für kommendes Jahr angesetzten Parlamentswahlen reformfeindliche Parteien Zulauf gewinnen, mahnt Osteuropa-Kenner Herrmann. Moldau brauche daher heute nötiger denn je jegliches Signal der Unterstützung sowie eine klare EU-Perspektive und eine möglichst konkrete Wegbeschreibung in die EU seitens Brüssels. Seit Sommer 2022 hat Moldau den EU-Kandidatenstatus. Ende 2023 hat der Europäische Rat beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit Moldau zu eröffnen.

Die Menschen ziehen ihre Schlüsse daraus, ob Europa sie ernst nimmt.“ Sie hielten es mit dem Motto des polnischen Publizisten Basil Kerski: „Interessiert euch für uns“. Als Ostdeutschem sei ihm das Lebensgefühl der Osteuropäer vertraut und er verstehe deren Bedürfnisse, sagt der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Chemnitzer Umland/Erzgebirgskreis II. Unterlasse man diese Anerkennung und Unterstützung, verpasse die Europäische Union die große Chance auf ein stabiles, geeintes Europa in dieser strategisch wichtigen Region. Unzureichende Wahrnehmung werde hier mehr als anderswo von den Menschen als Ablehnung empfunden und von an Spaltung interessierten Kräften gezielt verstärkt.

Lasse man durch Nichtstun eine krisenhafte Entwicklung zu, drohe Europa ein Land, wenn nicht gar eine Region, zu verlieren und setze damit das Integrationsprojekt insgesamt aufs Spiel, unterstreicht Herrmann die „entscheidende Bedeutung“ des Landes für den Zusammenhalt des Kontinents und den Erhalt seiner Werte. Zumal in Zeiten höchster geopolitischer Anspannung gelte es für Europa zusammenzustehen. „Wenn wir den Moldauern nicht als Europäer die Hand reichen, dann würden wir nicht nur die Moldauer vor den Kopf stoßen, sondern es wäre ein Zeichen, dass Europa, die Idee von Europa und die EU bröckeln.“

Deutsche Hilfe seit der Staatsgründung

Die Region aus Bulgarien, Moldau und Rumänien habe seit dem Zusammenbruch des sowjetischen Systems mittlerweile eine robuste politische Stabilität erreicht und große wirtschaftliche Fortschritte erzielt, sagt der Grünen-Politiker. Bei den Reformen und Fragen der EU-Annäherung sei Deutschland seit der völkerrechtlichen Anerkennung der Republik Moldau 1992 einer der wichtigsten Partner dieses Landes. Das treffe auch auf den Außenhandel und Direktinvestitionen zu. Im Rahmen der bilateralen Entwicklungshilfe seien im Zeitraum zwischen 1993 und 2023 332,9 Millionen Euro geflossen.

Zwischen der Republik Moldau und der EU besteht ein Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone. Weitere Liberalisierungen sollen die russischen Handelsrestriktionen abmildern. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung habe ein Programm zur Resilienzstärkung Moldaus aufgelegt. 

„Reform- und Integrationsprozess unterstützen“

Auch im Verteidigungssektor und in den Bereichen Grenzüberwachung und Grenzkontrolle unterstützt Deutschland die Republik Moldau, so das Auswärtige Amt. Deutschland habe außerdem mit Frankreich und Rumänien im April 2022 die Moldau-Unterstützungsplattform initiiert. Und schließlich sei die Republik Moldau als Nachbarland bereits seit Langem Teil der sogenannten „Östlichen Partnerschaft“ der EU.

Wir müssen den Reform- und Integrationsprozess der Länder Osteuropas unterstützen, indem wir die Verbindungen zu ihnen jetzt weiter stärken und wahrnehmbare Signale der Unterstützung senden“, so der Vorsitzende der Parlamentariergruppe Bulgarien, Moldau, Rumänien. Genau da setzten, in Ergänzung zur Zusammenarbeit auf Regierungsebene, die Arbeit der Parlamentariergruppe und der parlamentarische Austausch an.

Parlamentariergruppe stärkt Beziehungen zur Republik Moldau

Die Parlamentariergruppe nehme Moldau als das kleinste der osteuropäischen Länder besonders in den Fokus. Im vergangenen Jahr habe man das durch eine Reise in dieses Land unterstrichen und die Moldauer zum jetzigen Gegenbesuch eingeladen. Auch auf Verwaltungsebene habe es einen Austausch gegeben, moldauische Beamte seien in Berlin gewesen. Ein stärkeres Zeichen wünscht sich Herrmann dagegen noch aus der Zivilgesellschaft in Deutschland.

Das europäische Ausland müsse zeigen, dass es die Republik Moldau wahrnimmt. Die Moldauer hätten ihrerseits bereits klar zum Ausdruck gebracht, dass sie sich in Richtung Europa und seiner Werte entwickeln. Das Land komme historisch „aus einer schwierigen Situation“, so Herrmann. Sehr eindrücklich hätten die moldauischen Gesprächspartner nun vermittelt, wie wichtig ihnen Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Meinungs- und Pressefreiheit seien.

Der Regierung in Chişinău gehe es jetzt darum, die eigene Bevölkerung vom eingeschlagenen Weg in Richtung EU zu überzeugen, die unter den schwierigen Bedingungen erreichten Erfolge zu erklären und die neuen demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien zu stabilisieren. Hinzu komme der Kampf gegen die „tief verwurzelte Korruption“. „Das ist und bleibt ein beschwerlicher Prozess. Das zu verstehen, Erfolge wertzuschätzen, kann Teil unserer dazu nötigen Unterstützung sein.“

Beeindruckt von Bundestag und Bundesrat

Bei ihrem Besuch in Deutschland habe die Parlamentarierdelegation aus der Republik Moldau überzeugend für ihre Sache geworben, erzählt Herrmann. Sie seien mit dem doppelten Ziel angereist, Interesse zu wecken und durch den Austausch zu lernen. Zu den Programmpunkten der Delegation aus der Republik Moldau gehörte, Institutionen, Instrumente und Verfahren des politischen Systems hierzulande aus eigener Anschauung kennenzulernen, insbesondere den Deutschen Bundestag und den Bundesrat.

Die Gäste aus einem Land mit noch junger demokratischer Tradition hätten sich vom deutschen Parlament beeindruckt gezeigt. Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner waren Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) sowie Mitglieder der Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Außerdem hätten die moldauischen Abgeordneten den Bundesrat sowie die Ausschüsse für Inneres und Heimat, Auswärtiges und Angelegenheiten der Europäischen Union besucht.

Auf dem Weg in die EU, mit ganzem Herzen“

Für die Parlamentariergruppe ende die Arbeit mit der Einladung und Durchführung des Besuchsprogramms nicht, stellt Herrmann klar. Die Mitglieder der Gruppe unterhielten vielfältige Kontakte zu dem osteuropäischen Land, es gebe Termine rund ums Jahr, zu allen relevanten Themen. Man werde weiter daran arbeiten, die Beziehung zu den Menschen im Land zu intensivieren, um den Moldauern Sicherheit und Zuversicht zu geben.

Die Menschen in Moldau sind auf dem Weg in die EU, mit ganzem Herzen“, so Herrmann. „Sie schauen dorthin, mit Hoffnungen. Deutschland sollte sie nicht enttäuschen, sondern deutlich signalisieren, dass es an ihrer Seite steht. Die Moldauerinnen und Moldauer sagen Ja zu unseren Werten und zu unserer Gemeinschaft. Wir müssen ihnen weiter entgegengehen.“ (ll/03.06.2024)