Zeit:
Mittwoch, 5. Juni 2024,
11
bis 13 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E 700
Bei einer Anhörung des Umweltausschusses, wie mögliche Verzögerungen bei der Suche nach einem Atommüll-Endlager zu vermeiden sind, kam es zu einem sachlichen Austausch von Argumenten durch die Sachverständigen. Gegenstand der Anhörung am Mittwoch, 5. Juni 2024, war ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Endlagersuche beschleunigen – Akzeptanz sichern“ (20/5217).
Darin beziehen sich die Abgeordneten auf ein Papier der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), demzufolge sich die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll unter Umständen bis ins Jahr 2068 hinziehen könnte, und fordern von der Bundesregierung Maßnahmen zur Beschleunigung von Verfahren sowie die Prüfung von Techniken zur Verringerung der einzulagernden Menge. Im geltenden Gesetz zur Endlagersuche ist eigentlich ein Zeitrahmen bis 2031 vorgesehen.
Zügige, aber ausdiskutierte Entscheidungen
Die Endlagersuche ist derzeit in Phase I, in der auf einer „weißen Landkarte“ von Deutschland flächendeckend geprüft wird, welche Gegend sich geologisch eignen könnte. Vorgesehen ist, dass daraus bis 2027 etwa acht Bereiche hervorgehen, die in Phase II und III eingehender geprüft werden sollen.
Dr. Klaus Nutzenberger vom Deutschen Städte- und Gemeindebund als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände betonte das Interesse der Kommunalpolitiker an zügigen, aber auch ausdiskutierten Entscheidungen. Denn je enger sich das Netz für mögliche Standorte ziehe, „desto mehr Probleme werden wir mit der Umsetzung vor Ort haben“, sagte Nutzenberger mit Blick auf die betroffene Bevölkerung. Keinesfalls wollten die Kommunen schnelle Entscheidungen, die dann wieder zurückgenommen werden.
Verfahrensbeschleunigung erst in Phase III
Andreas Sikorski vom Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz wies auf die besondere Betroffenheit seines Landes hin, in dem nicht nur das ursprünglich für ein Endlager vorgesehene Gorleben liegt, sondern bundesweit auch die meisten Zwischenlager.
Eine Möglichkeit zur Verfahrensbeschleunigung sehe er in Phase I nicht, sagte Sikorski. Denn die vorhandenen Daten reichten noch nicht aus, um die Suchgebiete einzugrenzen. Mehrere andere Sachverständige stimmten ihm hierin zu. 2027 werde man Informationen haben, wie sich das weitere Verfahren beschleunigen lässt. Potenzial hierzu sehe er insbesondere in Phase III.
Bundestag soll „Richtung vorgeben“
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Röhlig von der Technischen Universität Clausthal warnte vor dem Risiko, dass ein Suchverfahren, das zu lange dauert, am Ende ganz scheitern könnte. Gleichzeitig müsse aber auch der Eindruck politischer Einflussnahme auf eine wissenschaftliche Diskussion vermieden werden. Ein solcher Eindruck hatte letztlich zum Scheitern des Projekts Gorleben geführt. Allerdings, so Röhlig, stehe es dem Bundestag durchaus zu, die „Richtung vorzugeben“. Das Verfahren sei ein „wissenschaftsbasiertes, aber nicht wissenschaftsgeleitetes“.
Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Einzelsachverständige Michael Sailer, der die BGE berät, begrüßte ausdrücklich den Antrag der Unionsfraktion. Der Bundestag müsse nochmals deutlich machen, dass es ihm um eine „starke Einengung“ des Suchgebiets geht. „Wir brauchen vom Auftraggeber eine klare Aussage dazu“, betonte Sailer. Egal wie die Standortentscheidung am Ende falle, es werde der dortigen Bevölkerung nicht gefallen, „aber wir brauchen ein Endlager“.
Dr. Tim Vietor von der Schweizer Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) berichtete, dass sein Land für die laufende Endlagersuche nur zwanzig Jahre benötige. Gründe seien unter anderem, dass die Zeitplanung beim Bund zentralisiert sei, alle Verfahrensbeteiligten eng zusammenarbeiteten und manche Schritte parallel erfolgten. „Die Lösung liegt nicht so sehr im Theoretisieren, sondern im Tun“, sagte Vietor.
Zwischenlager nicht aus den Augen verlieren
Elisa F. Akansu als Vertreterin der Gruppe der unter 35-Jährigen im Planungsteam Forum Endlagersuche (PFE) wies darauf hin, dass sich heute im Gegensatz zur vorangegangenen Generation nur wenige junge Menschen für die Endlagersuche interessierten. Es gehe aber um den richtigen Umgang mit einem gefährlichen Erbe auch für künftige Generationen. Die Endlagersuche müsse beschleunigt werden, „soweit es nicht zu Lasten der Sicherheit“ gehe.
Arnjo Sittig als Vertreter der jungen Generation im Nationalen Begleitgremium (NBG) pflichtete ihr bei. Die BGE habe mit ihrem gestreckten Zeitplan „im NBG Vertrauen gebrochen“. Sittig wünschte sich vom Bundestag, schon jetzt und nicht erst in der nächsten Legislaturperiode die Diskussion über das weitere Vorgehen im Phase II und III zu führen. Sowohl Akansu als auch Sittig plädierten dafür, die Zwischenlager nicht aus den Augen zu verlieren. Selbst bei eingehaltenem Zeitplan für die Endlagersuche würden diese noch Jahrzehnte benötigt und bei einer Verzögerung erst recht. Es gelte auch eine Verlängerung der Zwischenlagerung gesetzlich abzusichern.
Unterstützung erhielten sie in dieser Forderung von Ursula Schönberger vom Fachportal Atommüllreport. „Dringender Handlungsbedarf“ bestehe zudem bei der Lagerung schwach- und mittelaktiver Abfälle. Seit 2015 sei klar, dass der dafür vorgesehene Schacht Konrad in Niedersachsen nicht geeignet ist. Schönberger forderte, auch für diese Abfälle ein Standort-Auswahl-Verfahren gesetzlich vorzuschreiben.
„Kein Müll, sondern Wertstoff“
Der von der AfD benannte Einzelsachverständige Dr.-Ing. Klaus-Dieter Humpich forderte, abgebrannte Brennstäbe von Atomkraftwerken zur Wiederaufarbeitung ins Ausland zu geben. Mit der in ihnen gespeicherten Energie ließe sich noch viel Strom erzeugen und Verbrennung von Öl oder Kohle vermeiden. Sie seien „kein Müll, sondern Wertstoff“. Sie zu verbuddeln, verstoße „gegen jede Nachhaltigkeit“.
Humpich führte außerdem aus, warum aus seiner Sicht Salzstöcke besser als andere geologische Formationen für die Endlagerung geeignet sind. Wenn man die Politik beiseite lasse und rein wissenschaftlich entscheide, könne man die Endlagersuche schnell beenden, indem man Gorleben als „besterforschtes Projekt der Welt“ auswähle.
Partitionierung und Transmutation
In einem Punkt des Antrags der Unionsfraktion goss Dr. Friederike Frieß von der Universität für Bodenkultur Wien Wasser in den Wein. Darin fordern die Abgeordneten Forschungsförderung im Bereich der Partitionierung und Transmutation (P&T), um mit diesen Verfahren die Menge des hochradioaktiven Abfalls deutlich zu verringern.
Frieß wies darauf hin, dass bei diesen Verfahren noch viele Jahrzehnte der Forschung nötig seien und sich noch nicht absehen lasse, ob eine großtechnische Umsetzung von P&T überhaupt jemals möglich sein wird. Und selbst wenn, helfe es nur bedingt, weil es dann mehr schwach- und mittelradioaktiven Abfall gebe, der ebenfalls endgelagert werden müsse.
Gefahr für Wärmewende
Aus einem besonderen Grund warnte Gregor Dilger vom Bundesverband Geothermie vor Verzögerungen bei der Standortauswahl. Denn diese könnten wegen möglicher Konflikte zwischen Endlagerung und Nutzung der Erdwärme die Wärmewende bis 2045 gefährden.
Dilger äußerte deshalb drei Bitten an die Politik: Das Auswahlverfahren schnell voranzutreiben, bei der Standortprüfung Tiefen bis 400 Meter auszunehmen sowie klarzustellen, dass Standorte unter Wohngebieten nicht für die Endlagerung in Frage kommen. Außerdem äußerte er den Wunsch, die Daten aus der Endlagersuche auch für geothermische Informationssysteme zur Verfügung zu stellen. (pst/05.06.2024)