Programm „Engagierte Stadt“ vernetzt kommunale Akteure
Zeit:
Mittwoch, 15. Mai 2024,
16.30
bis 18.30 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.800
Bürgerschaftliches Engagement lässt sich am besten durch Vernetzung aller Akteure vor Ort stärken und das Programm „Engagierte Stadt“ sei dafür ein gelungenes Beispiel, waren sich die Sachverständigen im Fachgespräch des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ am Mittwoch, 15. Mai 2024, zum Thema „Engagierte Stadt“ einig. Die Politik solle das Projekt in den laufenden Haushaltsverhandlungen berücksichtigen.
Engagement auf kommunaler Ebene
80 Prozent des Engagements findet auf kommunaler Ebene statt, sagte Andreas Grau, Senior Expert beim Zentrum für Nachhaltige Kommunen der Bertelsmann Stiftung, der das Netzwerkprogramm „Engagierte Stadt“ vorstellte, das seit 2015 den Aufbau und die Weiterentwicklung von nachhaltigen Engagementstrukturen in ausgewählten Städten und Gemeinden fördert. Grau: „Auf dieser Ebene müssen wir ansetzen, wenn wir das Bürgerschaftliche Engagement stärken wollen.“
In einer „Engagierten Stadt“ schließen sich „Akteurinnen und Akteure aus Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichberechtigt zu einem informellen und kooperativen Netzwerk zusammen“, erklärte Grau. Von einem isolierten Engagement Einzelner gelte es „zu einer Verantwortungsgemeinschaft vor Ort“ zu kommen, die gemeinsam Lösungen für lokale und regionale Zukunftsfragen entwickelt.
Ziel sei es, eine lebenswertere und krisenfestere Stadt und Region für alle zu schaffen. Mit dem bundesweiten Programm, an dem mittlerweile über 100 Städte teilnehmen, stifte man nachhaltigen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die teilnehmenden Kommunen trügen dazu bei, dass sich mehr Menschen engagieren, und unterstützten engagierte Menschen und gemeinnützige Organisationen besser.
Engagement als eine große Stärke Deutschlands
Was für eine Vielfalt an Akteuren das Programm „Engagierte Stadt“ antreibt, veranschaulichte Dr. Lilian Schwalb vom Programmbüro Engagierte Stadt beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Das reiche von den Koordinatorinnen und Koordinatoren, die die Kräfte bündeln, über die Engagierten selbst, die sich unentgeltlich in die Gesellschaft einbringen, die Ansprechpartner in Politik, auf Bundes- und Landesebene, die gute Rahmenbedingungen für das Engagement schaffen sollen und seitens des Bundesfamilienministeriums die Grundfinanzierung und das Programmbüro stellen, bis hin zu für die Stadtgesellschaft engagierten Unternehmen und Stiftungen als weitere Geldgeber.
Auch das BBE, die Deutsche Stiftung Engagement und Ehrenamt (DSEE) und weitere „Regional- und Fachpartner geben wichtige Impulse für die Weiterentwicklung des Programms“, so Schwalb. Das Engagement in Deutschland sei „weltweit einzigartig und in seiner Vielfalt eine große Stärke unseres Landes“.
„Die Engagierten tragen die Zukunft vor Ort“, sagte Schwalb. Gemeinsam trete man dafür ein, die Bedingungen für die in der Stadt Engagierten zu verbessern, Kooperationen anzuregen statt einzelne Projekte zu fördern und vor Ort zu entscheiden, welche Themen wichtig sind. An die Politik richtete Schwalb den Appell, das Programm „Engagierte Stadt“ bei den laufenden Haushaltsverhandlungen nicht zu vergessen und es über die Wahlperiode hinaus zu unterstützen.
Maßnahmen des Programms vor Ort
Wie die Maßnahmen des Programms vor Ort wirken, darüber berichteten die „Sprecher der Engagierten Städte“ Königswinter, Jochen Beuckers, und Stendal, Marion Zosel-Mohr. Es gehe nicht darum, neue Ehrenamtsprojekte zu fördern, sondern Strukturen zu schaffen, innerhalb der Kommunen und zwischen den Kommunen, die durch ein neues Zusammenwirken die vielfach vorhandenen, oft parallel nebeneinander wirkenden Projekte miteinander vernetzen, sagte Beuckers.
Bislang seien Projekte damit konfrontiert, dass Programmregeln häufig nicht den Gegebenheiten vor Ort entsprechen. Ein Paradigmenwechsel sei nötig, forderte Beuckers: „Vom Förderprogramm zum bundesweiten Netzwerk“. Und: Entscheidungen über das „Was“ und „Wie“ sollten vor Ort getroffen werden.
Grundlage der neuen Herangehensweise sei die Kooperation von Zivilgesellschaft, Kommunalverwaltung und -politik sowie Wirtschaft und wissenschaftlichen Einrichtungen vor Ort. Bundesweit, in regionalen Netzwerken und Städtepartnerschaften, sollten die Kommunen ein gemeinsames, eigenes Selbstverständnis pflegen.
Identifikation mit Staat und Gesellschaft
An die Politik gerichtet erklärte der Sprecher: „Lebendige Stadtgesellschaften stärken die Identifikation mit Staat und Gesellschaft. Hier übernehmen Menschen vor Ort Verantwortung, setzen sich für andere ein und erleben, dass sie selbst an der Gestaltung beteiligt sind und wirksam werden.“ Es müsse sichergestellt werden, dass die Ehrenamtlichen vor Ort „tragfähige Koordinierungsstellen“ erhielten, Schnittstellen, von denen die nötigen Informationen und Kompetenzen weitergegeben würden.
Marion Zosel-Mohr unterstrich den großen Erfolg des Projekts, dessen Kooperationen mehr Engagement und passgenaue Lösungsansätze für lokale Fragestellungen ermögliche: „Wir haben damit Menschen erreicht, die wir zuvor nicht erreicht haben. Das alles bringt uns gesellschaftlich weiter.“ Engagement werde in seiner gesamten Breite unterstützt, aber nicht von außen gesteuert. Der sektorübergreifende Ansatz führe dazu, dass alle gesellschaftlichen Gruppen integriert werden können.
Mitbestimmung in der Stadtentwicklung
Mit Hilfe von „Erzähwerkstätten“ habe die Stadt Hohe Börde in Sachsen-Anhalt die Mitbestimmung in der Stadtentwicklung gefördert. Das sei ein gelungenes Beispiel, die Menschen einzubeziehen. In der Verwaltung seien Stellen geschaffen worden, um dieses Potenzial aufzugreifen. Görlitz habe ein Informationsangebot über Engagement und analoge und digitale Anlaufstellen für die Vernetzung und Gewinnung von Freiwilligen geschaffen. Und gleich eine eigene kommunale Engagementstrategie sei in Bocholt entwickelt worden. Dieses Wissen stehe im Netzwerk nun auch anderen Kommunen zur Verfügung. Die teilnehmenden Städte sähen sich nicht in Konkurrenz zueinander, sondern man unterstütze sich gegenseitig.
Die Engagierte Stadt sei ein attraktives Modell, das weiter ausgebaut werden müsse, forderte Zosel-Mohr. Viele weitere Städte hätten bereits Interesse signalisiert. Politik und Parlament seien aufgefordert, das Projekt weiter zu finanzieren. Vor allem müssten vor Ort nachhaltig aufgestellte Koordinierungsstellen geschaffen werden. (ll/15.05.2024)