Arbeitsminister Heil setzt auf deutliche Steigerung beim Mindestlohn
Bundesarbeits- und sozialminister Hubertus Heil (SPD) hat die Erwartung der Bundesregierung bekräftigt, dass der Mindestlohn in Deutschland im nächsten kräftig ansteigt. Die Sozialpartner in der Mindestlohnkommission seien gehalten, einvernehmlich zu einer Entscheidung zu kommen, sagte Heil am Mittwoch, 15. Mai 2024, in der Befragung der Bundesregierung. Bei der vorherigen, aus seiner Sicht dürftigen Anhebung habe sich die Arbeitgeberseite in der Kommission gegen die Arbeitnehmerseite durchgesetzt. Ein wichtiges ökonomisches Argument für eine deutliche Anhebung sei die Steigerung der Kaufkraft.
Heil kündigte an, dass die Bundesregierung noch im Mai ihr Rentenpaket II auf den Weg bringen wolle, um Sicherheit beim Rentenniveau zu schaffen.
Paus: Engagementstrategie und Familienpolitik
Neben dem Arbeits- und Sozialminister stellte sich auch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), den Fragen der Abgeordneten. Die Bundesregierung unterstütze die ehrenamtlich Tätigen und Engagierten mit einer neuen Engagementstrategie. Gerade junge, engagierte Menschen unterstütze man mit dem Kinder- und Jugendplan. Wichtig seien auch das Programm „Demokratie leben“ und das Demokratiefördergesetz, das auf den Weg gebracht worden sei.
Am Tag der Familie ging die Ministerin auch auf den Einsatz ihres Ministeriums für die Familien ein und verwies auf ein Umfrageergebnis, wonach 82 Prozent sagen würden, es sei gut, in Deutschland in einer Familie zu leben. Paus erinnerte an die Erhöhung des Kindergeldes und des Kinderzuschlags, an das Kita-Qualitätsgesetz und an das Startchancenprogramm. Diese Regierung habe am meisten gemacht für die Familien in diesem Land. Auch die Kindergrundsicherung werde sich im parlamentarischen Verfahren noch durchsetzen, sagte die Ministerin.
Renteneintritt und Bürgergeld
Dr. Tanja Machalet (SPD) wollte von Hubertus Heil eine Bewertung der Rente nach 45-jähriger Beitragszahlung. Der Minister sagte, man wolle das Rentenniveau stabilisieren und keine Rentenkürzungen und auch kein anderes Renteneintrittsalter. Er verwies darauf, dass die Erwerbstätigkeit der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen in den letzten Jahren stark gestiegen sei. Eine „Rente mit 63“ gebe es nicht. Es gebe nur die Möglichkeit, nach 45 Versicherungsjahren mit 64 Jahren und demnächst mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen. Heil sprach sich für flexible Übergänge in die Rente aus.
Dr. Markus Reichel (CDU/CSU) sprach von der „Gefahr einer Alimentierungsspirale“ und fragte, ob sich Arbeit noch lohnt. Das Bürgergeld führe dazu, dass Arbeitslose immer länger arbeitslos blieben und nicht vermittelt würden. Heil erinnerte daran, dass auch der arbeitenden Bevölkerung Sozialleistungen zur Verfügung stünden und nannte das Wohngeld. Er wiederholte, dass der Mindestlohn deutlich steigen und die Tarifbindung in Deutschland verbessert werden müsse. „Wir haben weniger Abgänge aus der Arbeit in die Grundsicherung“, antwortete er dem Abgeordneten. Das Bürgergeld abzuschaffen, nannte er „keine gute Idee“.
Grundsicherung und Mindestlohn
Der Abgeordneten Stephanie Aeffner (Bündnis 90/Die Grünen) berichtete der Minister, dass 20 Prozent der Bürgergeldbeziehenden arbeiten und ergänzende Grundsicherung benötigen. Die Regierung habe die Zuverdienstmöglichkeiten verbessert. Der Mindestlohn müsse steigen, damit die Menschen aus der Grundsicherung herauskommen.
Dem AfD-Abgeordneten Stephan Brandner entgegnete der Minister, die Regierung habe die Sozialversicherungsbeiträge und Steuern für Geringverdiener gesenkt. Der Aussage Brandners, der Mindestlohn sei ein Vertrag zulasten Dritter, widersprach Heil. Der Aussage des Ministers, die AfD wolle den Mindestlohn abschaffen, widersprach wiederum Brandner und verwies auf einen Antrag seiner Fraktion
Produktivität und Tariftreue
Prof. Dr. Stephan Seiter (FDP) erkundigte sich nach der Produktivitätsentwicklung. Heil sagte, Deutschland bleibe nur wettbewerbsfähig mit besten Produkten und Dienstleistungen. Dazu seien die Sicherung der Fachkräftebasis sowie Bildung und Qualifizierung erforderlich. In Sachen Künstliche Intelligenz arbeite man mit dem Fraunhofer-Institut und der Universität Stuttgart zusammen, um Lösungen zu finden: „Wir brauchen den technischen Fortschritt.“
Susanne Ferschl (Gruppe Die Linke) fragte nach dem Stand des geplanten Bundestariftreuegesetzes. Der von ihm und seinem Kabinettskollegen Dr. Robert Habeck erarbeitete Gesetzentwurf sei „ziemlich fertig“. Das Gesetz solle mithelfen, dass tariftreue Unternehmen öffentliche Aufträge bekommen
Kita-Fachkräfte und Kita-Finanzierung
Dr. Franziska Krumwiede-Steiner (Bündnis 90/Die Grünen) wollte von der Familienministerin erfahren, wie die Kita-Qualität angesichts fehlender Fachkräfte sichergestellt werden kann. Paus sagte, man gebe mehr Geld in die Kitas, schaffe bessere Bedingungen für die Kita-Leitung. Kitas seien die frühkindliche Bildungseinrichtung. Die Bezahlung des Personals habe sich deutlich verbessert, Umschulungen würden von der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Künftig würden 50.000 bis 80.000 Erzieherinnen gebraucht. Zwischen den Kultus- und Familienministern der Länder gebe es eine Arbeitsgruppe zur Fachkräftegewinnung. Mittelfristig, so die Ministerin, müsse man eine „Modularisierung der Ausbildung“ angehen.
Mareike Lotte Wulf (CDU/CSU) fragte nach der weiteren Finanzierung des Kita-Qualitätsgesetzes. Für 2023 und 2024 stünden vier Milliarden Euro zur Verfügung. Die Ministerin verwies auf einen Bericht über den Fortgang der frühkindlichen Bildung und bekräftigte, dass eine dauerhafte Finanzierung durch den Bund notwendig sei. Das Folgegesetz zum Kita-Qualitätsgesetz befinde sich in der Regierung in der Abstimmung. Es gehe um die Verbesserung der Qualität in den Kitas. In Deutschland gebe es unterschiedliche Qualitätsstandards
Pflege von Angehörigen und Meinungsfreiheit im Netz
Ulrike Bahr (SPD) sprach die Situation derjenigen an, die Angehörige pflegen und dafür auch in Teilzeitarbeit gehen. Paus diagnostizierte hier dringenden Handlungsbedarf, verwies auf die Zusammenführung der einschlägigen Gesetze und kündigte an, in einem zweiten Schritt eine Lohnersatzleistung einzuführen. Über deren gesetzliche Verankerung befinde man sich in Gesprächen. Es gehe dabei um mehr Flexibilität für die Menschen und die Betriebe.
Ergänzend erkundigte sich Nicole Bauer (FDP) nach der Situation im Mutterschutz. Mutterschutz sei schwierig, erwiderte die Ministerin und berichtete, es sei eine Bedarfsanalyse auf den Weg gebracht worden, die ausgewertet werde.
Gereon Bollmann (AfD) fragte, welche Äußerungen auf Plattformen der sozialen Medien künftig verfolgungswürdig seien, wo die Strafbarkeitsgrenze liege. Die Ministerin hob hervor, dass es ein Glück sei, in Deutschland in einem Rechtsstaat zu leben, in dem die Meinungsfreiheit sichergestellt sei. Hass und Hetze, systematische Einschüchterung und die Verbreitung von Angst seien davon nicht abgedeckt. Sie verwies auf den Digital Services Act der EU mit entsprechenden Aufsichtskompetenzen der EU-Kommission und betonte, es gebe eine Verantwortung der Plattformbetreiber. (vom/15.05.2024)