Hitzige Aussprache über bezahlbares Bauen und Wohnen
Der Bundestag hat am Donnerstag, 28. September 2023, erstmals über einen Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Deutschland aus der Baukrise führen – Jetzt wirksame Maßnahmen für bezahlbares Bauen und Wohnen ergreifen“ (20/8523) diskutiert. Die Vorlage wurde nach der Debatte zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Bauwesen und Wohnen überwiesen.
14-Punkte-Plan der Bundesregierung
Bundesministerin Klara Geywitz (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten Anfang der Woche gemeinsam einen 14-Punkte-Plan vorgestellt, mit dem der lahmende Wohnungsbau angeschoben werden soll. Zusammen präsentierten sie das Hilfspaket der Bundesregierung. Die Pläne sehen unter anderem bessere Abschreibungsmöglichkeiten vor. Neu errichtete Wohngebäude sollen durch eine degressive AfA in Höhe von jährlich sechs Prozent abgeschrieben werden. Die Hilfe soll für Wohngebäude gelten, mit deren Herstellung nach dem 30. September 2023 und vor dem 1. Oktober 2029begonnen wird, für die Baukosten gibt es keine Obergrenzen.
Zudem wird wegen der hohen Zinsen und der deutlich gestiegenen Baukosten auf die Verankerung von EH40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard bis 2025 verzichtet. Den Energiesparstandard EH40 hatte die Ampel im Koalitionsvertrag vereinbart. In den Jahren 2022 bis 2027 will die Bundesregierung insgesamt 18,15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Jeder Euro des Bundes wird aktuell durch 1,50 Euro der Länder kofinanziert. Bei Fortführung dieser Komplementärfinanzierung stünden bis 2027 rund 45 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung. Damit mehr Familien als bisher Wohneigentum erwerben, soll der Kreis der Anspruchsberechtigten für zinsvergünstigte Baukredite erweitert werden. Entsprechende Angebote der Förderbank KfW wurden bisher rund 300 Anträge genehmigt. Die Kredithöchstbeträge werden nun um 30.000 Euro erhöht. Außerdem wird die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu dem ein zinsvergünstigtes Darlehen beantragt werden kann, von 60.000 Euro im Jahr auf 90.000 Euro im Jahr angehoben. Jungen Familien soll bei der Übernahme von sanierungsbedürftigen Häusern geholfen werden. Dazu soll es 2024 und 2025 ein KfW-Förderprogramm geben. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf soll aus dem Klima- und Transformationsfonds der Regierung kommen.
Um mehr Wohnraum zu schaffen, ist angedacht, leerstehende Gewerbeimmobilien zu Wohnungen umzurüsten. Das Potenzial wird auf bis zu 235.000 neue Wohneinheiten geschätzt. Das entsprechende KfW-Förderprogramm soll 2024 und 2025 mit insgesamt 480 Millionen Euro ausgestattet werden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) wird über 2024 hinaus für weiter fünf Jahre eigene Grundstücke für öffentliche Aufgaben oder den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Damit Planungsverfahren schneller abgeschlossen werden, will die Bundesregierung mit den 16 Ländern noch in diesem Jahr einen „Pakt für Planungs- und Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ beschließen. Darüber hinaus soll ab 2024 die neue Wohngemeinnützigkeit starten, um dauerhafte Sozialbindungen im Neubau und im Bestand zu schaffen. Der Bund soll dazu Investitionen bezuschussen und Steueranreize bieten. In der Bau- und Wohnungswirtschaft gibt es jedoch Zweifel an den Plänen der Bundesregierung. Der Spitzenverband der deutschen Wohnungswirtschaft (GdW) und der Eigentümerverband Haus & Grund sprechen von „einer verfehlten Wohnungspolitik der Ampel“.
CDU/CSU: Neustart für den Wohnungsbau erforderlich
In die gleiche Kerbe schlug auch der Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Darin verlangen die Unionsparteien die Ankurbelung des Wohnungsbaus durch steuerliche Maßnahmen, die Aufstockung der verschiedenen Förderprogramme, Kostensenkungen bei Neu- und Umbauten sowie einen Bürokratieabbau.
Ulrich Lange (CDU/CSU) forderte einen Neustart für den Wohnungsbau und für die Wohnungswirtschaft. „Die Bundesregierung hat in dieser Frage das Vertrauen verspielt“, sagte Lange. Ziel seien 1,6 Millionen neue Wohnungen in vier Jahren gewesen, doch das Ziel werde verfehlt. Zudem kritisierte Lange die Struktur des Bauministeriums. „Ministerin Klara Geywitz hat im Kabinett nichts zu sagen“, die Entscheidungen würden beim Bundesfinanzminister und beim Bundesjustizminister fallen. Bei der Präsentation des 14-Punkte-Planes habe Klara Geywitz Bundeskanzler Olaf Scholz gebraucht, „das zeigt alles“, so Lange.
Ministerium: 14-Punkte-Plan schafft verlässliche Konditionen
Dem widersprach Sören Bartol (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, vehement. Die Ampel-Regierung reagiere auf die äußeren Faktoren wie gestiegene Kosten und Zinsen.
„Wir kümmern uns um den Bau“, sagte Bartol. Die Bundesregierung habe mit dem 14-Punkte-Plan konkrete Maßnahmen vorgelegt, damit mehr Wohnraum entsteht. Der Markt bekomme dadurch verlässliche Konditionen, erhalte neue Förderungen, und es werde „mehr Fortschritt gewagt“.
Grüne: Probleme von der Vorgängerregierung geerbt
Auch Christina-Johanne Schröder (Bündnis 90/Die Grünen) verteidigte die vorgestellten Maßnahmen. Die Ampel-Regierung habe die Probleme von der Vorgängerregierung geerbt: steigende Mieten, den Sanierungsstau und zu wenig bezahlbaren Wohnraum. „Wir reagieren!“, sagte Schröder. Als ein Beispiel, wie mehr Wohnraum entstehen könnte, nannte sie die nun beschlossene Abweichung von Baunormen.
Zudem sollen Bestandsgebäude einfacher saniert und Büroimmobilien leichter zu Wohnraum umgewandelt werden können. Die neue Wohngemeinnützigkeit werde es möglich machen, dass Firmen Wohnraum für ihre Mitarbeiter errichten könnten.
FDP: Unions-Antrag ist überholt
Daniel Föst (FDP) nannte den Antrag der Union „in weiten Teilen überholt, weil abgearbeitet“. Der Gebäudetyp E sei von der Ampel beschlossen, die Novellierung des Baugesetzbuches sei auf dem Weg, das Förderprogramm zur Schaffung von Wohneigentum sei überarbeitet worden, die Landesbauordnungen könnten angepasst werden.
„Doch das hängt in den von der CDU-geführten Bauministerien in den Ländern“, sagte Föst. Die Union wirke, als sei „sie wütend, weil wir das machen, was ihr in 16 Jahren Regierungszeit versäumt habt“, so der Liberale.
Linke fordert einen Mietenstopp
Caren Lay (Die Linke) erklärte, weder der 14-Punke-Plan der Regierung noch der Unions-Antrag werden den Mangel an bezahlbarem Wohnraum ändern. „Das Thema Mietenstopp steht nirgendwo auf der Tagesordnung“, sagte Lay. Beim Baugipfel sei es „nur um das Bauen gegangen, das ist genau der Denkfehler!“, so Lay.
Mit Neubauten, bei denen die Kaltmiete pro Quadratmeter 18 Euro koste, werde keine einzige neue bezahlbare Wohnung entstehen. „Wir brauchen ein öffentliches Wohnungsbauprogramm, damit die Kommunen und Genossenschaften Wohnungen für Normalverdiener bauen können“, forderte Lay.
AfD kritisiert zu hohe Klimastandards
Roger Beckamp (AfD) verwies auf das seiner Meinung nach „schädliche Zusammentreffen“ der Faktoren bezahlbarer Wohnraum und steigende Nachfrage. Beides habe Gründe und sei aufgrund von Fehlentscheidungen der aktuellen Regierung und deren Vorgänger entstanden.
Beckamp kritisierte zu hohe Klimastandards und „die Einreisepolitik der Regierung“. Regierung und Union würden lediglich von „Baukrise sprechen“, andere Faktoren blieben ausgeblendet.
Antrag der CDU/CSU
Die CDU/CSU-Fraktion sieht „Deutschland in einer Wohnungsbaukrise“ und fordert wirksame Maßnahmen für bezahlbares Bauen und Wohnen zu ergreifen. Die Lage der Baubranche nennt die Union „dramatisch“. Die Baugenehmigungszahlen brächen flächendeckend ein, die Auftragsbücher der Unternehmen liefen leer und Projekte würden reihenweise storniert. In der Branche gebe es bereits Kurzarbeit und Entlassungen, erste Betriebe meldeten Insolvenz an. Die dramatische Lage der Bauwirtschaft wirke sich unmittelbar auf den Wohnungsmarkt aus und führe dort „zu steigenden Mieten und gesellschaftlichen Spannungen“, schreiben die Abgeordneten. Leidtragende seien viele hunderttausende Menschen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung seien, heißt es in dem Antrag.
Ein weiteres Problem sieht die CDU/CSU-Fraktion darin, dass die Ampel-Regierung das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) nicht mit den notwendigen Zuständigkeiten ausgestattet habe, um bezahlbares Bauen und Wohnen wirklich voranzubringen. So liege nur die Neubauförderung in den Händen des BMWSB, während für die Sanierungsförderung das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zuständig sei. Zudem würden zahlreiche Förderprogramme von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) administriert, die wiederum in der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) liege.
Sonderabschreibung für den sozialen Wohnungsbau
Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung unter anderem im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auf, im Bereich steuerlicher Maßnahmen eine Sonderabschreibung für den sozialen Wohnungsbau einzuführen, wonach Unternehmen Mietbegrenzungen garantieren. Außerdem verlangt die Unionsfraktion die steuerliche Förderung und einen auf vier Jahre befristeten fünfprozentigen Abzug für Eigentümer, die selbstgenutztes Wohneigentum neu bauen. Den Ländern soll die Möglichkeit gegeben werden, bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von 250.000 Euro pro Erwachsenem und 150.000 Euro pro Kind für den Ersterwerb von selbstgenutztem Wohneigentum einzuführen. Für Familien mit geringen und mittleren Einkommen sollen beim erstmaligen Erwerb von selbstgenutzten Immobilien staatlich abgesicherte Mietkaufmodelle entwickelt werden.
Darüber hinaus müsse es massive Kostensenkungen geben. Dazu sei ein Belastungsmoratorium auszurufen: Neue Regeln müssten auf verteuernde Auswirkungen des Bauens überprüft werden, bis Ende 2027 dürften keine neuen Vorschriften erlassen werden, die das Bauen unnötig verteuern oder verlangsamen. Die kürzlich beschlossene Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (Heizungsgesetz) sei zurückzunehmen und schnellstmöglich ein verbindliches Förderkonzept vorzulegen, das die rechtlichen Verpflichtungen nach dem Gebäudeenergiegesetz sozial flankiere und wirtschaftliche Überforderungen vermeide.
Die Vereinheitlichung der Landesbauordnungen sei voranzutreiben, um damit die Kostensenkungspotentiale des seriellen und modularen Bauens etwa mit Typengenehmigungen zu erschließen. Schließlich sollen beim Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen alle Zuständigkeiten konzentriert werden, „die notwendig sind, um die Themen Bauen, Wohnen und Sanieren wirkungsvoll voranzubringen“, schreiben die CDU/CSU-Abgeordneten in ihrem Antrag. (nki/28.09.2023)