Sachverständige uneins über Methoden zur Bekämpfung von Mietwucher
Zeit:
Montag, 19. Februar 2024,
14
bis 16 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 2.600
Der Rechtsausschuss hat sich am Montag, 19. Februar 2024, mit dem Thema „Bekämpfung von Mietwucher“ befasst. Grundlage der öffentlichen Anhörung war ein vom Bundesrat eingebrachter Gesetzentwurf (20/1239), der von den neun eingeladenen Sachverständigen unterschiedlich bewertet wurde. Die Vertreter der Vermieterverbände lehnten die Vorlage ab, während sich Mieterschützer für eine gesetzliche Verschärfung aussprachen.
Der Bundesrat dringt in seinem Entwurf auf eine bessere Bekämpfung des Mietwuchers. Die Länderkammer schlägt dazu eine Änderung in Paragraf 5 („Mietpreisüberhöhung“) des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (WiStrG 1954) vor. Demnach soll künftig schon ordnungswidrig handeln, wer „bei Vorliegen eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“ ein „unangemessen“ hohes Entgelt für Wohnräume fordert. Bisher sieht die Norm vor, dass derjenige ordnungswidrig handelt, der „infolge der Ausnutzung eines geringen Angebotes an vergleichbaren Räumen“ ein „unangemessen“ hohes Entgelt für Wohnräume fordert. Zudem soll nach Willen der Länderkammer die maximale Höhe des Bußgeldes von 50.000 Euro auf 100.000 Euro erhöht werden. Wie in der Begründung ausgeführt wird, solle künftig auf das subjektive Merkmal „Erfordernis der Ausnutzung“ verzichtet werden und stattdessen „bei der Frage der Unangemessenheit allein auf das objektive Kriterium des Vorliegens eines geringen Angebots abgestellt werden“. Laut Bundesregierung ist die Meinungsbildung zu dem Entwurf noch nicht abgeschlossen.
Immobilienverbände teilen Bedenken
Carsten Herlitz, der von der CDU/CSU für die Anhörung vorgeschlagene Justiziar des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), begrüßte das Vorgehen gegen „schwarze Schafe“ unter den Vermietern. Der Verband teile aber die Bedenken der Bundesregierung bezüglich des Entwurfs. So würden Fragen mit Blick auf den Schuldgrundsatz aufgeworfen. Im Fall seiner Umsetzung würde der Entwurf zu einem bundesweiten und scharfen Mietendeckel führen. Es stelle sich auch die Frage, ob hier ein Gesetzes- oder ein Vollzugsdefizit vorliegt. Jedenfalls könnten Verschärfungen des Mietrechts nicht das Problem angespannter Wohnungsmärkte lösen.
Der ebenfalls von der Unionsfraktion vorgeschlagene stellvertretende Bundesgeschäftsführer des Immobilienverbands Deutschland (IVD), Dr. Christian Osthus, erklärte in seiner Stellungnahme, der IVD sehe den Gesetzentwurf und generell jede Initiative kritisch, das subjektive Merkmal aus dem Paragrafen 5 WiStrG zu streichen. Wer ein Geschäft abschließe und sich dabei bewusst sittenwidrig verhalte, müsse sanktioniert werden. Der IVD sehe aber über die Mietpreisbremse als zivilrechtliches Mittel und die bestehenden öffentlich-rechtlichen Regelungen hinaus keinen Handlungsbedarf. Die Regelung würde zu weniger Investitionen Bauherren in den Mietwohnungsneubau führen.
„Mangel an Mietwohnungen ist das Problem“
Auch Dr. Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund Deutschland, betonte in seiner Stellungnahme, nicht die Vermieter stellten das Problem dar, sondern der Mangel an Mietwohnungen. Grundsätzlich handele es sich bei jeder Verschärfung des Paragrafen 5 WiStrG um einen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters, so Warnecke. Die vorgesehene Abschaffung des Merkmals „Ausnutzen“ greife in das bestehende Mieter-Vermieter-Gefüge ein und führe letztlich dazu, dass sich private Vermieter vom Markt zurückziehen. Anstelle redliche Vermieter zu kriminalisieren, sollte das Problem durch ein höheres Wohnungsangebot gelöst werden, erklärte Warnecke, der ebenfalls auf Vorschlag der CDU/CSU-Fraktion an der Anhörung teilnahm.
Dr. Christian Schede, Vorstandsmitglied der Region Ost des Immobilienwirtschaftsverbandes Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), gab zu bedenken, dass durch die vom Bundesrat vorgeschlagene Verschärfung vielen Mitgliedsunternehmen betroffen wären. Die Änderung würde de facto die Einführung einer verschärften „Mietpreisbremse 2.0“ durch die Hintertür darstellen. Schede war von der FDP-Fraktion als Teilnehmer benannt worden.
„Praxis hat sich in der Vergangenheit bewährt“
Dagegen begrüßte der für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen teilnehmende Rechtsanwalt Benjamin Raabe den Vorschlag des Bundesrats, Paragraf 5 WiStrG zu reaktivieren, ausdrücklich. Es gehe um eine Praxis, die sich in der Vergangenheit gut bewährt habe. Das Nebeneinander von zivilrechtlichem Schutz der Mietenden und dem öffentlich-rechtlichen System des Preisschutzes habe Jahrzehnte gut funktioniert, bis der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen in den 2000er Jahren die Anforderungen für die Mietenden, aber auch für die Verfolgungsbehörden soweit angehoben habe, dass es seit 20 Jahren kaum mehr Verfahren zur Mietpreisüberhöhung gebe.
Eve Raatschen vom Hamburger Mieterverein Mieter helfen Mietern, ebenfalls für die Grünen als Sachverständige dabei, verwies darauf, dass sich Vermieter und Vermieterinnen die Wohnraumknappheit zunutze machten und überhöhte Mieten forderten. Sie bedauerte, dass der Bundesgerichtshof 2004 eine wirksamen Vorschrift zur Begrenzung von Ausreißermieten zu einer Karteileiche gemacht habe. Die Mietpreisbremse habe bislang keine ausreichenden Effekte gehabt, sodass es einer zusätzliche Reaktivierung von Paragraf 5 WiStrG bedürfe.
700.000 fehlende Wohnungen
Der Präsident des Deutschen Mieterbund (DMB), Lukas Siebenkotten, verwies auf 700.000 fehlende Wohnungen. Der DMB fordere, flankierend Maßnahmen aufzusetzen, mit denen Mietern und Mieterinnen bei der Vermeidung des erheblichen Anstiegs der Mieten geholfen wird, sagte der für die SPD-Fraktion teilnehmende Experte. Dafür sei zum einen eine rigorose Senkung der Kappungsgrenze bei der Mieterhöhung nötig - der DMB habe sogar vorgeschlagen, einige Jahre die Mieten überhaupt nicht zu erhöhen - und dann sollte man auf den Freistaat Bayern und den Bundesrat hören, und den Paragraf 5 WiStrG wieder flottmachen. Es gehe dabei nicht um die Bestrafung des Vermieters, sondern um die Einhaltung der Mietobergrenzen. Dafür sei in vielen Fällen eine Drohkulisse nötig.
Katharina Wagner, Leiterin des Amtes für Wohnungswesen Frankfurt am Main, berichtete dem Ausschuss über praktische Erfahrungen mit der Anwendung von Paragraf 5 WiStrG und damit verbundenen Schwierigkeiten. Die ebenfalls von der SPD-Fraktion nominierte Sachverständige erklärte, Mietende und Vermietende, Verwaltung und Amtsanwaltschaft, Gerichte und Rechtsbeistände hätten in der Praxis trotz Gesetz und Rechtsprechung mit erheblichen Unsicherheiten hinsichtlich Ermittlung und Beweisführung zu kämpfen. Das erzeuge ein rechtliches Vakuum. Mit Blick auf Wohnungs- und Mietenpolitik brauche es daher neben den bestehenden zivilrechtlichen Mietgesetzen zusätzliche Regelungen, die einen Rahmen für fairen Wettbewerb auf dem Wohnungsmarkt für Mietende und auch Vermietende setzen. Die Stadt Frankfurt am Main sehe dringenden Handlungsbedarf, Paragraf 5 an die Gegebenheiten auf den Mietwohnungsmärkten anzupassen.
Experte: Gesetzentwurf verfassungskonform
Ebenfalls für die SPD nahm Prof. Dr. Kilian Wegner von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) teil. Er vertrat die Ansicht, dass der Gesetzentwurf verfassungskonform ist und auch ansonsten keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Insbesondere sei die von der Bundesregierung ohne nähere Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgetragene Befürchtung, es verstoße gegen den Schuldgrundsatz, vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen staatliche Preisvorgaben mit einem Bußgeldtatbestand zu bewehren, unbegründet. Ob der Gesetzgeber den vorgelegten Entwurf verabschieden wolle, sei eine allein unter wirtschafts- und sozialpolitischen Aspekten zu treffende Entscheidung, die juristisch nicht vorbestimmt sei. Für den Entwurf spreche, dass der Mietüberhöhungs-Tatbestand für Behörden und Gerichte, aber auch Mieter und Vermieter künftig leichter handhabbar sein würde.
Die Abgeordneten interessierten sich vor allem für die verfassungsrechtliche Dimension der angestrebten Gesetzesänderung, deren konkrete Auswirkungen auf die verschiedenen Mietvertragsarten und bestehende Regelungen wie die Mietpreisbremse, aber auch auf mögliche Auswirkungen auf die Investitionswilligkeit.
Einzelheiten des Gesetzentwurfs
Die Länderkammer führt zur Begründung an, dass die Bußgeldbewehrung sowie die Möglichkeit für Mieterinnen und Mieter, auf Grundlage von Paragraf 134 BGB überhöhte Miete zurückzufordern, „grundsätzlich geeignete Instrumente [wären], um marktbedingt ausufernden Mietverlangen sowohl im konkreten Mietverhältnis als auch allgemein unter generalpräventiven Gesichtspunkten zu begegnen“. Die Vorschrift sei in der Praxis aber durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „weitgehend wirkungslos geworden“, da diese sehr hohe Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal der Ausnutzung eines geringen Angebotes stelle. Wie in der Begründung ausgeführt wird, solle künftig auf das „Erfordernis der Ausnutzung“ verzichtet werden und stattdessen „bei der Frage der Unangemessenheit allein auf das objektive Kriterium des Vorliegens eines geringen Angebots abgestellt werden“. So würden die bisherigen Darlegungs- und Beweisprobleme in Ordnungswidrigkeitsverfahren beziehungsweise in zivilrechtlichen Rückforderungsverlangen „erheblich entschärft“, argumentiert die Länderkammer. Die vorgeschlagene Verdoppelung des Bußgeldrahmens begründet die Länderkammer damit, dass der bisherige Rahmen nicht mehr „zeitgemäß“ sei. Mit der Erhöhung solle eine „hinreichende generalpräventive Wirkung“ des Paragrafen wiederhergestellt werden.
In ihrer Stellungnahme führt die Bundesregierung aus, dass die Meinungsbildung zu dem Gesetzentwurf noch nicht abgeschlossen sei. Sie verweist zudem auf die Stellungnahme der damaligen Bundesregierung zu einem bereits in der vergangenen Wahlperiode eingebrachten, gleichlautenden Gesetzentwurf des Bundesrates (19/16397), der der Diskontinuität anheimfiel: „Darin wird dargelegt, dass der Gesetzentwurf des Bundesrates Fragen mit Blick auf den Schuldgrundsatz aufwirft: Die Bundesregierung hat Bedenken, dass nach Entfallen des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen - wie es der Bundesrat vorschlägt - Paragraf 5 Absatz 1 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 kein in besonderer Weise vorwerfbares Unrecht mehr aufweisen würde, das eine Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße rechtfertigt.“ (mwo/19.02.2024)