Der Bundestag hat am Donnerstag, 13. Juni 2024, das Postrecht reformiert. Ein dazu von der Bundesregierung vorgelegter Gesetzentwurf „zur Modernisierung des Postrechts“ (Postrechtsmodernisierungsgesetz, 20/10283) wurde in einer vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung (20/11817) mit der Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU und AfD bei Stimmenthaltung der Gruppen Die Linke und BSW angenommen. Der Abstimmung lag ein Bericht des Haushaltsausschusses gemäß Paragraf 96 der Geschäftsordnung des Bundestages zur Finanzierbarkeit (20/11818) zugrunde. Hingegen abgelehnt wurden zwei zu dem Gesetzentwurf vorgelegte Entschließungsanträge der AfD-Fraktion (20/11820) und der Gruppe Die Linke (20/11821).
Ebenfalls keine Zustimmung gegen die breite Mehrheit des Parlaments erfuhr ein Antrag der Unionsfraktion mit dem Titel „Deutschlands Postmärkte der Zukunft – Zuverlässig, erschwinglich, digital“ (20/9733). Der Entscheidung lag eine Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (20/11817) zugrunde.
Grüne: Schieben Ausbeutung einen Riegel vor
Andreas Audretsch (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, das Postgesetz sei „deutlich in die Jahre gekommen“. Die Modernisierung sei deshalb von großer Bedeutung, denn sie garantiere eine weiterhin flächendeckende Grundversorgung mit Brief- und Paketzustellung zu Preisen, die unter dem EU-Durchschnitt liegen. Es gehe bei der Modernisierung aber auch darum, so der Grünen-Abgeordnete, den Wettbewerb, insbesondere auf dem Paketmarkt, zu stärken. Diese Branche sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden, mittlerweile herrschten dort „unreguliert verheerende Bedingungen“, sagte Audretsch im Plenum. „Das teilweise herrschende System von Ausbeutung, Schwarzarbeit und Kriminalität werden wir beenden“, kündigte er an.
Wer künftig Pakete ausliefern will, muss sich bei der Bundesnetzagentur registrieren und der Prüfung standhalten, ob das Unternehmen den Anforderungen wie Arbeitsschutz und Mindestlohn gerecht wird. „Wer auf diesem Markt glaubt, mit Ausbeutung Geschäfte machen zu können, dem schieben wir einen Riegel vor“, schloss der Abgeordnete seine Rede.
Union kritisiert „Bürokratieaufbaugesetz“
Hansjörg Durz (CDU/CSU) sah in dem neuen Gesetz „viele neue Regelungen“, die in der langen Beratungszeit hinzugekommen seien. „Es ist ein Gesetz mit ganz viel Kontrolle und Bürokratie“, so Durz bei der Aussprache. Zwar stimme seine Fraktion weitgehend mit den Zielen der Modernisierung des Gesetzes überein: „Denn wir brauchen auch in Zukunft eine flächendeckende Versorgung zu bezahlbaren Preisen.“ Aber dafür brauche es auch mehr Wettbewerb und dieser werde durch das Mehr an Regulierung behindert statt gefördert.
„Das Postgesetz ist ein Bürokratieaufbaugesetz“, befand der Christdemokrat. Die Bürokratie sei in Deutschland zum Standortnachteil Nummer eins geworden. Deshalb könne seine Fraktion einen solchen Aufwuchs an Bürokratie nicht verantworten, sagte Durz.
SPD verweist auf Gesundheits- und Klimaschutz
Sebastian Roloff (SPD) stimmte seinen Vorrednern zu, dass es unbestreitbar sei, dass es beim Postgesetz Handlungsbedarf gab. Besonders auf dem Paketmarkt sei es „gut und richtig, dass wir da jetzt regulieren können“, sagte Roloff. Wichtig sei ihm und seiner Fraktion auch der Gesundheitsschutz der Beschäftigten, weshalb es künftig eine Kennzeichnungspflicht für Pakete ab zehn Kilogramm Gewicht und eine verpflichtende Zwei-Personen-Zustellung ab 20 Kilogramm gibt, wenn kein „geeignetes technisches Hilfsmittel zur Verfügung steht“, so Roloff.
Auch für den Klimaschutz werde dank des neuen Gesetzes etwas getan, etwa dadurch, dass es für die Zustellung keine Nachtflüge mehr gibt und ein freiwilliges Label für nachhaltige Postdienstleister eingeführt wurde, resümierte der Sozialdemokrat.
AfD: Weniger Service, höhere Kosten
Bernd Schattner (AfD) sah in der verlängerten Zustellzeit für Briefe von drei auf fünf Tage eine „signifikante Verschlechterung, die weitreichende Auswirkungen haben wird“. Die Deutsche Post wolle nicht nur die Zustellzeiten verlängern, sondern darüber hinaus auch noch das Porto erhöhen: „Weniger Service und höhere Kosten, das kennt man sonst nur von dieser Regierung“, sagte der AfD-Abgeordnete.
Die Regierung habe bei der Erarbeitung des Gesetzes zu dem die soziale Komponente außer Acht gelassen: Die Verlängerung der Zustellzeit werde die Teilhabe von älteren Menschen weiter erschweren, denn diese könnten oft nicht auf digitale Kommunikation als Alternative zugreifen. Und mit der Streichung der Nachtflüge stiegen nun eben die CO2-Werte auf den Straßen: „Sie können es nicht, noch nicht einmal beim Postgesetz“, schloss Schattner seinen Redebeitrag in Richtung der Regierungsfraktionen.
FDP nennt Reform einen „Meilenstein“
Reinhard Houben (FDP) sprach bei der Modernisierung des Postgesetzes von einem „Meilenstein“. Auch zukünftig werde niemandem der Zugang zu den Postdienstleistungen verwehrt. Zusätzliche Bürokratie sei, anders als von der Opposition behauptet, nicht der Fall. Auch der Anstieg des jährlichen Erfüllungsaufwandes um 364.000 Euro durch das Gesetz sei bei einem Milliardenmarkt mit Hunderttausenden Beschäftigen kein großer Posten.
Zwar habe der Prozess zur Erarbeitung des Gesetzes knapp zwei Jahre gedauert, so Houben, doch die Meinungsverschiedenheiten unter den Koalitionären seien nie in Streit ausgeartet, es sei gelungen, einen Kompromiss zu finden. „Das zeigt: Die Ampel kann zusammenarbeiten und geräuschlos vernünftige Politik machen“, sagte der Liberale bei der Aussprache.
Kampf gegen Kriminalität in der Paketzustellung
Dr. Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, mit dem Gesetz bringe man das Postrecht ins 21. Jahrhundert. „Wir werden auch weiter die Grundsicherung sicherstellen, in Stadt und Land, vom Norden bis in den Süden, für Briefe und Pakete“, so Brantner.
Gleichzeitig würden die Arbeitsbedingungen für Hunderttausende Beschäftigte verbessert. „Der Zoll hat uns bestätigt, dass es im Bereich der Paketzustellung organisierte Kriminalität gibt“, berichtete die Grüne. Dies wolle man nicht länger hinnehmen und schaue nun deshalb genauer auf die Einhaltung der Arbeitsbedingungen im Paketdienst.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Das Postrechtsmodernisierungsgesetz beinhalte eine „grundlegende Novellierung des Postrechts“, schreibt die Bundesregierung zu dem Entwurf. Außerdem sollen der faire Wettbewerb gestärkt, angemessene Arbeitsbedingungen gefördert und Anreize für einen ökologisch nachhaltigen Postsektor gesetzt werden, heißt es in der Vorlage weiter.
Für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet die Reform, dass sie künftig länger auf ihre Post warten müssen. Denn das Gesetz sieht unter anderem geänderte Zustellzeiten vor, das heißt, dass Briefpost nicht mehr an sechs Tagen die Woche zugestellt werden muss, damit der im Grundgesetz vorgesehene Universaldienst noch gewährleistet ist. Außerdem soll die Obergrenze für Pakete, die von einer Person alleine zugestellt werden, künftig bei 20 statt bei 31,5 Kilogramm liegen.
Änderungen im Ausschuss
In einem Änderungsantrag hatten die Koalitionsfraktionen dem Gesetzentwurf einige Ergänzungen hinzugefügt. So wollen die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP unter anderem unter Paragraf 9 „Verantwortlichkeit von Auftraggebern, Verordnungsermächtigung“ die Kontrolle von Subunternehmern stärken. Unter Absatz 2 wird hinzugefügt, dass „die Verpflichtung nach Absatz 1 auch für einen beauftragten Anbieter gilt, soweit er für die Erfüllung des Auftrags seinerseits einen anderen Anbieter beauftragt.
Verpflichtete nach Absatz 1 müssen sich zum Zeitpunkt der Überprüfung eines beauftragten Anbieters nach Absatz 1 für alle von diesem unmittelbar oder mittelbar beauftragten Anbieter, die zur Erfüllung des Auftrags eingesetzt werden, den Nachweis über die Überprüfung nach Satz 1 vorlegen lassen“.
Antrag der Union
In ihrem Antrag fordert die Union die Bundesregierung auf, ein neues Postgesetz vorzulegen, das „seinen Anteil an der Entbürokratisierung in Deutschland erbringt und durch regelmäßig stattfindende Marktanalyseverfahren die Regulierung des Postwesens am tatsächlichen Bedarf ausrichtet“. Darüber hinaus soll die Paketbranche aus dem gesondert regulierten Universaldienst grundsätzlich in den freien Markt entlassen werden, schreiben die Abgeordneten. Gleichzeitig müssten jedoch die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessert werden.
Der Briefmarkt soll in der sektorspezifischen Regulierung belassen werden; der Fokus des Universaldienstes solle künftig statt auf einer möglichst schnellen auf eine möglichst zuverlässigen Zustellung von Briefsendungen gelegt werden. In diesem Zusammenhang soll nach Forderung der Unionsfraktion die Briefzustellung insbesondere im ländlichen Raum sichergestellt werden, etwa in dem die Zahl der Briefkästen und Postfilialen nicht verringert wird: „Auch künftig sollen mindestens 12.000 Postfilialen in Deutschland zur Verfügung stehen sowie mindestens eine in Gemeinden ab 2.000 Einwohnern.“
Eine Entgeltregulierung soll ein kostendeckendes, stabiles Briefporto ermöglichen und die Bundesnetzagentur soll auf Verstöße gegen die Universaldienstvorgaben mit effektiven Sanktionsmechanismen reagieren können, schreiben die Abgeordneten.
Bundestag hebt Immunität von Petr Bystron auf
Der Bundestag hat die Sitzung zur Reform des Postrechts unterbrochen und die Genehmigung zum Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse sowie weiterer Ermittlungsmaßnahmen gegen den Bundestagsabgeordneten Petr Bystron (AfD) erteilt.
Mit der breiten Mehrheit des Plenums bei Enthaltung der AfD-Fraktion wurde eine entsprechende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (20/11719) angenommen, in der auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Justiz vom 7. Juni 2024 verwiesen wird. (emu/bal/13.06.2024)