Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 22. Februar 2024, über eine Reihe von Vorlagen abgestimmt:
Streitverfahren: Die Abgeordneten des Bundesstages haben mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Stimmenthaltung der Opposition eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschuss zu einem Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvF 3 / 23 (20/10409) angenommen. Damit soll die Präsidentin einen Prozessbevollmächtigten bestellen. Mit ihrem Antrag auf abstrakte Normenkontrolle wenden sich 195 Mitglieder des 20. Deutschen Bundestages aus der Fraktion der CDU/CSU gegen Artikel 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) und des Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 8. Juni 2023 (BGBI. 2023 I Nr. 147 vom 13. Juni 2023). Die Antragsteller halten den durch die Gesetzesänderung eingeführten Grundsatz der Zweitstimmendeckung (§ 1 Absatz 3 Satz 2, § 6 Absatz 1 BWahlG) sowie den Wegfall der sog. Grundmandatsklausel unter anderem mit dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit aus Artikel 38 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Bundesstaatsprinzip aus Artikel 20 Absatz 1 GG, dem Demokratieprinzip aus Artikel 20 Absatz 1 und 2 GG sowie dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 GG für unvereinbar und beantragen die entsprechende Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht.
Streitsachen: Angenommen mit den Stimmen aller Fraktionen haben die Abgeordneten eine Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zur Übersicht 5 über die dem Deutschen Bundestag zugleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ab (20/10411). Demnach soll von einer Stellungnahme oder einem Verfahrensbeitritt zu den in der anliegenden Übersicht aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abgesehen werden. Für
Mangelernährung: Auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (20/7428) hat das Parlament mit der Mehrheit von SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP einen Antrag der AfD-Fraktion abgelehnt, in dem diese von der Bundesregierung verlangt, „Maßnahmen zur Bekämpfung von Mangelernährung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“ zu ergreifen und diese wissenschaftlich zu begleiten (20/4671). In der Vorlage fordern die Abgeordneten unter anderem, dass sich die Regierung beim Gemeinsamen Bundesausschuss dafür einsetze, dass dieser anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich prüfe, ob eine qualitätsbezogene Ernährungsänderung die Güte der Leistungserbringung sichere oder sogar fördere, um anschließend die Vorgaben zur Verbesserung der Ernährung in Krankenhäusern in einer Qualitätsmanagement-Richtlinie festzuhalten. Dabei sollten die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zugrunde gelegt und in Kliniken und Senioreneinrichtungen bundesweit eingeführt werden. Die DGE biete Hilfen für Kindertagesseinrichtungen, Schulen, Betriebe, Krankenhäuser und Rehakliniken, Senioreneinrichtungen sowie Mitarbeiter von „Essen auf Rädern“ beim Angebot einer ausgewogenen Verpflegung an. Die DGE entwickele im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Qualitätsstandards für verschiedene Zielgruppen.
EU: Die Abgeordneten des Bundestag haben mit breiter Mehrheit einen AfD-Antrag für eine Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes zur Änderung der Verordnung (EU, Euratom) 2020 / 2093 zur Festlegung des mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027 mit dem Titel „Friedenslösung statt Kriegsunterstützung – keine weiteren Gelder für die EU“ (20/10395) abgelehnt. Der Antrag lehnt Vorschläge zur weiteren Finanzierung der Ukraine auf EU-Ebene ab.) Die AfD-Fraktion wendet sich gegen das 50 Milliarden Euro schwere Hilfspaket der EU für die Ukraine. Außerdem will sie russisches Vermögen in der EU unangetastet lassen. Als Begründung verweist die AfD unter anderem auf bestehende und noch nicht genutzte Finanzmittel der EU. Der EU wirft sie vor, immer neue Ausgabenprogramme in Brüssel anzusiedeln, um so die eigene Machtposition zu stärken.
Petitionen: Darüber hinaus wurden sechs Beschlussempfehlungen zu Petitionen abgestimmt, die beim Bundestag eingegangen sind und vom Petitionsausschuss beraten wurden. Es handelt sich um die Sammelübersichten 511 bis 516 (20/10221, 20/10222, 20/10223, 20/10224, 20/10225, 20/10226).
Abschaffung der Quellen-TKÜ gefordert
Darunter befindet sich auch eine Petition mit der Forderung nach Änderung der Strafprozessordnung (StPO) mit dem Ziel, die Quellen‑Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) abzuschaffen. Mittels der Quellen-TKÜ könne der Inhalt von Geräten zur Telekommunikation insgesamt in Echtzeit überwacht werden, heißt es in der Eingabe. Das gehe auch über die für die Ermittlungen relevanten Zwecke hinaus.
So könnten laut Petent auch Details der privaten Lebensgestaltung der miteinander kommunizierenden Betroffenen überwacht werden. Dies geschehe ohne Wissen des Betroffenen oder unbeteiligter Dritte, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, „dass auch Zeugnisverweigerungsberechtigte betroffen sind und ihre Rechte auf diese Weise unterlaufen werden“. Paragraf 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 StPO, auf dessen Grundlage die Quellen-TKÜ angeordnet werden könne, sei daher verfassungs- und völkerrechtswidrig und solle aus diesem Grund gestrichen werden, heißt es in der Petition.
Höhere Eingriffsschwellen für Einsatz von Software
Die in der Sitzung des Petitionsausschusses am 31. Januar gegen die Stimmen der Unionsfraktion verabschiedete Beschlussempfehlung an den Bundestag sieht nun vor, die Petition dem Bundesministerium der Justiz (BMJ) und dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) „als Material“ zu überweisen und den Fraktionen des Bundestags zur Kenntnis zu geben, „soweit es darum geht, die Eingriffsschwellen für den Einsatz von Überwachungssoftware, auch kommerzieller, hochzusetzen“, und das Petitionsverfahren „im Übrigen abzuschließen“. Den Verfahrensgrundsätzen des Petitionsausschusses zu Folge bedeutet dies, dass die Bundesregierung die Petition mit der erwähnten Einschränkung „in die Vorbereitung von Gesetzentwürfen, Verordnungen oder anderen Initiativen oder Untersuchungen einbeziehen soll“.
In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung macht der Petitionsausschuss zunächst deutlich, dass die Annahmen des Petenten hinsichtlich des geltenden Rechts „nicht zutreffen“. Anders als von ihm dargestellt, erfolge bei der Quellen-TKÜ kein Zugriff auf alle auf einem informationstechnischen System gespeicherten Inhalte eines Geräts als solches. Vielmehr sei sie laut Paragraf 100a Absatz 5 StPO grundsätzlich auf die Überwachung der laufenden Kommunikation beschränkt.
Zudem weist der Ausschuss darauf hin, dass die Erhebung von Daten, die in den Kernbereich der Persönlichkeit fallen, laut Paragraf 100d Absatz 1 StPO verboten sei. Komme es versehentlich dennoch zu einer Erhebung, dürften die Daten nicht gespeichert und verwertet werden, sondern seien unverzüglich zu löschen. Dem vom Petenten angemahnten Schutz von Zeugnisverweigerungsrechten – insbesondere von Berufsgeheimnisträgern – werde durch die Regelung des Paragrafen 100d Absatz 5 StPO Rechnung getragen. Zudem seien die überwachten Personen über die Überwachungsmaßnahme zu benachrichtigen, schreiben die Abgeordneten.
Vorgabe des Koalitionsvertrags wird umgesetzt
Ungeachtet dessen macht der Petitionsausschuss darauf aufmerksam, dass im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vereinbart sei, „die Eingriffsschwellen für den Einsatz von Überwachungssoftware, auch kommerzieller, hochzusetzen und das geltende Recht so anzupassen, dass der Einsatz nur nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes für die Online-Durchsuchung zulässig ist“.
Die Bundesregierung habe mitgeteilt, dass eine den Vorgaben des Koalitionsvertrags entsprechende Gesetzesänderung erarbeitet werde, heißt es weiter. Der Ausschuss hält die Petition deshalb für geeignet, in die diesbezüglichen politischen Beratungen und Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden. (hau/irs/22.02.2024)