Staatsangehörigkeitsrecht soll überarbeitet werden
Der Bundestag hat sich am Donnerstag, 30. November 2023, mit der Erleichterung des Zugangs zur deutschen Staatsangehörigkeit befasst. Die Abgeordneten haben erstmals über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (20/9044) beraten. Im Anschluss an die Aussprache wurde die Vorlage zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Heimat überwiesen.
Ministerin: Das Gesetz nutz unserem Land
„Wir brauchen das Gesetz, weil es unserem Land nutzt“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Beginn der Debatte. Es mache Deutschland stärker, moderner und international wettbewerbsfähiger. Nach dem schon beschlossenen Fachkräfteeinwanderungsgesetz werde nun der nächste notwendige Schritt gegangen. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht gehöre zu einer modernen Einwanderungspolitik, sagte die Ministerin. Gerade bei Hochqualifizierten könne mit dem Pfund einer Einbürgerung gewuchert werden. So täten es Einwanderungsländer wie Kanada und die USA ebenfalls. „Den Wohlstand von morgen schaffen wir nicht mit den Regeln von gestern“, sagte Faeser.
Die Innenministerin ging auch auf die antisemitischen Demonstrationen in Deutschland in den vergangenen Wochen ein. Für die Einbürgerung werde ein Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung „ohne Wenn und Aber“ gefordert. „Wer sich antisemitisch betätigt, darf kein Deutscher werden“, machte sie deutlich. Dieses Stoppschild sei schon lange vor dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober im Gesetzentwurf verankert worden. Es gelte auch für alle, die Israel das Existenzrecht absprechen. „Sollte sich im weiteren Verfahren zeigen, dass es im Gesetz dazu Änderungsbedarf gibt, stehe ich dem ausdrücklich offen gegenüber“, sagte Faeser.
CDU/CSU: Gesetzentwurf spaltet das Land
Von einem „Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz“ sprach Alexander Throm (CDU/CSU). „Daran ist auch nichts modern“, fügte er hinzu. Es sei denn, man bezeichne den Verzicht auf eigene innerstaatliche Interessen zukünftig als modern. „Solche Gesetzentwürfe spalten unser Land“, sagte Throm. Seiner Aussage nach ist die Einbürgerung nicht das Thema Nummer eins bei den hochqualifizierten Zuwanderern. Bei einer OEDC-Studie tauche das Thema im Ranking noch nicht einmal auf.
Der Unionsabgeordneten kritisierte auch die verkürzen Fristen bei der Einbürgerung. Es handle sich nicht um eine Wartefrist, sondern um eine Prüffrist des Staates, ob die Integration tatsächlich nachhaltig gelungen ist. Eine Turboeinbürgerung innerhalb von fünf oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar nur drei Jahren sei dafür zu kurz bemessen. Auf Ablehnung stößt bei der Union auch die geplante Akzeptanz einer Mehrstaatlichkeit bei der Einbürgerung. Das sei generell falsch, befand Throm. Wenn nun aber die Ministerin ausgerechnet Frankreich und Holland anführe, müsse deutlich gesagt werden, „dass diese Länder ganz gewiss keine Beispiele für gelungene Integration sind“. Sie stellten eher einen Beweggrund dar, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen.
Grüne: Deutschland ist ein Einwanderungsland
Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von Versäumnissen bei der Anerkennung der Lebensleistung von Migranten, wenn diese teils erst nach mehr als 20 Jahren eingebürgert würden. „Das wollen wir besser machen“, kündigte sie an. Mehr als elf Millionen Menschen würden derzeit in Deutschland ohne die deutsche Staatsangehörigkeit leben. 1,7 Millionen Menschen von ihnen hätten keinen deutschen Pass, „obwohl sie hier geboren sind“. Dieses starke Ungleichgewicht zwischen der Bevölkerung, die hier wohnt und derjenigen, die hier wählen darf, erzeuge Gefühle der Ausgrenzung und sei demokratietheoretisch bedenklich.
Deutschland, so Polat, sei ein Einwanderungsland, dessen offene Gesellschaft „seine Einheit nur in Vielfalt gestalten kann“. Dennoch liege die Einbürgerungsquote im EU-Vergleich weit hinten. „Deshalb kürzen wir die Einbürgerungsfristen, während die Voraussetzungen gleichbleiben“, sagte sie. Als einen Meilenstein bezeichnete Polat die Hinnahme der Mehrstaatlichkeit, die der Lebensrealität vieler Menschen gerecht werde. Die Grünenabgeordnete forderte zugleich, dass es bei der Einbürgerung nicht zu Ungerechtigkeiten kommen dürfe. Frauen, Rentner, Menschen mit Behinderungen oder Menschen, „die unverschuldet arbeitslos geworden sind“, dürften nicht schlechter gestellt werden. „Das werden wir in den Beratungen berücksichtigen“, betonte sie.
AfD: Verschleuderung der Staatsangehörigkeit
Gottfried Curio (AfD) warnte vor einer Verschleuderung der Staatsangehörigkeit. Die Regierung wolle durch deutlich abgeschwächte Bedingungen mehr Ausländer einbürgern. Das Gesetz gebe das klare Signal: „Niemand muss sich mehr integrieren.“ Das illegale Eindringen nach Deutschland über ungesicherte Grenzen werde mit einer „hinterhergeworfenen Staatsbürgerschaft“ noch attraktiver, sagte Curio. Als Lohn erhoffe man sich ein paar Dankeskreuzchen auf dem Wahlzettel. „Die Umverteilungspartei importiert sich extra ihr eigenes Wählerprekariat“, sagte Curio und sprach von einem „kalten Staatsstreich per Umbau der Wählerdemografie“. Es dürfe nicht sein, dass „absterbende Parteien“ den Bürgern das eigene Land unter den Füßen wegziehen.
Der AfD-Abgeordnete sprach sich gegen eine „Zementierung der illegalen Massenzuwanderung“ durch eine künstlich forcierte und sachwidrige Einbürgerung aus. „Weg mit diesem Gesetz“, forderte er.
Minister: Müssen uns von jahrelangen Illusionen trennen
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) sieht in dem Gesetzentwurf eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts „im Lichte unserer Interessen“. Mit ihm trenne man sich von jahrelangen Illusionen. Eine davon sei der Glaube, ohne Einwanderungen in den Arbeitsmarkt auskommen zu können. Fakt sei aber, dass Menschen gebraucht würden, „die nach Deutschland kommen, um hier von ihrer eigenen Arbeit zu leben und Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen“.
Eine weitere Illusion sei, dass jeder Mensch, der nach Deutschland kommt, „willens und in der Lage ist, den Unterhalt für sich und seine Familie durch eigene Arbeit zu bestreiten“. Zu viele lebten derzeit von Transfereinkommen, sagte Buschmann. „Wer als Ausländer von Sozialleistungen lebt, wird künftig kein Staatsbürger mehr werden können“, so der Minister. Eine Verschleuderung der Staatsangehörigkeit sei für ihn nicht erkennbar, da die Anforderungen sogar gesteigert würden. Ausnahmen würden nur für Gast- und Vertragsarbeiter gelten, die ein ganzen Leben in Deutschland gearbeitet hätten.
Linke: Langfristige Perspektiven eröffnen
Gökay Akbulut (Die Linke) begrüßte den Gesetzentwurf. Derzeit lebten fast zwölf Millionen Menschen in Deutschland, die nicht Staatsbürger seien und von politischer Teilhabe ausgeschlossen seien. Daher sei das Gesetz richtig. Erst die Staatsbürgerschaft eröffne den Menschen eine langfristige Perspektive für ihr Leben in Deutschland, sagte Akbulut. „Der deutsche Pass steht daher nicht am Ende eines langwierigen mühsamen Integrationsprozesses. Die Staatsbürgerschaft ist die Bedingung für erfolgreiche Integration“, sagte die Linken-Abgeordnete.
In keiner Weise einverstanden sei sie jedoch mit der geplanten Verschärfung bei der Sicherung des Lebensunterhalts. „Wer Sozialleistungen bezieht, darf kein Deutscher werden? Das lehnen wir ab“, sagte sie. Einkommensverhältnisse dürften kein Kriterium dafür sein, wer den deutschen Pass bekommt.
SPD: Lebensrealitäten anerkennen
Das Gesetz, so sagte Dirk Wiese (SPD), ermögliche Menschen, die schon lange in Deutschland seien, das „finale Heimischwerden“, ohne ihre Wurzeln abbrechen zu müssen. Damit würden Lebensrealitäten anerkannt. Von einer Verramschung der Staatsbürgerschaft kann aus Sicht des SPD-Abgeordneten nicht gesprochen werden. „Das Gegenteil ist der Fall.“
Es werde anerkannt, wenn sich die Menschen hier besonders einbringen, sie besondere berufliche Leistungen erbringen und sich ehrenamtlich engagieren. „Das setzen wir für eine schnellere Einbürgerung voraus“, sagte Wiese. Wenn dennoch getäuscht werde, sei die Einbürgerung rückwirkend zehn Jahre widerrufbar.
FDP: Ordnung und Kontrolle bei der Migration
Das Gesetz sei ein Beitrag zu Ordnung und Kontrolle bei der Migration, sagte Konstantin Kuhle (FDP). Mit Blick auf die antisemitischen Exzesse auf deutschen Straßen wies er daraufhin, dass derartige Handlungen künftig eine Einbürgerung entgegenstünden.
In der Vergangenheit sei mit dem geltenden Recht nicht genau genug hingeschaut worden, wer eingebürgert wird. „Das wollen wird ändern“, sagte Kuhle.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Mit ihrem ersten Gesetzentwurf (20/9044) will die Bundesregierung den Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit erleichtern und zugleich einen Anreiz zur schnellen Integration schaffen. Vorgesehen ist, bei Einbürgerungen künftig Mehrstaatigkeit generell hinzunehmen. Zugleich soll eine Einbürgerung in der Regel bereits nach einem Aufenthalt von fünf statt bisher acht Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen auch schon nach drei Jahren.
Auch die für den automatischen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eines Kindes ausländischer Eltern durch Geburt im Inland erforderliche Aufenthaltsdauer eines Elternteils in der Bundesrepublik soll von acht auf fünf Jahre verkürzt werden und die bisherige Optionsregelung vollständig entfallen.
Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung
Beim Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes als einer Voraussetzung für eine Einbürgerung soll dem Entwurf zufolge gesetzlich klargestellt werden, dass „antisemitisch, rassistisch oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen“ mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind und gegen dessen freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen.
Mit dem Gesetzentwurf soll auch gewährleistet werden, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden durch die Staatsanwaltschaften sicher von strafrechtlichen Verurteilungen erfahren, denen antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Beweggründe zugrunde liegen.
Hinderungsgründe für eine Einbürgerung
Ausgeschlossen sein soll eine Einbürgerung auch im Fall einer Mehrehe oder wenn jemand durch sein Verhalten zeigt, dass er die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet. Bei der Sicherheitsabfrage ist eine Erweiterung des Kreises der zu beteiligenden Sicherheitsbehörden vorgesehen.
Bei der Anspruchseinbürgerung gilt laut Vorlage mit Ausnahme bestimmter Fälle, dass der Lebensunterhalt für sich selbst und die unterhaltspflichtigen Angehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen der Sozialhilfe (SGB XII) oder Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) bestritten werden muss.
Gastarbeiter und Vertragsarbeitnehmer
Ausnahmen davon sollen für Personen gelten, die in den vergangenen zwei Jahren mindestens 20 Monate in Vollzeit erwerbstätig waren, für Menschen, die mit einer in Vollzeit tätigen Person sowie einem Kind in familiärer Gemeinschaft leben sowie für die sogenannten Gastarbeiter und Vertragsarbeitnehmer, die bis 1974 in die Bundesrepublik beziehungsweise bis 1990 in die ehemalige DDR eingereist sind.
Gast- und Vertragsarbeiter müssen dem Entwurf zufolge zudem keinen Einbürgerungstest absolvieren und lediglich mündliche deutsche Sprachkenntnisse nachweisen.
Stellungnahme des Bundesrates
Der Bundesrat unterbreitet in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf eine Reihe von Änderungsvorschlägen. So plädiert er unter anderem für eine ausdrückliche Klarstellung, dass auch „geschlechtsspezifische oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete“ Handlungen mit der Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes unvereinbar sind.
Dem stimmt die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu und empfiehlt, diese Unvereinbarkeit für „antisemitisch, rassistisch, gegen das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung gerichtete oder sonstige menschenverachtend motivierte Handlungen“ festzuschreiben. (hau/sto/30.11.2023)