Minister Robert Habeck: Fachkräftemangel ist ein gravierendes Problem
Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat den Fachkräftemangel in Deutschland in der Regierungsbefragung des Bundestages als gravierendes strukturelles Problem bezeichnet. Es gebe eine Lücke von 700.000 Fachkräften, die Zahl offener Stellen liege knapp unter zwei Millionen, sagte Habeck am Mittwoch, 17. Januar 2023. Es müssten nun alle Potenziale genutzt werden, um Menschen in Arbeit zu bringen. Deutschland sei ein starkes Land, das viele Probleme lösen können, so der Minister, der an die Befürchtungen wegen der Energieversorgungssicherheit vor einem Jahr erinnert.
Habeck betonte, für Investitionen müsse privates Kapital mobilisiert werden. Verschiedene Instrumente wie die EU-Kapitalmarktunion müssten genutzt werden. Der Kern des Klima- und Transformationsfonds sei nach dem Karlsruher Haushaltsurteil bewahrt worden. Was die Bauernproteste der letzten Tage angeht, betonte der Minister, das marktwirtschaftliche Mittel stärker genutzt werden sollten. Auf der Nachfrageseite gebe es eine Übermacht. Die landwirtschaftlichen Erzeuger sollten sich auf dem Markt fairer durchsetzen können. Habeck deutete an, dass die Durchsetzungskraft der Überwachungsbehörden wie des Kartellamts gestärkt werden könnte.
Schulze: Demokratie vor innerer Zerstörung schützen
Als zweites Regierungsmitglied stellte sich die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Svenja Schule (SPD), den Fragen der Abgeordneten. Wie manche der Proteste abliefen, so die Ministerin, müsse Demokratinnen und Demokraten aufschrecken. Die demokratischen Parteien müssten dem entgegenstehen.
Die Demokratie sei der Gefahr ausgesetzt, dass ihre Feinde sie von innen zerstören wollen. „Unsere Demokratie“ sei das stärkste, was man Hass und Hetze entgegensetzen könne. Die Demokratie sei die beste Regierungsform, die es gebe.
Agrardiesel und Klimageld
Der CDU-Abgeordnete Andreas Jung sprach die den Auslöser der Bauernproteste, die Abschaffung der Agrardiesel-Vergütung an, die er nicht als klimaschädliche Subvention, sondern als Unterstützung für die Landwirte ansah. Hier widersprach Robert Habeck. Unterstützungen seien Subventionen. Der Bundeshaushalt müsse konsolidiert werden, von den Belastungen könne die Landwirtschaft nicht komplett ausgenommen werden. Er äußerte die Hoffnung, dass die Verluste durch die Preisweitergabe über den Markt aufgefangen werden können. Es gebe auch Entwicklungen für alternative Antriebe von Traktoren, doch werde dies noch etwas dauern.
Dr. Lukas Köhler (FDP) fragte nach dem Klimageld, das die Grünen lieber schon 2025 und nicht erst 2027 auszahlen würden. Habeck wies darauf hin, dass die Regierung die CO2-Bepreisung gesenkt habe. Man werde auf dem weiteren Weg überlegen müssen, wie man damit umgeht.
Wirtschaftsstandort und Wettbewerbsfähigkeit
Enrico Komning (AfD) hielt dem Minister vor, Deutschland sei auf Platz 21 im Standortranking und fragte nach der Haltung Habecks zur sozialen Marktwirtschaft. Der Minister sagte, die Globalisierung stehe vor neuen Herausforderungen. Wichtig sei ein wettbewerbsfähiges Deutschland in Europa, eine starke deutsche Wirtschaft. Dies beginne mit der Energieversorgungssicherheit. Die Regierung unterstütze die Wirtschaft bei der Transformation, um Deutschland und Europa zu stärken und zu schützen.
Dr. Sandra Detzer (Bündnis 90/Die Grünen) pflichtete dem Minister bei, Deutschland sei ein starker Wirtschaftsstandort und international wettbewerbsfähig. Sie fragte nach der Ansiedlung des schwedischen Batterieherstellers Northvolt AB an der schleswig-holsteinischen Westküste. Habeck verwies darauf, dass die Automobilindustrie eine Leitindustrie sei, die sich mitten in der Transformation befinde. Northvolt habe sich für diesen Standort entschieden wegen der dort vorhandenen Dichte der erneuerbaren Energien. Je mehr erneuerbare Energien verfügbar seien, desto später greife der sogenannte Merit-order-Effekt, wonach der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk gesetzt werde.
Fernwärmepreise und CO2-Speicherung
Der fraktionslose Abgeordnete Stefan Seidler vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW), der Partei der dänischen und friesischen Minderheit in Deutschland, erinnerte den Minister an drastisch steigende Fernwärmepreise in der gemeinsamen Heimatstadt Flensburg. Dass die Fernwärme-Preise steigen, sei nicht Wille der Regierung gewesen, erwiderte Habeck und verwies auf das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb hätten die Mehrwertsteuersenkung und die Strom- und Gaspreisbremse früher beendet wrden müssen. Die Preisbildung bei der Fernwärme werde man sich aber noch einmal anschauen.
Helmut Kleebank (SPD) sprach die Carbon-Management-Strategie der Regierung an und fragte nach dem Stand des Prozesses, auch im Hinblick auf den Wasserstoff-Hochlauf. Der Einsatz der CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) zur CO2-Speicherung sei notwendig, weil CO2 als Grundstoff gebraucht werde, sagte Habeck, und kündigte eine Vorlage für das erste Quartal dieses Jahres an.
Impfstoffproduktion in Afrika und Entwicklungspolitik
Kleebanks Fraktionskollege Dr. Karamba Diaby wandte sich an Ministerin Schulze mit der Frage nach der Impfstoffproduktion in vier afrikanischen Staaten, darunter Ghana und Ruanda. Afrika verfüge über viel zu wenig eigene Impfstoffproduktion, sagte Schulze. Wenn dort Impfstoffe produziert würden, müssten sie auch dort genehmigt werden. Deutschland sei begleitend unterwegs, weil man ein Interesse habe, Pandemien frühzeitig zu erkennen, zu bekämpfen und weltweite Pandemien zu vermeiden.
Kathrin Henneberger (Bündnis 90/Die Grünen) fragte nach der Bedeutung der deutschen Entwicklungspolitik. Die Ministerin entgegnete, globale Probleme ließen sich nur durch globale Zusammenarbeit lösen. Andere Länder könnten von deutschen Erfahrungen profitieren. Man müsse helfen, globale Probleme zu lösen.
Zahlungen in die Palästinensergebiete
„Hohe Zahlungen“ in die Palästinensischen Autonomiegebiete sprach Dr. Rainer Kraft (AfD) an. Svenja Schulze betonte, mit Kriegsbeginn seien alle Projekte überprüft worden. An die Hamas sei kein Geld geflossen. Wichtig sei nun mitzuhelfen, dass wieder Frieden in der Region einzieht.
Der CDU-Abgeorddete Lars Rohwer wollte wissen, weshalb Hilfslieferungen für die Palästinensergebiete nicht an die Befreiung der Geiseln gekoppelt worden seien. Dazu sagte die Ministerin, die Hamas sei eine Terrororganisation. Das Auswärtige Amt helfe mit den Vereinten Nationen, dass die Menschen dort versorgt werden. Die längerfristige Hilfe habe man überprüft und werde sie fortsetzen. „Wir wollen eine Zwei-Staaten-Lösung“, sagte Schulze. (vom/17.01.2024)