Überweisungen im vereinfachten Verfahren
Ohne Aussprache hat der Bundestag am Donnerstag, 28. September 2023, mehrere Vorlagen zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen:
Inklusion: Die CDU/CSU-Fraktion drängt auf einen barrierefreien Zugang zu Kultureinrichtungen und -veranstaltungen. In einem Antrag (20/8527), der zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen wurde, fordert sie die Bundesregierung auf, die im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur UN-Behindertenrechtskonvention enthaltenen Maßnahmen im Bereich Kultur umzusetzen, gegebenenfalls zu evaluieren und fortzuschreiben. Zudem soll ein Runder Tisch „Barrierefreie Reise- und Kulturerlebnisse“ unter gemeinsamer Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie der Einbindung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und den Beauftragten von Bund und Ländern für Menschen mit Behinderungen eingerichtet werden. Nach den Vorstellungen der Union soll unter anderem eine Datenbank mit allen barrierearmen und barrierefreien Angebote von Bundeskultureinrichtungen erstellt, ein Leitfaden für die barrierefreie Durchführung von Kulturveranstaltungen aufgelegt und mit geeigneten Förderinstrumenten Barrierefreiheit als Qualitätskriterium zum Standard bei Bundeskultureinrichtungen gemacht und der Kulturpass für 18-Jährige barrierefrei angeboten werden. Die Union verweist darauf, dass in der UN-Behindertenrechtskonvention die volle Teilhabe und Zugänglichkeit, das heißt Barrierefreiheit, in allen Lebensbereichen gefordert werde. Insbesondere Artikel 30 der Konvention benenne die Zugänglichkeit von Kulturorten sowie die Teilhabe von Künstlern mit Beeinträchtigungen. Daraus ergebe sich ein politischer Handlungsauftrag. „Eine Konzeption zur nationalen Umsetzung dieses Artikels im Kulturbereich gibt es aber bislang nicht“, heißt es im Antrag. Im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP werde im Kapitel zur „Inklusion“ zwar der Sport, aber nicht die Kultur erwähnt.
Abgesetzt: Physiotherapie: Die Union hat einen Antrag zur „Reform der Ausbildung der Physiotherapieberufe“ (20/8530) vorgelegt, der eine „Evolution statt Revolution“ einfordert. Die Vorlage wird jedoch nicht, wie ursprünglich geplant, auf die Tagesordnung aufgesetzt.
Chemikalienmissbrauch: Die Unionsfraktion fordert eine strenge Regulierung für die Chemikalie Gamma-Butyrolacton (GBL), die missbräuchlich als K.-o.-Tropfen verwendet wird. GBL werde im Körper in Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) umgewandelt und führe zur Eintrübung des Bewusstseins bis hin zur vollständigen Bewusstlosigkeit, heißt es in einem Antrag der Fraktion (20/8528), der ebenfalls an den Gesundheitsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen wurde. Täter nutzten die geruchs- und geschmacksneutrale Chemikalie, um sie ihren Opfern in Bars oder Diskotheken in die Gläser zu träufeln und sie dann auszurauben oder sexuell zu missbrauchen. Die Opfer könnten sich später nicht mehr erinnern. So liefen die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden meist ins Leere, während besonders die sexuell missbrauchten Opfer noch lange an den psychischen Folgen zu leiden hätten. Das GHB falle seit 2002 unter das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Beim GBL folge eine Strafbarkeit aus Paragraf 95 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Im Gegensatz zu GHB sei aber der bloße Besitz von GBL nicht strafbar, obwohl die psychoaktive Wirkung von GBL mit der von GHB identisch sei. GBL werde vor allem als Lösemittel verwendet. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung dazu auf, wirksame gesetzliche Initiativen zu ergreifen, damit die freie Verfügbarkeit von GBL-Endverbraucherprodukten und anderen als „K.o.-Tropfen“ verwendeten Substanzen sowie der bloße Besitz der Chemikalie GBL von Privatpersonen streng reguliert und unter Strafe gestellt wird. Die industrielle Verwendung der Chemikalie GBL müsse aber weiter zulässig und straffrei sein. Zu prüfen sei die Aufnahme von GBL in die Anlage „verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel“ des BtMG. Ferner sollte eine rechtskonforme Regulierung von GBL in der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV) geprüft werden sowie eine Regulierung über das europäische Chemikalienrecht.
Anbindehaltung: „Kein Verbot der Anbindehaltung aus ideologischen Gründen“ lautet der Titel eines Antrags (20/8533), den die AfD-Fraktion vorgelegt hat. Die Vorlage wird federführend im Landwirtschaftsausschuss beraten. Darin fordern die Antragsteller eine Sicherstellung der Anbindehaltung von Rindern. Die Bundesregierung müsse sich dafür einsetzen, dass es für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung „eine großzügige Übergangsregelung von bis zu 15 Jahren gibt“. Zudem sollten „positive Anreize“ für Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung geschaffen werden, um ihnen eine Weiterentwicklung der Kombination von Anbindehaltung mit Weide oder Laufhof zu ermöglichen.
Hilfsmittel: An den Gesundheitsausschuss überwiesen wurde ein weiterer Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel „Zugang zu medizinischen Hilfsmitteln entbürokratisieren“ (20/8534). Die Versorgung mit einem Hilfsmittel müsse derzeit von der gesetzlichen Krankenkasse vorher genehmigt werden, soweit diese nicht darauf verzichte. Das gelte auch, wenn das Hilfsmittel vom behandelnden Arzt verordnet wurde, heißt es im Antrag. Die Genehmigungspflicht für Hilfsmittel durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) begrenze die Leistungspflicht und damit die Kosten der Krankenkassen, schaffe jedoch individuelle Versorgungslücken für einzelne Patienten und verursache einen hohen bürokratischen Aufwand. Daher sollte, sofern eine Verordnung durch einen Vertragsarzt vorliege, die Genehmigungspflicht für Hilfsmittel abgeschafft und stattdessen eine Regelung eingeführt werden, nach der für die betroffenen Hilfsmittel Festbeträge erstattet werden. Dadurch würden alle Patienten eine Kostenerstattung für die ihnen ärztlich verordneten Hilfsmittel erhalten, während die Festbeträge eine Kontrolle der Kosten ermöglichten.
Übersterblichkeit: Ebenfalls im Gesundheitsausschuss federführend beraten wird ein AfD-Antrag mit dem Titel „Übersterblichkeit untersuchen – Ursachen aufklären“ (20/7463).
Antidiskriminierungsstelle: Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Antrag (20/2696), die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stärken und dadurch den Diskriminierungsschutz zu erweitern. Darin kritisiert sie unter anderem, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Betroffene nur unzureichend vor Diskriminierung schütze. „Es umfasst nicht alle Formen von Ungleichbehandlung, die es zu bekämpfen gilt“, heißt es in dem Antrag. Vor allem das Diskriminierungsmerkmal „sozialer Status“ fehle, obwohl gerade der soziale Status den Betroffenen viele Chancen verwehre und andere Diskriminierungsmerkmale verstärke. Deshalb sei es nötig, die Diskriminierungsmerkmale weiterzuentwickeln. Die Fraktion verlangt von der Bundesregierung, eine Änderung des AGG vorzulegen. So soll unter anderem der Begriff „Rasse“ gestrichen und durch „Diskriminierung aus rassistischen Gründen“ ersetzt werden. Die Diskriminierungsmerkmale sollen um das Merkmal „sozialer Status“ erweitert werden. Eine weitere Forderung ist, die bestehenden Schutzlücken im privaten und öffentlichen Bereich zu schließen, unter anderem mit einem umfassenden Verbandsklagerecht, verlängerten Klagefristen (insbesondere im Arbeitsrecht) und durch die Streichung der wohnungsrechtlichen Ausnahmetatbestände und der sogenannten. Kirchenklausel. Nur so könne gegen Diskriminierungen strukturell und nachhaltig vorgegangen werden, heißt es in dem Antrag, der zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen wurde. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll nach den Vorstellungen der Abgeordneten künftig als oberste Bundesbehörde errichtet werden und für ausgewählte Fälle ein eigenes Klagerecht erhalten.
Milcherzeugung: „Milcherzeugung in Deutschland retten – Marktmacht der Konzerne brechen“ lautet der Titel eines Antrags der Fraktion Die Linke (20/8522), der im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft beraten wird. Die Bundesregierung solle das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz umsetzen und damit den Abschluss von umfassenden schriftlichen Milchlieferverträgen bei fester Vereinbarung von Menge, Preis und Lieferzeitraum unabhängig von der Rechtsform der Beteiligten verpflichtend einführen, heißt es darin. Zudem sei es notwendig, sich auf EU-Ebene für die Einrichtung eines Frühwarnsystems für Marktverwerfungen einzusetzen, das einen freiwilligen Lieferverzicht gegen staatliche Entschädigung ermöglicht, um durch eine Verringerung der Angebotsmenge den Milchmarkt zu stabilisieren und steigende Verluste für Milcherzeuger zu verhindern. Darüber hinaus sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie der Verkauf von Lebensmitteln unter den Produktionskosten als unlautere Handelspraktik ausgeschlossen werden kann.
(eis/irs/che/pk/nki/aw/28.09.2023)