Hitzige Debatte über Krankenhaus-Transparenzgesetz
Vor dem Hintergrund bundesweiter Proteste für den Erhalt von Krankenhäusern hat der Bundestag über die geplante große Krankenhausreform beraten. In der teilweise hitzig geführten Debatte gerieten am Donnerstag, 21. September 2023, vor allem Redner von Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit gegenseitigen Vorwürfen immer wieder aneinander. Das erstmals beratene sogenannte Krankenhaustransparenzgesetz (20/8408) soll den Bürgern helfen, sich in der Krankenhauslandschaft besser zurechtzufinden. Geplant ist die Veröffentlichung eines Transparenzverzeichnisses mit unabhängigen Informationen über die Leistungsbreite und Qualifikation eines Krankenhauses.
Minister: Diese Transparenz ist längst überfällig
Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) hob die Bedeutung der Novelle hervor und wies Vorwürfe im Zusammenhang mit der Finanzierung der Krankenhäuser durch den Bund in scharfer Form zurück. Die Proteste der Betreiber, Ärzte und Pfleger ließen ihn nicht kalt, gab er zu verstehen und versicherte: „Die befürchtete kalte Strukturbereinigung darf und wird nicht kommen.“ Er erinnerte zugleich an die umfangreichen Leistungen des Bundes für die Krankenhäuser in den zurückliegenden Pandemie-Jahren und betonte: „Wir haben als Bund in den letzten Jahren unserer Hausaufgaben immer gemacht.“
So sei in den vergangenen zehn Jahren der sogenannte Landesbasisfallwert um 30 Prozent gestiegen. In der Pandemie habe der Bund die Krankenhäuser mit 21 Milliarden Euro unterstützt. In der jüngsten Energiekrise seien weitere sechs Milliarden Euro hinzugekommen. Anders als der Bund seien die Länder ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen, sie hätten in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 30 Milliarden Euro an Investitionsmitteln zugunsten der Krankenhäuser nicht bezahlt. Wenn die Länder jetzt den Bund für die teils schwierige Finanzlage mancher Krankenhäuser verantwortlich machten, grenze das an Heuchelei.
Lauterbach hob die Gesetzesnovelle als Einstieg in eine umfassende Reform der stationären Versorgung hervor. Die verbesserte Transparenz sei für viele Patienten ein entscheidender Faktor, wenn sie sich für eine Behandlung in einem Krankenhaus entschieden. So würden künftig Informationen über verfügbare Fachärzte und Pflegekräfte in den Kliniken, Komplikationsraten und Erfahrungen mit bestimmten Eingriffen veröffentlicht. Lauterbach betonte: „Diese Transparenz ist längst überfällig.“ Die große Krankenhausreform bestehe insgesamt aus vier Teilen, wovon das Transparenzgesetz der erste Baustein sei. Hinzu kämen eine Finanzreform mit Vorhaltepauschalen sowie Reformen der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes. Lauterbach versprach, Deutschland werde nach der großen Krankenhausreform eines der besten Krankenhaussysteme in ganz Europa haben.
Union: Krankenhäusern steht das Wasser bis zum Hals
Die Opposition warf dem Minister vor, zu spät und ohne Rücksicht auf die akuten Probleme der Krankenhäuser seine Reformpläne durchsetzen zu wollen. Tino Sorge (CDU/CSU) hielt dem Minister vor, sich der Realität zu verweigern und erinnerte an die Proteste der Klinikbetreiber und Beschäftigten von Krankenhäusern vom Vortag. Die Untätigkeit der Regierung sei ein krankenhauspolitischer Offenbarungseid. Statt den Kliniken mit ihren hohen Inflations- und Personalkosten schnell zu helfen, werde ein Transparenzgesetz vorgelegt.
Damit setze Lauterbach den zweiten Schritt vor dem ersten. Viele Kliniken hätten schon Insolvenz angemeldet, andere Häuser würden vermutlich folgen. Sorge sprach von einem fatalen Kontrollverlust. Nötig sei eine Strukturreform, aber keine kalte Strukturbereinigung, sagte Sorge und warb für das von der Union vorgeschlagene Vorschaltgesetz mit einer Brückenfinanzierung für Kliniken. Sorge warnte: „Den Häusern steht das Wasser bis zum Hals.“ Das Transparenzgesetz sei überdies ein bürokratisches Monster.
Grüne werben für nachhaltige Reform
Dr. Janosch Dahmen (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte die Union daraufhin an ihre Verantwortung für die Gesundheitspolitik über so viele Jahre, in denen es einen Stillstand in der Krankenhauslandschaft gegeben habe. Die Union habe mit dazu beigetragen, die Kliniken „ausbluten“ zu lassen, die nunmehr Alarmstufe Rot ausriefen. „Sie haben nicht dafür gesorgt, dass die Kliniken gut aufgestellt sind.“
Auch der Grünen-Abgeordnete erwähnte die erheblichen Summen, die der Bund bereits in die Krankenhäuser investiert habe und fügte hinzu, es gehe nicht einfach weiter mit der Gießkanne. Nötig sei eine nachhaltige Reform, die längst hätte beschlossen werden müssen. Mit Blick auf die aktuelle Transparenznovelle sagte Dahmen, die notwendigen Daten seien fragmentiert verfügbar, sie müssten aber nun zusammengefügt werden.
AfD: Gesetz ist ein Bürokratiemonster
Thomas Dietz (AfD) attestierte der Bundesregierung eine völlig verfehlte Gesundheitspolitik, die nicht nur in der Krankenhausversorgung die nötige Transparenz vermissen lasse. Das jetzt vorgelegte Gesetz sei ein Bürokratiemonster. Dietz betonte: „Natürlich ist Transparenz im Gesundheitswesen notwendig, darüber sind wir uns einig.“ Es bestünden aber schon Formate der Transparenz, etwa der jährliche Qualitätsbericht der Krankenhäuser. Auf den Internetseiten der Kliniken könne sich jeder informieren.
Im Übrigen habe es in der Corona-Pandemie auch keine Transparenz gegeben. „Solange das nicht gewährleistet ist, gehört dieses Gesetz ganz einfach in die Tonne.“ Im Moment müsse es darum gehen, den Krankenhäusern das Überleben zu sichern. Wenn die Bundesregierung die Kliniken weiter in den Ruin treibe, könnten die Menschen künftig froh sein, wenn sie in Wohnortnähe überhaupt noch eine Klinik fänden.
FDP: Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte korrigieren
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) legte Wert auf die Feststellung, dass Deutschland über eine hochwertige Krankenhausversorgung mit einer Spitzenmedizin verfüge. Gleichwohl stehe der Handlungsbedarf außer Frage. So habe Deutschland zwar die größte Krankenhausdichte aller europäischen Länder, aber nicht immer eine hohe Versorgungsqualität.
Sie benannte Fehlanreize durch die Fallpauschalen (DRG) und den Personalmangel sowie Investitionsdefizite durch die Länder über Jahrzehnte.
Die Versäumnisse müssten dringend korrigiert werden. Es gehe darum, die Versorgung bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Die Reform werde auf den Weg gebracht, um Insolvenzen von Krankenhäusern künftig zu verhindern.
Linke: Nahezu alle Kliniken schreiben rote Zahlen
Nach Ansicht der Linksfraktion mangelt es der Bundesregierung an Einsicht und Tempo. Ates Gürpinar (Die Linke) sagte: „Klinikschließungen sind an der Tagesordnung, nahezu alle Kliniken schreiben rote Zahlen.“ Wenn so einhellig für den Erhalt der Standorte demonstriert werde, sollte das Anlass zum Nachdenken sein.
Gürpinar wertete den Gesetzentwurf als Versuch der Gesichtswahrung durch den Minister. Die Vorlage diene nämlich eigentlich dazu, die von Lauterbach geforderten Krankenhaus-Level zu erhalten, die in den Beratungen von den Ländern abgelehnt worden seien. Lauterbach wolle die Level nun über das Transparenzgesetz doch noch durchsetzen, das sei peinlich. Er warnte vor einer kurzsichtigen Krankenhauspolitik. Wenn die Regierung jetzt nichts unternehme, werde es womöglich bald keine Kliniken mehr geben, denen Level zugeordnet werden könnten.
SPD: Startschuss für Krankenhausreform
Optimistisch äußerte sich hingegen Dr. Christos Pantazis (SPD), der von einem „guten Tag für eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung der Patienten“ sprach. Mit dem Gesetzentwurf werde der Startschuss gegeben für die weitgehendste Krankenhausreform der letzten 20 Jahre. Er betonte: „Wir wollen mit dieser Reform eine qualitativ hochwertige, flächendeckende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherstellen, die auch noch in 20 oder 30 Jahren trägt.“
Das bisherige System von Qualität und Transparenz der Krankenhausbehandlung werde weiterentwickelt. Niemand dürfe sich an der Transparenz stören, die Bürger müssten gute und fundierte Entscheidungen treffen können. Das sollte im Gesundheitsbereich selbstverständlich sein. Pantazis betonte: „Wir wollen mehr Transparenz in Krankenhäusern wagen.“
Antrag der Union
Beraten wurde außerdem ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel „Vorschaltgesetz jetzt beschließen und kalte Strukturbereinigung in der deutschen Krankenhauslandschaft verhindern“ (20/8402). Darin warnt die Unionsfraktion vor einer kalten Strukturbereinigung in der Krankenhauslandschaft und fordert ein Vorschaltgesetz zur finanziellen Absicherung der Häuser. Die Krankenhäuser seien durch die Energiepreissteigerungen sowie durch die inflationsbedingten Mehrkosten in weiten Teilen zu einem finanziellen Notfall geworden, heißt es im Antrag der Fraktion. Dabei kritisierten die Krankenhäuser eine chronische Unterfinanzierung bei den Betriebskosten und bei den Investitionskosten, die sich in Teilen auf unzureichende Investitionsmittel einiger Länder zurückführen lasse. Krankenhäuser könnten Preissteigerungen nicht einfach an ihre Patienten oder an die Krankenkassen weitergeben.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erwarte Ende 2023 ein Defizit von rund zehn Milliarden Euro für alle deutschen Kliniken. Es drohten Insolvenzen, solange die geplante Krankenhausstrukturreform nicht greife und keine Brückenfinanzierung sichergestellt werde. Die Abgeordneten fordern neben einer Analyse des zusätzlichen Finanzbedarfs der Krankenhäuser ein Vorschaltgesetz, um Insolvenzen zu verhindern und die Stabilisierung der stationären Versorgung bis zu dem Zeitpunkt sicherzustellen, an dem die geplante Krankenhausreform ihre Wirkung entfalte. Dabei müsse sichergestellt werden, dass insbesondere Energiepreise und Personalkosten auch zeitgleich in die Verhandlungen über die Landesbasisfallwerte einfließen könnten. Auch diese Vorlage überwies das Parlament nach der Debatte an den federführenden Gesundheitsausschuss. (hau/pk/21.09.2023)