Anhörung zur Situation des Ehrenamts in den „Blaulicht-Diensten“
Sie sind da, wenn es brennt, bei Hochwasser oder jeden Sommer am Badestrand: die Ehrenamtlichen der Organisationen des Bevölkerungs- und Katastrophenschutzes – Freiwillige Feuerwehr, THW, DLRG und Malteser. Über Aufgaben, Zustand und Bedarfe der sogenannten Blaulicht-Organisationen informierten deren Vertreterinnen und Vertreter im öffentlichen Fachgespräch des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement am Mittwoch, 18. Oktober 2023.
Personalbestand halten und verstärken
Von einer „besonders verpflichtenden Form“ des Ehrenamtes sprach Andrea Fürstberger, Frauenbeauftragte vom LandesFeuerwehrVerband Bayern e.V. „Der Einsatz kann immer sein“: Die Freiwilligen, die in Bayern das Rückgrat der Feuerwehren stellen, rückten aus, wenn sie gerufen würden, egal, ob um 2 Uhr nachts oder sonntags beim Essen mit der Familie.
Der Nachwuchs werde traditionell durch die Jugendarbeit gewonnen. Gesteigert werden müsse der Anteil der Frauen, die heute in Bayern erst lediglich elf Prozent der Einsatzkräfte stellten, in Baden-Württemberg liege diese Zahl bei fünf und in Mecklenburg-Vorpommern bei 17 Prozent. Zu stark sei in den Köpfen der Bevölkerung noch das Bild vom „Feuerwehrmann“ verankert. Dabei trügen Frauen schon jetzt „erheblich zur Leistungsfähigkeit“ ihrer Vereine bei.
Nachwuchsprobleme dürften nicht einfach durch ein Anheben der Altersgrenze gelöst werden. Die Möglichkeit, ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr mitzuwirken, müsse in der Öffentlichkeit bekannter gemacht werden. Das Aufgabenspektrum sei vielfältig. „Da ist für jeden etwas dabei.“ Um die Attraktivität weiter zu steigern, aber auch, um einen modernen und sicheren Betrieb aufrecht zu erhalten, müsse man es jetzt in Angriff nehmen, viele bauliche Anlagen aufzurüsten, mahnte Fürstberger.
Unverzichtbarer Dienst an der Gesellschaft
85.000 hochmotivierte Ehrenamtliche bundesweit stehen auf Anforderung rund um die Uhr beim Technischen Hilfswerk bereit, erklärte Burkhard Hamm, Vorstandsvorsitzender der THW-Landesvereinigung Schleswig-Holstein e.V. Etwa, um die Polizei unterstützen, bei Naturkatastrophen zu helfen oder weltweit Hilfsgüter in Krisengebiete zu bringen. „Diese Menschen stellen ihre zeitlichen Ressourcen der Bundesrepublik unentgeltlich zur Verfügung“ und leisteten einen unverzichtbaren und unbezahlbaren Dienst an der Gesellschaft.
Mit ihrer großen Bandbreite an Aufgabenfeldern und ihrem Auftrag, Hilfe im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz zu leisten, schaffe es die Bundesanstalt mit 668 Ortsverbänden, die fast jedem unter der Abkürzung THW bekannt ist, zahlreiche Ehrenamtliche an sich zu binden. In den kommenden Jahren gelte es, diesen Personalbestand zu halten oder besser noch zu verstärken. Dazu wolle man allen Mitgliedern eine passende Ausbildung und moderne Ausrüstung bieten. Im ländlichen Raum gestalte sich allerdings die Nachwuchsgewinnung schwierig. Ein Hauptproblem für interessierte junge Leute sei die schwierige Erreichbarkeit des nächstgelegenen Ortsverbandes. Der ÖPNV müsse vielerorts dringend ausgebaut werden.
Die Einsparvorgaben von zehn Prozent für das nächste Haushaltsjahr machten dem THW zu schaffen. Um die Attraktivität der Organisation zu erhalten und steigern, müsse man den meist technikaffinen Ehrenamtlichen moderne Ausrüstung und genügend Kurse anbieten. Aber bereits jetzt könne man lediglich 20 Prozent der gewünschten Fortbildungen durchführen. Technisches Gerät wie Drohnen könnten nicht in ausreichender Zahl beschafft werden. Die Kürzungen bedrohten auch dringend nötige Bauvorhaben. Es reiche von Garagen, Lager- und Umkleideräumen bis hin zu Lage- und Führungszentren. Hamm forderte die Politik auf, die Finanzierung wie bisher fortzuschreiben.
Hohe Anforderungen an Ausbildung und zeitliche Verfügbarkeit
Sicherheit rund um das Thema Mensch und Wasser schaffe ihre Organisation mit 580.000 Mitgliedern und 1,3 Millionen Förderern, sagte Ute Vogt, Präsidentin der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. Sämtliche Kräfte im Einsatz im oder am Wasser seien ehrenamtlich Tätige, lediglich die Verwaltung werde durch Hauptamtliche erledigt. Der Verein finanziere sich fast ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge. In ganz Deutschland betreue der Wasserrettungsdienst der DLRG 2.700 „Wachgebiete“ an Binnengewässern und und an den Küsten, unterhalte 2.500 Wasserfahrzeuge und über 100 „Wasserrettungszüge“.
Wie es für die anderen „Blaulicht“-Dienste auch gelte, stelle man an die Ehrenamtlichen hohe Anforderungen an Ausbildung und zeitliche Verfügbarkeit. „Wer bei uns eine Funktion hat, muss auch eine Qualifikation haben.“ Und wenn man als Schwimmlehrer einen Kinderschwimmkurs betreue, müsse man eben wöchentlich zum festgelegten Termin im Schwimmbad sein. Die Herausforderung für die Ehrenamtlichen sei, dass bei der DLRG eine sehr verbindliche Arbeit geleistet werde.
Rechtliche Gleichstellung von Helfern
Wie der Brandschutz oder die Medizinische Hilfe müsse die Wasserrettung in das Zivil- und Katastrophenschutzgesetz aufgenommen werden, forderte Vogt. Das Nebeneinander unterschiedlich formulierter Ländergesetze würde man als bundesweit tätige Organisation gerne überwinden und stattdessen ein bundeseinheitliches Regelwerk schaffen. Um den Verein finanziell zu entlasten und die Arbeit der Ehrenamtlichen zu erleichtern, freue man sich über jede Unterstützung. Freifahrten mit Bus und Bahn, beispielsweise zu Weiterbildungen, würden enorm helfen, sagte sie.
Weitere Verbesserungen wünsche man für die Ehrenamtlichen für ihre rechtliche Gleichstellung mit den Helfern anderer Organisationen wie dem THW, aber auch durch einen verbesserten Versicherungsschutz bei Einsätzen, Freistellungs- und Sonderurlaubsregelungen sowie eine Lohnfortzahlung und einen Steuerfreibetrag. Dem Verein würde zudem eine Umsatzsteuerbefreiung bei der Beschaffung von Einsatzmitteln helfen.
Vogt mahnte zudem, flächendeckend eine ausreichende Zahl an Schwimmbädern bereitzuhalten. Ob für Kinderschwimmkurse oder die Ausbildung von Strömungsrettern: Die Bäder seien ein wichtiger Baustein im Bevölkerungs- und Zivilschutz. In die neue Engagementstrategie des Bundes solle man das Bundesinnenministerium stärker einbinden und eine „Teilstrategie Bevölkerungsschutz“ aufnehmen. Auch das Instrument des Bundesfreiwilligendienstes gelte es zu stärken, statt dort zu kürzen. Die Freiwilligen seien eine wichtige Unterstützung der Ehrenamtlichen und eine wichtige Rekrutierungsquelle für neue Mitglieder.
Grundidee: Menschen in Not zu helfen
Eine Vielfalt an Engagementfeldern im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz bearbeitet auch der Malteser Hilfsdienst, wie Frank Weber, Geschäftsführer der Malteser Hilfsdienst gGmbH, darstellte. 55.000 Ehrenamtliche leisteten bei seiner Organisation Dienst an der Gesellschaft und unterstützten den Staat. Von dem breiten Aufgabenportfolio des Malteser Hilfsdienstes, von der Einkaufshilfe über die Sterbebegleitung bis zum Krankentransport, profitierten im Ernstfall die Katastrophenschützer. Dann ziehe man aus anderen Bereichen Personal ab. „Im Einsatzfall sind das alles Malteser.“ Die Grundidee sei, Menschen in Not zu helfen.
Die Bundesengagementstrategie begrüße man. Künftig müsse es darum gehen, Projekte im Bereich des ehrenamtlichen Engagements längerfristiger zu fördern. „Da brauchen wir einen längeren Atem.“ Ganz dringend sei außerdem eine Unterstützung bei der Digitalisierung. Bei den rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen wolle man für die eigenen Ehrenamtlichen den Standard erreichen wie er für die Mitarbeiter des THW gelte. Wo es keine Bundeskompetenz gebe, sollten die Länder ihre Gesetzgebung untereinander und auch mit dem Bund synchronisieren. Man wünsche sich auch eine stärkere Zuarbeit vom Bundesinnenministerium und eine Zusammenarbeit mit dem Innenausschuss des Bundestages. Schleswig-Holstein habe ein gutes Gesetz, das als Muster dienen könne. Weber hob ebenfalls die Bedeutung des Freiwilligendienstes hervor: Kürzungen seien hier unangebracht.
Er warb dafür, die Bedingungen für das Ehrenamt noch attraktiver zu machen, es gebe genug junge Leute, die sich engagieren wollten. Denen müsse man Angebote machen. Auch für spontan Hilfswillige gelte es neue Zugangswege zu schaffen. „Wir brauchen attraktivere Mitwirkungsmodelle, um das Ehrenamt im Katastrophenschutz langfristig attraktiv zu halten.“ Ehrenamt in den „Blaulicht-Diensten“ stelle eine ganz besondere Form des Ehrenamtes dar. Die Arbeit dieser Ehrenamtlichen in Uniform schafften Vertrauen in einen funktionierenden Staat. „Wir stabilisieren die innere Sicherheit und wir stabilisieren das Ehrenamt.“ Ohne Ehrenamt gebe es in diesem Land keinen leistungsfähigen Bevölkerungsschutz. (ll/19.10.2023)