Zeit:
Montag, 13. November 2023,
14
bis 17 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.900
Interessenvertretungen von Soldaten und Gewerkschaften haben Bedenken gegen den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur schnelleren Entlassung von Verfassungsfeinden aus der Bundeswehr (20/8672). Dies zeigte sich in der öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses am Montag, 13. November 2023. Einig zeigten sich die geladenen Sachverständigen in der Einschätzung, dass Verfassungsfeinde keinen Platz in den Streitkräften haben und diese schnellstmöglich aus dem Dienst zu entfernen seien.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Zeit- und Berufssoldaten, die bereits mehr als vier Jahre in den Streitkräften dienen, durch einen Verwaltungsakt aus dem Dienst entlassen werden können, wenn sie in „schwerwiegender Weise Bestrebungen verfolgen oder unterstützen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ gerichtet sind. Nach der geltenden Rechtslage können Zeit- und Berufssoldaten nach vier Jahren Dienst erst nach dem rechtskräftigen Abschluss eines entsprechenden Disziplinarverfahrens entlassen werden.
„Bundeswehr ist nicht von Extremisten“
Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Soldaten der Bundeswehr, Hauptmann Andreas Füllmeier, argumentierte, dass die derzeitige Rechtslage ausreichend sei, um verfassungsfeindliche Soldaten aus der Truppe zu entlassen. Die Bundeswehr sei „nicht von Extremisten“ durchsetzt, betonte Füllmeier. Dies zeigten auch die aktuellen Zahlen. Der Gesetzentwurf aber setze die Unschuldsvermutung außer Kraft, stelle die Soldaten unter eine Art Generalverdacht und schade somit dem wechselseitigen Dienst- und Treuegebot zwischen dem Dienstherrn und den Soldaten. Zudem eröffne das Gesetz die Möglichkeit einer missbräuchlichen Anwendung, um unliebsame Soldaten aus dem Dienst zu entfernen. Um verfassungsfeindliche Soldaten schneller aus der Truppe entfernen zu können, wäre es sinnvoller, die vorhanden und zuständigen Truppendienstgerichte personell aufzustocken.
Für eine bessere personelle Ausstattung der Truppendienstgerichte plädierte auch André Wüstner vom Deutschen Bundeswehrverband. Dies sei sicherlich der beste Weg, um verfassungsfeindliche Soldaten schneller aus der Bundeswehr zu entfernen. Die derzeitigen Disziplinarverfahren dauerten mit teilweise mehreren Jahren deutlich zu lange. Im Gegensatz zum Verband der Soldaten der Bundeswehr unterstützt der Deutsche Bundeswehr-Verband den Gesetzentwurf hingegen ausdrücklich. Wüstner bezeichnete das geplante Gesetz als eine Art „Not-Aus“ für Verfassungsfeinde und verwies auf den Fall des Soldaten Franco A.
Experte: Keine Regelungen für eine Rehabilitierung
Deutlich kritischer beurteilte den Gesetzentwurf hingegen Christian Hoffmeister von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die Entfernung eines Soldaten durch einen bloßen Verwaltungsaktes eines Dienstvorgesetzten bei begrenzten Rechtsschutzmöglichkeiten für den Soldaten laufe Gefahr, zu Lasten eines fairen Verfahrens zu gehen. Der Verweis auf den nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz reiche nicht aus, da dies zu einer Verlagerung des Prozessrisikos auf den Soldaten führe und ihn bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung über seine Klage mit wirtschaftlichen und sozialen Unsicherheiten belaste.
In diesem Sinnen argumentierte auch Thomas Kleinschnittger von der Allianz vernetzte Beamtinnen und Beamte in der EU in Deutschland - bei Bund, Ländern und Kommunen. Kleinschnittger monierte zudem, dass der Gesetzentwurf keine Regelungen für eine Rehabilitierung beziehungsweise Entschädigung enthalte für den Fall, dass sich nachträglich herausstellt, dass der aus dem Dienst entfernte Soldat unschuldig ist. Darüber hinaus mahnte Kleinschnittger an, die Regelungen für Beamte, Angestellte und Soldaten bezüglich einer Entlassung aus dem Dienst im Fall einer verfassungsfeindlichen Betätigung zu harmonisieren. „Verfassungsfeind bleibt Verfassungsfeind“, betonte er. Dies sei unabhängig von seinem Status.
Warnung vor möglichem Missbrauch des Gesetzes
Auch der Rechtsanwalt Dr. Johannes M. Jäger übte Kritik an der Gesetzesvorlage. Sie sei zwar nicht per se verfassungswidrig, verlasse aber den verfassungshistorischen und bisherigen verfassungspolitischen Konsens im Dienst- und Disziplinarrecht der Beamten und Berufs- und Zeitsoldaten seit Bestehen der Bundesrepublik. Ohne den sogenannten Richtervorbehalt sei die prozessuale Fairness zwischen dem Soldaten und seinem Dienstherrn nicht zu sichern. Auch Jäger warnte vor einem möglichen Missbrauch des Gesetzes. Die Änderung des gerichtlichen Entlassungsverfahrens in ein einfaches Verwaltungsverfahren sei nicht angemessen, führte Jäger an.
Die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Kathrin Groh räumte zwar ein, dass die Gesetzesvorlage einen Systemwechsel darstelle, dieser aber sei „verfassungsrechtlich unbedenklich“. Groh verwies auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom Januar 2020, in der das Gericht entschieden habe, dass es im Berufsbeamtentum keinen hergebrachten Grundsatz gibt, nach dem die Entfernung eines Beamten aus dem Beamtenverhältnis einem Richtervorbehalt unterliegt. Für die Entfernung von Soldaten aus dem Dienstverhältnis gelte dies erst recht. (aw/14.11.2023)