Kinderkommission

Forderung nach passenden Mobilitätsangeboten für Kinder und Jugendliche

Ob für den Schulweg, für den Weg zu Freunden oder für Ausflüge: Kinder und Jugendliche sind auf passende Mobilitätsangebote angewiesen, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Ihre Perspektive muss deshalb bei der Entwicklung der Infrastruktur, bei Bauvorhaben, die künftige Generationen betreffen, stärker einbezogen werden, forderten die beiden Sachverständigen im öffentlichen Fachgespräch der Kinderkommission des Deutschen Bundestages (Kiko) zum Thema „Klima und Mobilität“ am Mittwoch, 11. Oktober 2023

Ein schlecht ausgebauter ÖPNV habe ihn als Kind in seiner Heimat Rheinland-Pfalz davon abgehalten, die Landeshauptstadt zu besuchen, erzählte Moritz Tapp, 22, vom Verband BUNDJugend. Das regionale Schülerticket endete an der Stadtgrenze. 

Zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem ÖPNV

Um den spezifischen Mobilitätsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden, gelte es, dem Individualverkehr mit dem Auto künftig weniger Platz einzuräumen und die Verkehrsträger, die junge Leute vor allem nutzen, auszubauen. Ein gut ausgebautes Straßennetz bringe Menschen unter 18, die selber noch nicht Auto fahren, nichts. Die meisten in dieser Altersgruppe gingen zu Fuß, führen mit dem Rad oder nutzten den ÖPNV, sagte Tapp.

Klimafreundlich sei eine Privilegierung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr. Und schließlich trage ein geringerer Flächenverbrauch durch Autos zum Erhalt der Artenvielfalt bei, erklärte der Student der Raumplanung. Wenn man von der Fokussierung aufs Auto gerade auf dem Land wegkomme und dort einen attraktiven ÖPNV anbiete, „wäre dies ein riesiger Zugewinn“ für Kinder und Jugendliche. Die „Unterverfügbarkeit“ von ÖPNV vor allem in Randzeiten stelle eine „massive Freiheitseinschränkung“ dar.

Es gehe darum, jungen Menschen unabhängig von ihrem sozialen Status durch einen gut ausgebauten ÖPNV und günstige Ticketpreise die ihnen zustehende Teilhabe zu ermöglichen. Man müsse sich zudem vor Augen führen, dass Kinder im Straßenverkehr besonders gefährdet seien und die Gesellschaft ihnen gegenüber eine besondere Schutzpflicht habe.

16 Milliarden Euro pro Jahr für Verkehrswende gefordert

„Die Klimakrise bereitet mir existenzielle Ängste“, sagte Debora Roschka, 21, von der Initiative „Wir fahren zusammen“. Die junge Generation mache sich Sorgen. Ein wesentlicher Beitrag, um den Klimawandel aufzuhalten, sei die Verkehrswende, weg vom motorisierten Individualverkehr, hin zu einem flächendeckend gut ausgebauten ÖPNV und zu mehr Möglichkeiten für sicheren Fahrradverkehr.

Leider verhindere die aktuelle Verkehrspolitik die Mobilität von Millionen von Menschen. Egal, ob Kinder, Ältere oder Personen mit Einschränkungen: Alle bräuchten einen täglich verlässlichen Nahverkehr. Roschka appellierte an die Politik, „jetzt massiv“ in die Verkehrswende zu investieren. Es brauche 16 Milliarden Euro pro Jahr vom Bund, um „eine Verdopplung“ des ÖPNV-Angebots zu erreichen. „Die Kommunen haben es nicht“ und müssten entlastet werden. 

Erfolg könne die Verkehrswende dabei nur haben, wenn sie sozial gerecht ausgestaltet werde, für die Nutzer wie für die Anbieter. Momentan regierten allerdings Überlastung, Stress und Personalnot. Busfahrer hätten kaum angemessene Pausen und bekämen den Frust der Fahrgäste ab. 

Volle Züge, Verspätungen, fehlende Anschlüsse

Ihre Initiative kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen. Dazu tue man sich mit denen zusammen, die am besten wüssten, wie es geht: den Beschäftigten, Gewerkschaften und Fahrgästen. Mittlerweile hätten die Beteiligten gemerkt: Wir verfolgen alle dasselbe Ziel. Klimabewegung und Beschäftigte sollten sich nicht länger gegeneinander ausspielen lassen. 

Gemeinsam mache man nun der Politik Druck, habe eine Petition gestartet. „Wir spüren einen enormen Rückhalt in der Gesellschaft.“ Jeder habe Bedürfnisse und negative Erfahrungen in diesem Bereich: von vollen Bussen und Zügen über Verspätungen bis hin zu fehlenden Anschlüssen. Mit der Verkehrswende setze man sich für die künftigen Generationen ein. Besonders die jungen Leute profitierten von einem guten ÖPNV.

Bessere Verknüpfungen auf dem Land

Abgeordnete und Sachverständige waren sich einig, dass es gerade auf dem Land bessere Verknüpfungen brauche. Von Region zu Region bedürfe es dabei unterschiedlicher Lösungen. Car Sharing, so eine Position, die zur Sprache kam, funktioniere wegen einer zu geringen Bevölkerungsdichte nicht überall. Der Ausbau von Radwegen und Fahrradstellplätzen hingegen fand von allen Seiten Zustimmung. 

Für die Bewerkstelligung ihres Alltags blieben viele Menschen auf dem Land auf das eigene Auto angewiesen, gab Matthias Seestern-Pauly (FDP) zu bedenken. In den Autos säßen meist auch Kinder, die beispielsweise zu Kursen gebracht würden, sagte Dr. Katja Leikert (CDU/CSU). Der technische Fortschritt werde auch den Individualverkehr klimafreundlicher machen, so die beiden Politiker. „An der CO2-Reduktion arbeiten wir alle“, so Leikert. Auch Bahnprojekte müssten nun schneller voran kommen. Sie freue sich mittlerweile sogar über Verspätungen, weil sie wisse: Da wird jetzt grundsaniert und ausgebaut. 

„Umverteilung umweltschädlicher Subventionen“

Als wichtigste Maßnahmen sah Tapp, die zurückzulegenden Strecken einmal zu überdenken und zu verringern, indem Angebote wieder in ausgestorbene Dorfkerne zurückverlagert würden, sowie, die verschiedenen Verkehrsträger besser miteinander zu verknüpfen und Abstellmöglichkeiten vor allem an den Verkehrsknoten zu schaffen. Zur Finanzierung eines zukunftsgerichteten ÖPNV gehöre außerdem die „Umverteilung umweltschädlicher Subventionen“ für den privaten Flugverkehr.

Roschka forderte die Politik auf, daran mitzuarbeiten, junge Leute zu ermächtigen, die Klima- und Verkehrspolitik und damit ihre Zukunft mitzugestalten und ihnen auf diese Weise das Gefühl der Machtlosigkeit und die Zukunftsangst zu nehmen. (ll/12.10.2023)