Der Bundestag hat am Donnerstag, 12. Oktober 2023, Initiativen der CDU/CSU-Fraktion zurückgewiesen, die für die Speicherung von Kohlendioxid im tiefen Meeresuntergrund plädierten.
So fand etwa der Gesetzentwurf „zu der Entschließung LP.3(4) vom 30. Oktober 2009 über die Änderung des Artikels 6 des Protokolls vom 7. November 1996 zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und sonstigen Stoffen von 1972“ (20/6177) gegen das Votum aller übrigen Fraktionen keine Mehrheit.
Zwei Anträge mit den Titeln „Offensive für CO2-Speicherung und -Nutzung einleiten“ (20/6178) und „CO2-Abscheidung und -Speicherung, CO2-Nutzung sowie Negativemissionen – Chancen für Klima, Industrie und Wohlstand“ (20/5350) wurden mit demselben Stimmverhältnis abgelehnt. Zu den Abstimmungen lagen Beschlussempfehlungen des Umwelt- sowie des Klimaschutzausschusses vor (20/8638, 20/8788, 20/8579).
Grüne: Ampel stellt Carbon-Management-Process fertig
Die Debatte eröffnete Lisa Badum (Bündnis 90/ Die Grünen), die sich wunderte, dass die Union sich immer wieder mit Ehrgeiz für noch nicht ausentwickelte Technologien begeistere – in diesem Fall CCS (CO2-Speicherung) und CCU (CO2-Nutzung) – aber bei bereits auf dem Markt befindlichen Technologien wie der Wärmepumpe ihre Zweifel zum Ausdruck bringe.
Davon abgesehen sei die Ampelkoalition bereits dabei, zu tun, was die Union vorschlage, nämlich einen nationalen Prozess anzustoßen: Der heiße bei der Ampel Carbon-Management-Process und befinde sich in der Fertigstellung.
Union plädiert für „mehr Pioniergeist“
Jens Spahn (CDU/CSU) warb für den Gesetzentwurf der Union, der die Ratifizierung der Änderungen des Londoner Protokolls vorsieht, um die Abscheidung und Speicherung von CO2 im Meeresuntergrund zu ermöglichen. Wenn das Ziel der Politik sei, die Atmosphäre CO2-frei zu bekommen, dann verstehe er nicht, warum die Grünen immer wieder auf der Bremse stünden.
Während Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) sich offen für CO2-Absheidungstechniken zeige, blockiere die Partei alles, was nicht Sonne- oder Windkraft sei. Es brauche „mehr Pioniergeist“ und „weniger ideologische Engführung“, sagte Spahn.
SPD nennt Unioninitiativen „unterkomplex“
Helmut Kleebank (SPD) stellte klar, die Ablehnung der Unions-Vorlagen sei nicht ideologisch begründet – die Anträge seien „einfach unterkomplex“. Wesentliche Dinge würden nicht berücksichtigt. Das Ziel der Ampelpolitik sei ein CO2-freies Leben und Arbeiten, und dabei stünde die Vermeidung von Treibhausgasemissionen im Fokus: Vermeidung vor Verpressung, Abscheidung nur von unvermeidbaren Restemissionen, wie sie zum Beispiel in der Produktion von Zement oder bei der Abfallverbrennung entstünden.
Was man für die Zukunft anstrebe sei darüber hinaus der Versuch, eine CO2-Rohstoff-Kreislaufwirtschaft zu etablieren.
AfD: Union doktert an Symptomen herum
AfD-Vertreter Andreas Bleck erinnerte die Union daran, dass sie es gewesen sei, die unter Kanzlerin Angela Merkel unter anderem den Atomausstieg vorangetrieben habe: Die Ampel mache klima- und energiepolitisch nur heute da weiter, wo die Union aufgehört habe.
Jetzt doktere die Union an Symptomen herum, doch die CO2-Speicherung sei „teuer, energieintensiv und ineffizient“.
FDP: Das Momentum ist da
Olaf in der Beek (FDP) zeigte sich versöhnlicher: „Sie haben Recht“, sagte der Ampelvertreter in Richtung Union: „Das Momentum ist da, es ist jetzt Zeit zu Handeln“. Aber: „Das tun wir auch“, sagte er.
Selbstverständlich wolle man im Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen Techniken der Abscheidung nutzen, um das Klima zu schützen und bis 2045 auf Netto-Null-Emissionen zu kommen. Darüber herrsche fraktionsübergreifend Einigkeit in der Ampel.
Linke plädiert für „Weg der Mitte“
Linken-Politiker Klaus Ernst machte deutlich, dass er es für „komplett falsch“ hielte, wenn man die Vorschläge der Union pauschal ablehne.
Wer sage, „das geht gar nicht“, der verkenne, dass zahlreiche andere Länder dieser Erde nicht auf fossile Energien verzichten wollten oder könnten – und auch in Deutschland werde es unvermeidbare Emissionen geben. Er plädierte für einen Weg der Mitte. Davon profitierten alle – „vor allem auch das Klima“
Gesetzentwurf der Unionsfraktion
Nach dem Willen der Union sollten die Ausnahmen für CO2-Ströme, welche im internationalen Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und sonstigen Stoffen (kurz: London-Abkommen) international vereinbart wurden, auch in Deutschland gelten. Der eingebrachte Entwurf sollte die Grundlage für eine Ratifizierung der Änderungen schaffen.
Das London-Übereinkommen verbietet generell die Einbringung von Abfällen und sonstigen Stoffen im Meer, sieht aber bestimmte Ausnahmen vor, so etwa für Baggergut, Klärschlamm, Fischereiabfälle oder sperrige Teile aus Eisen, Beton oder Stahl. CO2-Ströme sind in die Liste der Ausnahmen 2007 im Annex I des Londoner Protokolls aufgenommen worden. Dadurch sind Maßnahmen zur Abscheidung und Speicherung von CO2-Strömen im Meeresuntergrund möglich. Die Speicherung von CO2-Strömen in der Wassersäule ist aber danach verboten.
Erster Antrag der CDU/CSU-Fraktion
In ihrem ersten Antrag (20/6178) untermauerte die Unionsfraktion ihre Forderung nach einem Gesetzentwurf der Bundesregierung, um die Ergänzung von Artikel 6 des London Protokolls zu ratifizieren, und verwies auf den eigenen Gesetzentwurf (20/6177). Des Weiteren sollte die Bundesregierung die Erklärung der vorläufigen Anwendung von Artikel 6 des London Protokolls „gemäß Beschluss von 2019“ vor der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization, IMO) abgeben und unverzüglich Gespräche mit für die CCS- und CCU-Technologie offenen Partnerländern aufnehmen.
Für den grenzüberschreitenden CO2-Transport zwecks Speicherung im tiefen Meeresuntergrund sollte die Bundesregierung außerdem die notwendigen Änderungen in nationales Recht umsetzen, schrieben die Abgeordneten.
Zweiter Antrag der Unionsfraktion
Deutschland habe sich verpflichtet, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, hieß es im zweiten Antrag der Unionsfraktion (20/5350). Das werde ihrer Auffassung nach nicht möglich sein, ohne CO2-Abscheidung und -Speicherungstechnologien (CCS) und perspektivisch auch Nutzungstechnologien (CCU) mit Nachdruck voranzubringen. Daher forderten die Abgeordneten die Bundesregierung auf, einen nationalen CCS- und CCU-Strategieprozess zu starten, die rechtlichen Voraussetzungen für CO2-Exporte und eine inländische und grenzüberschreitende CO2-Transport- und Speicher-Infrastruktur zu schaffen.
Zudem sollte der Rechtsrahmen für die Nutzung der CCS-Technologie in Deutschland aktualisiert und Finanzierungsmechanismen für CCS auf europäischer Ebene etabliert werden. (sas/mis/hau/ste/12.10.2023)