Diskussion über nationale Strategie für soziale Innovationen
Der Bundestag hat am Freitag, 29. September 2023, erstmals über die nationale Strategie der Bundesregierung für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen (20/8372) beraten. Nach der Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Unterrichtung zur weiteren Beratung in den Wirtschaftsausschuss.
Grüne wollen auf Bedarfe eingehen
Melis Sekmen (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich erfreut, dass nun eine Strategie beraten werde, die es vorher so noch nicht gab. „In allen Bereichen geht die Transformation zügig voran“, sagte Sekmen im Plenum, es sei nun an der Zeit, auch auf die Bedarfe der gemeinwohlorientierten Unternehmen einzugehen. Denn diese hätten oftmals Schwierigkeiten, Fremdkapitalgeber zu finden.
Besser gefördert werden sollen auch Frauen, die laut Sekmen im Bereich der gemeinwohlorientierten Unternehmen überdurchschnittlich vertreten sind. Besonders auf deren Bedarfe solle mit Gründerinnen-Zentren und speziellen Coaching-Programmen eingegangen werden.
CDU/CSU: Der Staat muss nicht alles klären
Nadine Schön (CDU/CSU) betonte die Haltung ihrer Fraktion, wonach nicht der Staat alles klären müsse. „Wir denken den Staat von unten nach oben“, so Schön. Deshalb seien soziale Innovationen so wertvoll, wie man in den vergangenen Jahren gesehen habe. Diese zeigten, dass Kreativität und Leistungsbereitschaft und Zusammenhalt aus der Mitte der Gesellschaft entstünden.
„Wenn wir wollen, dass ein solches Engagement nicht verpufft, braucht es ein Gesamtkonzept, ein Ökosystem“, forderte die Christdemokratin im Plenum. In der Nationalen Strategie der Bundesregierung gebe es hingegen zu viele Absichtserklärungen.
SPD: Meilenstein der Innovationspolitik
Sabine Poschmann (SPD) berichtete, dass der Weg zur Strategie ein weiter gewesen sei. „Wir hängen im EU-Vergleich bei der Förderung der sozialen Innovation hinterher“, sagte Poschmann, „das liegt daran, dass Wirtschaftsminister Altmaier das verschlafen hat.“
Die Strategie der Bundesregierung sei hingegen ein „Meilenstein der Innovationspolitik“ an deren Umsetzung nun zügig gearbeitet werden müsse. Gemeinwohlorientierte Unternehmen lösten oft Probleme, die der Staat sonst lösen müsse, so Poschmann. Wenn man diese Unternehmen nun unterstütze, sei das eine „Win-Win-Situation“.
AfD warnt vor einen bevormundenden Staat
Malte Kaufmann (AfD) sagte, bislang habe sich jede Strategie, die die Bundesregierung vorgelegt habe, als „Desaster für Deutschland entpuppt“. In dem Papier komme das Wort „sozial“ 200 Mal vor, das Wort „Marktwirtschaft“ hingegen nur zwei Mal.
„Das ganze Land soll mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung transformiert werden, hin zum Ökosozialismus und zur Planwirtschaft“, so Kaufmann. Die Menschen in Deutschland würden nicht den bevormundenden Staat wollen, „der in die Familien und Unternehmen hineindirigiert.“
Ministerin: Wir wollen mehr soziale Start-ups
Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, sagte, mit dem Programm schaffe die Bundesregierung einen Zugang, wo vorher keiner gewesen sei. „Wir öffnen unsere Programme für soziale Innovationen.“ So würden ab November zwölf Millionen Euro „für frische Ideen von Studierenden und Postdocs“ freigegeben.
„Wir wollen mehr soziale Start-ups“, sagte die Ministerin. Das Land brauche soziale Innovationen genauso wie technologische Innovationen. Die Nationale Strategie sei dafür ein „Fortschrittmacher“, so Stark-Watzinger.
Linke: Gemeinwohlorientierte Unternehmen füllen Lücken
Petra Sitte (Die Linke), sagte, gemeinwohlorientierte Unternehmen füllten Lücken, „von denen wir vorher gar nichts wussten.“ Ihre Fraktion begrüße es, dass Genossenschaften gestärkt werden sollen. In gemeinwohlorientierten Unternehmen arbeiteten meist junge Menschen ohne viel Geld.
„Und sie arbeiten an vielen Stellen, an denen der Markt nicht liefert oder liefern will. Das darf nicht ausgenutzt werden“, so Sitte. Deshalb verdienten diese Unternehmen einen besseren Zugang zu Förderung. Die Linke habe großes Interesse daran, dass die Strategie umgesetzt werde.
FDP:
Nicole Bauer (FDP) sagte, mit der Strategie soll es Gründern ermöglicht werden, „eine bessere Zukunft zu bauen“. Der Staat wolle dem nicht mehr im Weg stehen und die Freisetzung echter Innovation ermöglichen.
Im Mittelpunkt müsse dabei der positive Impact auf die deutsche Wirtschaft stehen: „Social entrepreneurs schaffen Arbeitsplätze und Wachstum“, sagte die Liberale im Plenum. Dies bedeute jedoch nicht, dass solche Unternehmen keinen Gewinn erwirtschaften dürften.
Nationale Strategie der Bundesregierung
Unter sozialen Innovationen versteht die Bundesregierung vor allem neue soziale Praktiken und Organisationsmodelle, die zu tragfähigen und nachhaltigen Lösungen für die Herausforderungen der Gesellschaft beitragen. Dazu zählten beispielsweise neue Pflegekonzepte, neue Anwendungsoptionen von technischen Geräten, neue Netzwerke oder neue Mobilitätskonzepte. Gemeinwohlorientierte Unternehmen sind laut Strategie solche, für die das soziale oder ökologische, gemeinwohlorientierte Ziel Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt. Dies äußere sich oft in einem hohen Maß an sozialer Innovation, deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses Ziel zu erreichen. Deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse widerspiegelten dieses Ziel, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basierten oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet seien. Der Fokus der Strategie richte sich auf die Gründung und das Wachstum kleiner und mittlerer gemeinwohlorientierter Unternehmen. Dazu könnten Unternehmen jeglicher Organisations- und Rechtsformen gehören.
Die Strategie benennt elf Handlungsfelder: Rahmenbedingungen optimieren und strukturelle Hindernisse beseitigen; sozial-innovative und gemeinwohlorientierte Gründungskultur und Unterstützungsstrukturen stärken; Vernetzung, Kollaboration und Transfer voranbringen; öffentliche Beschaffung als Hebel nutzen; Förderinstrumente bedarfsgerecht entwickeln und ausbauen; Wachstum und Wirkung durch optimierte Finanzierungsangebote vorantreiben; Forschung zu sozialen Innovationen und gemeinwohlorientierten Unternehmen ausbauen; Kompetenzentwicklung für soziale Innovationen und gemeinwohlorientiertes Wirtschaften vorantreiben; Wirkungsorientierung und Wirkungsmessung als Standard etablieren; Sichtbarkeit und Anerkennung erhöhen; den europäischen und internationalen Schulterschluss suchen.
In ihrem „Ausblick“ schreibt die Bundesregierung: „Um soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen gezielt zu stärken und um die Regierungsaktivitäten besser mit denen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft, der Wirtschaft sowie des Kapitalmarktes zu verbinden, wird die Bundesregierung Möglichkeiten und Strukturen für den sektorübergreifenden Austausch und zum gemeinsamen Handeln schaffen. Hierbei wird sie die relevanten Stakeholder einbinden, Kompetenzen bündeln und deren Expertise zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie nutzen.“ (vom/29.09.2023)