Dissens über geforderten „Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik“
Die CDU/CSU-Fraktion dringt auf einen Kurswechsel in der deutschen Migrationspolitik. In einem Antrag (20/8404), über den der Bundestag am Freitag, 22. September 2023, erstmals debattiert hat, fordert sie die Bundesregierung zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur spürbaren Reduzierung der irregulären Migration auf. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) betonte in der Debatte, dass man auf allen Ebenen gefordert sei, irreguläre Migration einzuschränken. Dabei liefere die Regierungskoalition „echte, substanzielle Lösungen“, während die Union nur darüber rede. „Wir steuern und ordnen Migration“, sagte die Ministerin.
Antrag der Union
In ihrem Antrag fordert die Union, die Liste der asylrechtlich sicheren Herkunftsstaaten um Georgien, Moldau, Indien sowie um Tunesien, Marokko und Algerien zu erweitern, um Asylverfahren beschleunigt durchzuführen. Auch soll die Bundesregierung dem Antrag zufolge an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz stationäre Grenzkontrollen mit ergänzender flexibler Schleierfahndung etablieren. Zugleich fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, alle Bundesaufnahmeprogramme einzustellen. Auch das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan sei „umgehend einzustellen, soweit es über die Aufnahme von Ortskräften hinausgeht, die in Afghanistan für Deutschland tätig waren und denen dort deshalb Verfolgung oder Repressionen drohen“, heißt es in dem Antrag weiter.
Danach soll die Bundesregierung in der Migrationspolitik zudem „Pull-Faktoren“ vermeiden, „die Anreize für irreguläre – und oft lebensgefährliche – Migrationswege setzen“. Verkürzte Einbürgerungsfristen seien ebenso abzulehnen wie Spurwechsel aus der irregulären in die reguläre Migration. „Immer weiter ausufernde Bleiberechte für ausreisepflichtige Personen“ sollen dem Antrag zufolge vermieden und der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten nicht ausgeweitet werden. Ferner plädiert die Union dafür, Sachleistungen vorrangig zu Geldleistungen zu gewähren.
Vereinbarungen über Rücknahme von Staatsangehörigen
Daneben fordert sie die Bundesregierung auf, mit den relevanten Herkunftsstaaten wirksame Vereinbarungen über die Rücknahme ihrer Staatsangehörigen abzuschließen, um Ausreisepflichten besser durchsetzen zu können. Des Weiteren macht sie sich für intensivere Anstrengungen von Bund und Ländern zur freiwilligen Rückkehr und zu Rückführungen stark und spricht sich dafür aus, dass Abschiebungshaft unabhängig von Asylanträgen möglich sein soll.
Darüber hinaus sollen nach dem Willen der CDU/CSU unter anderem Anreize für eine Sekundärmigration nach Deutschland durch eine Annäherung der Sozialstandards in der EU für Asylbewerber und Schutzberechtigte gesenkt werden. Auch werde eine Klarstellung im europäischen Recht gebraucht, „dass Sozialleistungen – auch nach Abschluss des Asylverfahrens – nur im zuständigen Mitgliedstaat bezogen werden können“.
Ministerin: Es gibt keine einfachen Lösungen
Faeser warnte in der Aussprache mit Blick auf Forderungen aus der Union nach einer Obergrenze bei den Migrationszahlen davor, „einfache Lösungen zu präsentieren, obwohl es die nicht gibt“. Zugleich verwies sie darauf, dass sie die Bundespolizei an den Grenzen insbesondere zu Polen und Tschechien mit mehreren Hundertschaften verstärkt habe, die dort erfolgreiche Schleierfahndung machten. Auch habe sie Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität auf den Weg gebracht.
Zudem werde die vom Bundeskabinett beschlossene Einstufung von Georgien und Moldau als sichere Herkunftsländer für eine deutliche Entlastung sorgen. Die Koalition schütze das individuelle Grundrecht auf Asyl auch vor Missbrauch und habe einen „klaren Kurs in der Migrationspolitik: Fachkräfte gewinnen, Humanität leben, irreguläre Migration beenden“.
Union: Politik der Ampel befördert illegale Migration
Alexander Dobrindt (CDU/CSU) nannte die „Migrationskrise“ die „größte aktuelle Herausforderung der Zeit“ und warnte, dass sich das Thema ohne eine Lösung zu einem „gesellschaftlichen Großkonflikt“ entwickeln könne. Er hielt zugleich Faeser und der Ampelkoalition vor, die „Pull-Faktoren“ ausgeweitet zu haben und mit ihrer Politik die illegale Migration zu befördern.
Die Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten werde von den Grünen im Bundesrat blockiert. „Lösen Sie sich endlich vom grünen Gängelband und machen Sie einen Deutschland-Pakt, der mit uns möglich ist, um die illegale Migration zu begrenzen“, fügte er an die Adresse der Ministerin hinzu.
AfD: Union übernimmt AfD-Positionen
Dr. Bernd Baumann (AfD) sagte, die Union mache mit ihrem Antrag „eine Wende um 180 Grad“ und übernehme dabei alle Positionen der AfD bis ins Detail. So habe die AfD schon mehrfach Sach- statt Geldleistungen für Migranten gefordert, ebenso wie eine Begrenzung des Familiennachzugs oder Kontrollen an den Binnengrenzen.
Wegen dieser Position sei seine Partei als rechtsradikal beschimpft worden, und heute fordere die Union selbst diese Maßnahmen. Dabei sei der „einzige Grund für den öffentlich inszenierten Richtungswechsel der CDU“ der Erfolg der AfD.
Grüne: Asylverfahren müssen schneller werden
Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) betonte, dass die Kommunen angesichts der „extrem hohen Belastungen“ bei der Unterbringung der Flüchtlinge genügend Geld brauchten, um die notwendigen Strukturen vor- und aufrechthalten zu können. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass die Asylverfahren schneller werden und für viele Flüchtlinge ihr Status geklärt wird.
Zugleich müsse man klarmachen, dass Deutschland ein Einwanderungsland sei. „Wir sind ein Land von Migration; wir sind ein Land, in dem das individuelle Recht auf Asyl gilt“, sagte Göring-Eckardt.
Linke: Katalog setzt nur auf Abschottung und Entrechtung
Clara Bünger (Die Linke) kritisierte, der Forderungskatalog der Union enthalte keine substanziellen Lösungen, sondern setze nur „auf Abschottung und Entrechtung“. So wolle sie vermeintliche Anreize für Geflüchtete vermeiden und Sozialstandards absenken.
Dabei gebe es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Anreize der Grund dafür seien, dass sich Menschen auf den gefährlichen Weg der Flucht machen. „Menschen fliehen, weil Kriege und repressive Regime sie dazu zwingen und ihnen keine Wahl lassen – nicht, weil es in Deutschland so tolle Sozialleistungen gibt“, betont Bünger.
FDP: Hauptlast tragen die Kommunen
Konstantin Kuhle (FDP) attestierte den Kommunen, die Hauptlast bei der Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zu tragen. Jetzt erwarteten die Städte und Gemeinden eine wirksame Begrenzung der irregulären Migration. Dies müsse die Bundesregierung leisten.
Schon im Mai habe die Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, dass Georgien und Moldau als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen. Mittlerweile sei September, doch die Einstufung habe immer noch nicht stattgefunden. (sto/22.09.2023)