Der Bundestag hat am Donnerstag, 9. November 2023, gegen die Forderung der Fraktion Die Linke nach einer Erhöhung des Mindestlohns gestimmt. Der entsprechende Antrag mit dem Titel „Gesetzlichen Mindestlohn gemäß EU-Mindestlohnrichtlinie erhöhen“ (20/7254) wurde mit der breiten Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, CDU/CSU und AfD gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Der Abstimmung lag eine Beschlussvorlage des Ausschusses für Arbeit und Soziales (20/7670) zugrunde. Ebenfalls mit demselben Stimmenverhältnis abgelehnt wurde auf Basis einer weiteren Empfehlung des Ausschusses (20/8920) der Antrag der Linksfraktion mit dem Titel „Selbstständige Existenzsicherung von Frauen fördern – Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung überführen“ (20/5876). Ein erstmals vorgelegter Antrag der Fraktion (20/9132) mit dem Titel „Gesetzlichen Mindestlohn jetzt auf 14 Euro erhöhen“ wurde im Anschluss an die Debatte an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Linke: Erhöhung reicht vorne und hinten nicht
Um gerade einmal 41 Cent solle der Mindestlohn im kommenden Jahr steigen, beklagte Susanne Ferschl (Die Linke) zu Beginn der Debatte. „Das reicht hinten und vorne nicht. Wir brauchen dringend eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns“, befand sie. Die Bundesregierung stehe in der Verantwortung dafür zu sorgen, „dass der Mindestlohn nicht erneut zum Armutslohn verkommt“, sagte die Linken-Abgeordnete. Daher müsse sie jetzt gesetzgeberisch tätig werden.
Ferschl kritisierte die Arbeitgeberseite in der Mindestlohnkommission, die gegen die Stimmen der Gewerkschaften diese nur geringfügige Erhöhung durchgesetzt habe. Das sei die Retourkutsche der Arbeitgeber auf die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro gewesen, so Ferschl. Sie forderte eine Festschreibung im Mindestlohngesetz, dass die Mindestlöhne mindesten 60 Prozent des mittleren Einkommens betragen, wie von der EU empfohlen. „Damit läge der Mindestlohn ab Januar bei 14 Euro, was auch angemessen ist“, urteilte sie.
SPD: Eine Frage des Respekts und der Leistungsgerechtigkeit
Bernd Rützel (SPD) betonte, seine Partei setze sich sehr dafür ein, dass sich Arbeit lohnt. „Das ist eine Frage des Respekts und der Leistungsgerechtigkeit“, sagte er. Deshalb sei vor acht Jahren der Mindestlohn eingeführt und im letzten Jahr in einem großen Schritt politisch auf 12 Euro erhöht worden. Laut Rützel steht seine Partei eins zu eins zur Mindestlohnkommission. „Wenn sie auf Augenhöhe gleichberechtigt handelt, wird sie viel Zuspruch bekommen“, sagte er.
Aus Sicht seiner Fraktionskollegin Annika Klose (SPD) hat die Kommission jedoch einen Konstruktionsfehler. Während man sich in einer Sozialpartnerschaft am Ende auf etwas einigen müsse, habe diesmal in der Kommission, die eine Seite die andere überstimmt. „So funktioniert das nicht mit dem sozialen Frieden“, sagte Klose. Deshalb müsse man sich das Ganze nochmal anschauen.
Union: Lohnfindung ist Aufgabe der Tarifpartnerschaft
Wilfried Oellers (CDU/CSU) machte darauf aufmerksam, dass die Lohnfindung die ureigenste Aufgabe der Tarifpartnerschaft sei. „Das sollte auch weiterhin so bleiben“, sagte er. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2014, so Oellers weiter, sei notwendig geworden, weil die Tarifpartnerschaft in einigen Branchen nicht funktioniert habe.
Bei dem damaligen Eingriff sei aber vereinbart worden, dies nur einmalig zu tun. Danach sollte die Lohnfindung wieder in die Hände der Tarifpartner gelegt werden, weshalb die paritätisch besetzte Mindestlohnkommission mit einem wechselnden Vorsitz eingeführt worden sei, um eine Entscheidung möglich zu machen. „Diese Entscheidung muss nicht immer einheitlich sein“, sagte der Unionsabgeordnete. Den Versuch, die Weiterentwicklung des gesetzlichen Mindestlohns aus den Händen der Tarifpartner zu nehmen, lehne seine Fraktion ausdrücklich ab.
Grüne kritisieren Beschluss der Mindestlohnkommission
Frank Bsirske (Bündnis 90/Die Grünen) übte deutliche Kritik an dem Beschluss der Mindestlohnkommission. Sie habe mit den Stimmen der Arbeitgeber und der neuen Vorsitzenden den auf Konsensfindung bedachten Weg verlassen und sechs Millionen Arbeitnehmern im Niedriglohnbereich für die nächsten Jahre einen drastischen Reallohnverlust verordnet.
Bsirske zitierte den nordrhein-westfälischen Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der die Kommission eine Katastrophe und die Erhöhung einen Witz genannt habe. Laumann habe zudem die Vermutung geäußert, dass sich die Gewerkschaften wohl nicht weiter an dem Prozess der Mindestlohnfindung unter solchen Vorzeichen beteiligen wollten. Schließlich habe sich der CDU-Politiker für eine Lohnuntergrenze nicht unter 60 Prozent des Medianlohns und eine entsprechende Änderung des Mindestlohngesetzes ausgesprochen. „Das genau ist auch die Beschlusslage meiner Fraktion“, sagte der Grünenabgeordnete.
AfD: Wir wollen, dass zusätzliche Leistungen ausgezahlt werden
Jürgen Pohl (AfD) lehnte die Vorschläge der Linksfraktion ab. Seiner Fraktion gehe es um die konkrete Verbesserung der Einkommenssituation der Arbeitnehmer, sagte er. Daher müsse der gesetzlich vorgeschriebene Mindestlohn als regelmäßiges Grundentgelt für eine Zeitstunde definiert werden.
Andererseits sollten die über das Grundentgelt hinausgehenden Entgeltbestandteile wie Zulagen, Sonderzahlungen und Prämien zuzüglich gezahlt werden. „Die AfD schützt also die Arbeitnehmerinteressen“, sagte Pohl. „Wir wollen, dass zusätzliche Leistungen ausgezahlt werden.“
FDP gegen Mindestlohn von 14 Euro
Carl-Julius Cronenberg (FDP) erteilte der Forderung nach einem Mindestlohn von 14 Euro eine Absage. Es dürfe keinen politischen Überbietungswettbewerb geben, sagte er. Es sei klug und richtig gewesen, dass die Koalition in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart habe, dass es mit der Erhöhung auf 12 Euro bei einem einmaligen Eingriff in die Arbeit der politisch unabhängigen Mindestlohnkommission bleibt und die Kommission in der Folge ihre Arbeit wieder aufnimmt.
Die Linksfraktion wolle nun einen erneuten Eingriff, weil sie mit der Empfehlung der Mindestlohnkommission aus dem Sommer nicht zufrieden sei. „Da gehen wir nicht mit“, machte der FDP-Abgeordnete deutlich. Anpassungen müssten weiter auf Grundlage der Empfehlungen der Sozialpartner kommen und nicht auf Grundlage eines politischen Überbietungswettbewerbes.
Erster Antrag der Linken
Um eine Anpassung des Mindestlohngesetzes (MiLoG) geht es der Fraktion Die Linke in ihrem Antrag (20/7254). Die Abgeordneten fordern von der Bundesregierung, den allgemeinen Mindestlohn auf 60 Prozent des Bruttomedianlohns zu erhöhen. Außerdem solle die Mindestlohnkommission künftig jährlich über eine mögliche Erhöhung des Mindestlohns entscheiden und ihre Stellungnahmen transparent veröffentlichen.
Laut Antrag empfiehlt die EU, dass sich der Mindestlohn eines Landes an dem international anerkannten Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns orientieren soll. Für Deutschland würde dies derzeit einen gesetzlichen Mindestlohn von 13,53 Euro bedeuten, schreiben die Abgeordneten bezugnehmend auf eine gemeinsame Stellungnahme des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung sowie der Hans-Böckler-Stiftung.
Zweiter Antrag der Linken
In einem weiteren Antrag fordert die Fraktion Die Linke, die geltenden Minijob-Regelungen aufzuheben und die bereits existierenden Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen zu überführen (20/5876). Besonders Frauen seien von der Minijobregelung und der Arbeit im Niedriglohnsektor betroffen, heißt es in der Vorlage. Knapp 80 Prozent der erwerbstätigen Frauen in Deutschland könnten mit ihrem Einkommen langfristig nicht die Existenz für sich und ein Kind sichern. Bei 38 Prozente von ihnen liege das Einkommen unter dem Existenzminimum, schreibt die Fraktion.
Durch diesen „ökonomischen Missstand“ könnten Abhängigkeiten von „staatlichen Transferleistungen, Familienangehörigen“ und nicht zuletzt Partnerinnen beziehungsweise Partnern entstehen. Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen zu überführen, sei daher ein erster Schritt für „die ökonomische und gesellschaftliche Selbstständigkeit von Frauen“.
Dritter Antrag der Linken
Die Fraktion Die Linke fordert eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 14 Euro je Stunde. In einem entsprechenden Antrag (20/9132) schreiben die Abgeordneten, nach der einmaligen Erhöhung auf zwölf Euro im Oktober 2022 drohe bei der Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns nun ein Rückschlag. So habe die Mindestlohnkommission im Juni 2023 gegen die Stimmen der Gewerkschaften empfohlen, dass der Mindestlohn zum 1. Januar 2024 auf 12,41 Euro und zum 1. Januar 2025 auf 12,82 Euro steigen soll.
Als Grundlage für diese Empfehlung sei aber nicht etwa die aktuelle Höhe des gesetzlichen Mindestlohns herangezogen worden, sondern die zuvor geltende Höhe von 10,45 Euro. „Damit wurde die parlamentarische Entscheidung, den Mindestlohn auf zwölf Euro zu erhöhen, unterlaufen und die Erfüllung der EU-Mindestlohnrichtlinie, die 60 Prozent des Bruttomedianlohns als Untergrenze für den Mindestlohn empfiehlt, rückte in weite Ferne“, heißt es in dem Antrag, in dem die Fraktion darauf verweist, dass 14 Euro Stundenlohn aktuell rund 60 Prozent des Bruttomedianlohns entsprechen. (des/che/hau/09.11.2023)