Der Bundestag hat am Donnerstag, 30. November 2023, gegen die Streichung der Erbschaftsteuervergünstigungen bei großen Unternehmenserbschaften gestimmt. In namentlicher Abstimmung votierten 621 Abgeordnete gegen einen Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Erbschaftsteuer – Privilegien bei Milliardenerbschaften streichen“ (20/7295). 31 Abgeordnete haben sich für die Vorlage ausgesprochen und ein Parlamentarier hat sich enthalten. Der Antrag sah die Streichung aller Vergünstigungen für große Unternehmenserbschaften vor, um Milliardäre höher zu belasten.
Ebenfalls abgelehnt wurde ein Antrag der AfD-Fraktion, der völlig entgegengesetzt zum Antrag der Linksfraktion forderte, die Erbschaftssteuer vollständig abzuschaffen (20/6388). Die Initiative fand keine Mehrheit gegen die Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP bei Zustimmung durch die Antragsteller. Den Abstimmungen lag jeweils eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zur Vorlage der Linksfraktion (20/9562) und der AfD (20/8438) zugrunde.
FDP: Kein Einnahme-, sondern Ausgabenproblem
Für die FDP-Fraktion kritisierte die Abgeordnete Claudia Raffelhüschen höhere Steuern und den Wunsch nach der Generierung höherer Einnahmen. „Wir haben kein Einnahmeproblem, wir haben ein Ausgabenproblem“, sagte Raffelhüschen und erklärte: „Bevor wir die Ausgabenseite nicht konsolidiert haben, brauchen wir über höhere Steuern gar nicht reden.“
Raffelhüschen lehnte aber auch den AfD-Antrag auf eine vollständige Abschaffung ab, gestand jedoch zu, dass die Erbschaftsteuer reformbedürftig sei. Beispielsweise müssten die Steuerfreibeträge an die Inflation angepasst werden. Allerdings würden diese Vorschläge von den Bundesländern bisher abgelehnt.
Union: So inhaltsleer wie dieser Antrag war keiner
Christian Freiherr von Stetten kritisierte als erster Redner der CDU/CSU-Fraktion, dass seine Vorrednerin von der FDP keinen Rückhalt bei den anderen Ampel-Parteien habe. „Es gab mehr Beifall aus den Reihen der CDU/CSU als von Ihren Koalitionspartnern SPD und Grünen.“
Gerichtet an die Linksfraktion sprach er deren bisherigen finanzpolitischen Sprecher Christian Görke an. „Es war ein sehr kollegiales Zusammenarbeiten“, sagte von Stetten, kritisierte aber auch den Antrag der Linksfraktion. Die habe in der Geschichte ihrer Fraktion zahlreiche Anträge vorgelegt. „So inhaltsleer wie dieser Antrag war keiner“, kritisierte von Stetten und legte nach: „Selbst für eine sterbende Fraktion ist das zu wenig.“
SPD: Mehrheit des Vermögens vererbt oder verschenkt
Tim Klüssendorf bedankte sich für die SPD-Fraktion bei der Linksfraktion für deren Antrag. Es sei wichtig, über das Thema Verteilungsungerechtigkeit zu diskutieren. „Zehn Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts werden jährlich vererbt oder verschenkt“, sagte der Abgeordnete. Darauf fielen lediglich zwei bis drei Prozent Steuern an.
Davon profitierten aber vor allem wenige. 40 Millionen Menschen in Deutschland, also fast die Hälfte der Bevölkerung, besitze nicht mal drei Prozent des Gesamtvermögens. Klüssendorf sagte auch, dass die Mehrheit des Vermögens mittlerweile vererbt oder verschenkt, und nicht durch Arbeit erwirtschaftet werde. Allerding ist der Antrag der Linksfraktion aus Sicht Klüssendorfs zu weitgehend. Der SPD-Abgeordnete verwies darauf, dass Belastungen beim Übergang von kleinen und mittleren Unternehmen beachtet werden müssten.
AfD: Erbschaftsteuer ist unfaire Doppelbesteuerung
Kay Gottschalk, Abgeordneter der AfD-Fraktion, nannte die Erbschaftsteuer „eine unfaire Doppelbesteuerung“, da sie auf bereits versteuertes Kapital erhoben werde. „Wohlstand und Wachstum schafft man nicht durch Umverteilung“, sagte Gottschalk. Deutschland sei das Land mit den zweithöchsten Steuern und Abgaben. „Sie schaffen Armut!“, warf Gottschalk der Koalition vor. Weitere Steuererhöhungen seien Gift für den Mittelstand. Seit 2008 seien die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer nicht erhöht worden.
„Der Mittelstand ist das Rückgrat unserer Wirtschaft“, sagte der AfD-Abgeordnete. Die mittelständischen Unternehmen unterschieden sich dabei deutlich von internationalen Konzernen, die vor allem Steueroptimierung betrieben. Gottschalk weiter: „Wir werden uns mit ganzer Kraft dafür einsetzen, die Erbschaftsteuer abzuschaffen.“
Grüne: AfD will Länderhaushalte schwächen
Für die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen kritisierte Katharina Beck in ihrer Rede den Antrag der AfD-Fraktion. Die Erbschaftsteuer spüle jährlich elf Milliarden Euro in die Haushalte der Bundesländer. „Die AfD möchte die Länderhaushalte schwächen“, warf Beck der AfD vor. Dies würde insbesondere dazu führen, dass bei Bildung gespart werden müsse.
Die Erbschaftsteuer habe aber auch die Funktion, eine zu starke Vermögenskonzentration zu vermeiden, sagte Beck und verwies auf Artikel 123 der Verfassung des Freistaats Bayern. „Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern“, zitierte Beck.
Linke: Das ist volkswirtschaftlicher Schwachsinn
Der antragstellende Christian Görke (Fraktion Die Linke) wandte sich entschieden dagegen, in der aktuellen Finanzlage des Bundes in sozialen Bereichen wie der Rente zu kürzen. Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds sowie zur Schuldenbremse sagte er zur bisherigen Finanzpolitik der Ampel-Koalition: „Die Finanztrickserei hat die Situation hierzulande völlig verändert und verschärft.“ Görke weiter: „Kürzen, kürzen, kürzen, damit machen wir gerade das falsche. Das ist volkswirtschaftlicher Schwachsinn.“
Dem SPD-Abgeordneten Klüssendorf warf er vor, lediglich links zu bleiben. „Aber sie regieren, da würde ich mir mal ein Machtwort Ihres Kanzlers wünschen“, sagte Görke, der seine Rede angesichts des anstehenden Endes seiner Fraktion mit dem Satz beendete: „Es ist nicht Ende aller Tage, ich komme wieder, keine Frage.“
Antrag der Linken
Die Linke fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, einen Gesetzentwurf mit der Streichung der Erbschaftsteuervergünstigungen bei großen Unternehmenserbschaften (vor allem die Paragrafen 13a bis 13c, 19a und 28a des Erbschaftsteuergesetzes betreffend) und der Ausweitung der Tilgungs- und Stundungsmöglichkeiten vorzulegen.
Die Fraktion verweist darauf, dass bei Erbschaften und Schenkungen über 20 Millionen Euro der durchschnittliche Steuersatz nur bei 2,8 Prozent liege. Beispielsweise ließen sich durch Gestaltungen bei den sogenannten Verschonungsbedarfsprüfungen die effektiven Steuersätze weit nach unten drücken, wenn die Steuerschuld nicht aus dem „verfügbaren Vermögen“ – das seien 50 Prozent des Vermögens, welches nach Abzug des begünstigten Unternehmensvermögens sowie der darauf lastenden Schulden übrigbleibt – beglichen werden könne. Um diesem „Missstand“ zu begegnen, ist aus Sicht der Linken eine umfassende Reform der Erbschaftsteuer erforderlich.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert eine Abschaffung der Erbschaft- und der Schenkungsteuer. In ihrem Antrag (20/6388) wird die Bundesregierung aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die AfD-Fraktion begründet ihren Vorstoß damit, dass es sich bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer um Substanzsteuern handle. Solche Substanzsteuern seien ungerecht, weil sie nicht die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen berücksichtigen, sondern ausschließlich ein bestimmtes Vermögen besteuern würden.
Bisher sei das Aufkommen aus der Erbschaft- und Schenkungssteuer für die Länder mit 11,1 Milliarden Euro für das Jahr 2021 vernachlässigbar gewesen. Allerdings werde das Aufkommen aus diesen Steuern in Folge höherer Bewertungen von Immobilien durch das Jahressteuergesetz 2022 massiv steigen. Angesichts der stark gestiegenen Immobilienpreise werde es zu signifikanten Erhöhungen der Erbschaftssteuer kommen. In Einzelfällen seien Steigerungen bis zum 21-fachen der heute zu zahlenden Erbschaft- und Schenkungssteuer zu erwarten. (vom/bal/hle/30.11.2023)