Oppositionsantrag zu Linksextremismus im Parlament beraten
Die AfD-Fraktion konstatiert eine Verschärfung der Sicherheitslage in Deutschland „durch den gewaltbereiten und gewalttätigen Linksextremismus“. Dem müsse mit zusätzlichen Maßnahmen des Rechtsstaates entgegengetreten werden, verlangen die Abgeordneten in einem Antrag (20/7195), der am Donnerstag, 15. Juni 2023, auf der Tagesordnung des Bundestages stand. Die Intensivierung eines personenbezogenen Bekämpfungsansatzes in diesem Extremismusbereich sei unerlässlich, heißt es darin. Nach der Debatte im Plenum überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur weiteren Beratung an die Ausschüsse.
AfD kritisiert „untragbaren Zustand“
Zu Beginn der Debatte ging Martin Hess (AfD) auf die von „hoher Kriminalität“ geprägten Angriffe der „Hammerbande und Lina E.“ auf politische Gegner und die damit zusammenhängenden gewalttätigen Ausschreitungen in Leipzig ein. Dies zeige klar und deutlich, dass das Gewaltpotenzial und das Radikalisierungsniveau des Linksextremismus in Deutschland „immer weiter zunimmt und ein nicht mehr hinnehmbares Ausmaß erreicht hat“. Dagegen müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaates vorgegangen werden, forderte Hess.
Die AfD, so der Abgeordnete weiter, habe vor solchen Entwicklungen immer gewarnt und entsprechende Anträge gestellt. Die Verweigerungshaltung der anderen Fraktionen aber habe die linksextremistischen Gewaltausbrüche erst möglich gemacht. Vertreter von Linken, Grünen und der SPD verharmlosten und relativierten ständig linksextreme Gewalt. „Das ist ein untragbarer Zustand“, sagte Hess.
SPD: Kein Platz für Selbstjustiz
Daniel Baldy (SPD) machte deutlich, dass es in einem demokratischen Rechtstaat „keinen Platz für Selbstjustiz geben darf“. Das habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Zusammenhang mit den Verfahren gegen Lina E. deutlich gemacht. Ebenso inakzeptabel sei Gewalt gegen Polizisten. Auch dazu habe sich die Ministerin deutlich positioniert, befand Baldy.
Dass Lina E. und ihre Mitstreiter zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, zeige, dass Polizei und Justizbehörden in Deutschland den Trend, weg vom ereignisbezogenen Linksextremismus, frühzeitig erkannt hätten und damit umgehen könnten. Es müsse nun beobachtet werden, wie sich diese Trends weiterentwickeln, sagte er. Dies tue die Bundesregierung. „Wir sind nicht auf einem Auge blind, sondern halten die Augen nach allen Seiten offen“, sagte Baldy.
Union: Linksextremistische Gewalttäter
Moritz Oppelt (CDU/CSU) zeigte sich erstaunt, dass sich die AfD in ihrem Antrag auf Einschätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz beziehe, welches sie im Falle des Verdachts rechtsextremer Strömungen in der AfD-Jugend ständig diskreditiere. Das sei ein Spiel mit dem Feuer, sagte Oppelt. Dass es in Teilen Deutschlands ein Problem mit linksextremistischen Gewalttätern gebe, könne nach dem Urteil gegen Lina E. und die Hammerbande sowie den folgenden linksextremen Ausschreitungen niemand mehr leugnen, urteilte der Unionsabgeordnete.
Spätestens seit dem Urteil und den Ausschreitungen müssten nun auch alle Angehörigen der Ampelfraktionen endlich aufgewacht sein. Auch sei zu hoffen, dass Bundesinnenministerin Faeser mit der selben Intensität, mit der sie richtigerweise sich vorgenommen hat, den Rechtsextremismus zu bekämpfen, „künftig auch den Linksextremismus bekämpft“.
Grüne: Linksextremismus nicht unterschätzen
Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grüne) machte deutlich, dass Selbstjustiz, Übergriffe sowie gewalttätige Ausschreitungen bei Demos in unserem Rechtstaat durch nichts zu rechtfertigen seien. „Auch nicht durch vermeintlich legitime Motive.“ Der Rechtstaat dürfe den Linksextremismus nicht unterschätzen. Diese Regierung tue das auch nicht, halte sich aber schlichtweg an Fakten, sagte Kaddor.
Die Analysen und Lagebilder der Sicherheitsbehörden ergäben ein ziemlich eindeutiges Bild, sagte sie. Die besondere Aufmerksamkeit beim Islamismus sei demzufolge seit zwei Jahrzehnten völlig berechtigt. Die größte Gefahr für unsere Demokratie stelle aber aktuell der Rechtsextremismus dar. „Deshalb muss sich die Ampel darauf konzentrieren.“ Eine gleiche Gefahr sähen die Sicherheitsbehörden beim Linksextremismus nicht.
Linke übt Kritik an AfD
Der Antrag, so sagte Martina Renner (Die Linke), müsse eigentlich heißen: „Haltet den Dieb, er hat mein Messer im Rücken.“ Mehrfach schon seien Verbindungen der AfD in gewaltbereite rechtsextreme, aber auch rechtsterroristische Strukturen bekannt geworden. „Ihre Parteimitglieder beteiligen sich am Anlegen von Feindeslisten, sind in den Handel und Schmuggel von Waffen nach Deutschland beteiligt und unterstützen Versammlungen aus denen heraus Kommunalpolitiker bedroht werden“, sagte Renner an die AfD-Fraktion gewandt.
Auch Funktionsträger der Partei seien wegen Widerstands gegen Polizeibeamte verurteilt worden. „Das ist das Problem. Das ist die Herausforderung der Demokratie“, befand die Linken-Abgeordnete.
FDP: Jede Straftat ist eine zu viel
Einen 360-Gradblick forderte Linda Teuteberg (FDP). Aus ihrer Sicht braucht es zwar nicht den Antrag der AfD, „aber schon eine politische Debatte darüber, ob Linksextremismus nicht sehr wohl allzu oft verharmlost wird“. Jede Straftat sei eine zu viel. Überall dort, wo Bürger genötigt und bedroht werden, brauche es den 360-Gradblick. Teuteberg ging auf die Gruppe „Letzte Generation“ ein.
In den letzten Monaten sei zu beobachten gewesen, dass immer wieder die falschen Schwerpunkte in der Diskussion gesetzt würden. Die Frage, ob Straftaten für eine Bewegung in der Imagewirkung förderlich sind oder nicht, gehe fehl. „Straftaten werden auch dann nicht besser, wenn sie Gleichgültigkeit oder gar Beifall in der Bevölkerung auslösen würden“, sagte die FDP-Abgeordnete. Der Rechtsaat müsse ganz deutlich machen, dass nach Recht und Gesetz beurteilt wird, welches Handeln kriminell ist, „und nicht nach politischem Geschmack“.
Antrag der AfD
Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, das bestehende Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE auch auf den Phänomenbereich PMK -links- unter Beachtung erforderlicher Anpassungen schnellstmöglich zu übertragen und den Ländern zur Verfügung zu stellen sowie in diesem Kontext die notwendigen Ressourcen zur Projektdurchführung umgehend bereitzustellen. Die „Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus“ (RADAR-iTE) sei ein Risikobewertungsinstrument, das spezifisch für den polizeilichen Einsatz im Bereich des Staatsschutzes entwickelt worden sei, heißt es in der Begründung.
Mit diesem Instrument würden seit 2017 Personen des islamistischen Spektrums, die polizeilich bekannt sind, im Hinblick auf ihr Risiko für die Begehung einer politisch motivierten schweren Gewalttat in Deutschland bewertet. Auf Grundlage einer standardisierten Fallaufbereitung würden dabei Risiko- und Schutzmerkmale einer Person beurteilt und die Person einer zweistufigen Risikokategorie zugeordnet, womit eine Priorisierung des Personenpotentials ermöglicht werde, was wiederum den effizienten Einsatz polizeilicher Ressourcen begünstige, heißt es in dem Antrag. Für die effektive Bekämpfung in Bezug auf den Rechtsextremismus sei im Bundeskriminalamt (BKA) ab März 2020 das Risikobewertungsinstrument RADAR-rechts, entwickelt worden, dass seit dem 10. Mai 2022 verwendet werde. Ein derartiges Analysewerkzeug wäre aus Sicht der AfD auch im Hinblick auf eine Bewertung gewaltbereiter Linksextremisten von hohem Wert, „denn die linksextreme Szene wird zunehmend enthemmter“.
Verweis auf Fall Lina E.
Die Fraktion verweist in diesem Zusammenhang auf die am 31. Mai 2023 durch den Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Dresden erfolgte Verurteilung von Lina E. und drei Männern wegen mehrerer gewaltsamen Angriffe auf politische Gegner sowie wegen weiterer Straftaten, die sie als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung begangen hätten. Die Hauptangeklagte Lina E. habe eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten erhalten, die drei Mitangeklagten Freiheitsstrafen zwischen 3 Jahren und 3 Monaten und 2 Jahren und 5 Monaten. Der Haftbefehl gegen Lina E. sei gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt worden. Die Angeklagten hatten der Vorlage zufolge zwischen August 2018 und Sommer 2020 mindestens sechs gewaltsame Überfälle auf tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten verübt. In wechselnder Zusammensetzung mit noch weiteren Gewalttätern hätten sie dabei ihren Opfern teils schwerste Verletzungen zugefügt, schreibt die AfD-Fraktion.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stufe die vier Verurteilten als gewalttätige Autonome ein, heißt es weiter. Nach Ansicht des BfV stehe dieser Fall beispielhaft für das hohe Gewaltpotenzial und Radikalisierungsniveau, das in Teilen der linksextremistischen Szene vorherrsche und in dieser Form eine neue Entwicklung im Linksextremismus darstelle, schreiben die Abgeordneten. (hau/16.06.2023)