Bundestag verurteilt Zerstörung des Kachowka-Staudamms
Die Bundestagsfraktionen haben am Mittwoch, 14. Juni 2023, in einer auf Verlangen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP anberaumten Aktuellen Stunde die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine verurteilt und sich für eine Strafverfolgung der Verantwortlichen und weitere Soforthilfen ausgesprochen. Der Staudamm am Dnjepr in der Südukraine war am 6. Juni zerstört worden. In der Folge überfluteten Wassermassen weite Landstriche.
Grüne: Anschlag auf Lebensgrundlagen der Menschen
Robin Wagener (Bündnis 90/Die Grünen) nannte den Dammbruch die „schlimmste menschengemachte Naturkatastrophe, die Europa in der jüngeren Vergangenheit erlebt hat“. 77 Siedlungen seien überflutet worden und Zehntausende Menschen unmittelbar vom Ertrinkungstod bedroht gewesen. Betroffen sei die Wasserversorgung von 700.000 Ukrainerinnen und Ukrainern, die Weltgesundheitsorganisation warne vor einem Cholera-Ausbruch.
Wagener sprach von einem Anschlag auf die Lebensgrundlagen der Menschen. „Die bewusste Zerstörung der Natur ist nicht weniger als ein Ökozid.“ Auch wenn es keine gerichtsfesten Beweise gebe, sei es mit Abstand das wahrscheinlichste Szenario, dass Russland den Staudamm bewusst gesprengt habe. Der Grünen-Abgeordnete sprach sich für eine schnelle Sofort- und Wiederaufbauhilfe, eine konsequente Strafverfolgung der Verantwortlichen und eine andauernde westliche Militärhilfe aus, damit die Ukraine den Krieg gewinnen könne.
Union: Täter zur Verantwortung ziehen
Dr. Johann David Wadephul (CDU/CSU) sagte, die Staudamm-Zerstörung sei ein „Menschheitsverbrechen“, aber auch ein Verbrechen an Pflanzen und Tieren. Die Täter, auch aus seiner Sicht am wahrscheinlichsten die russischen Besatzer, müssten dafür zur Verantwortung gezogen werden.
Damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederhole, müsse die Bundesregierung die Ukraine „so schnell und so kräftig unterstützen, damit sie in der Lage ist, diesen Krieg zu gewinnen“. Dies müsse Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) endlich auch so klar formulieren.
SPD: Unterstützung der Ukraine wichtiger denn je
Dr. Nils Schmid (SPD) nannte die Unterstützung der Ukraine jetzt „wichtiger denn je“. Die Zerstörung des Staudamms offenbare eine neue Dimension der Kriegsführung, die strafrechtlich aufgearbeitet werden müsse.
Er sprach sich dafür aus, den Ökozid in Kriegszeiten als Straftatbestand in das Völkerstrafrecht aufzunehmen, damit er als Kriegsverbrechen verfolgt werden könne. Dies sei bisher nicht möglich. Auch die Gefahrenlage rund um zivil genutzte Atomkraftwerke, wie das von Russland besetzte AKW Saporischschja, müsse stärker in den Blick genommen werden. Angelehnt an die „Safe School Declaration“ könnte eine „Safe Reactor Declaration“ den völkerrechtlichen Schutz von Nuklearanlagen verstärken.
AfD warnt vor „Desinformationspolitik“
Für die AfD warf Eugen Schmidt der Bundesregierung vor, Russland vorzuverurteilen, obwohl die Hintergründe des Staudammbruchs unklar seien. „Vielleicht gibt es auch keine aktuelle Ursache?“, fragte er und mutmaßte, der Dammbruch könne auch die Spätfolge eines ukrainischen Raketenbeschusses auf eine nahegelegene Straße oder mangelhafter Instandsetzung sein.
Dass die Bundesregierung direkt Russland verantwortlich mache, sei entweder „Desinformationspolitik oder Dilettantismus“, sie schade in jedem Fall den Interessen des deutschen Volkes.
FDP wirft AfD Verschwörungstheorien vor
Ulrich Lechte (FDP) entgegnete, Seismologen hätten inzwischen nachgewiesen, dass es zum Zeitpunkt des Dammbruchs eine Explosion gegeben habe.
Wer diese ausgelöst habe, werde noch untersucht, aber „die Ukrainer wird ihre Lebensgrundlage vermutlich nicht selbst zerstört haben“. Der AfD warf er vor, Verschwörungstheorien zu verbreiten.
Linke fordert Waffenstillstand
Bernd Riexinger (Die Linke) sagte, der Dammbruch sei eine Folge des russischen Angriffskrieges. Krieg bedeute immer „Leid, Barbarei und Massenmord“, es müsse daher schnell einen Waffenstillstand, einen Rückzug der russischen Truppen und Friedensverhandlungen geben.
Die Lieferung von immer mehr und immer schweren Waffen führe nicht zu einem Ende. „Die Bevölkerung ist die Leidtragende.“ (joh/14.04.2023)