Forderung nach schnelleren Brücken-Sanierungen an Bundesfernstraßen erörtert
Der Bundestag hat am Freitag, 2. Dezember 2022, erstmals über einen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion (20/4665) zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren an Brücken auf Bundesfernstraßen beraten. Im Anschluss an die Aussprache überwiesen die Abgeordneten die Vorlage zur federführenden Beratung in den Verkehrsausschuss.
Union: Schnellspurgesetz für Brückensanierungen
Auf die katastrophalen Folgen der Sperrung der maroden Rahmede-Talbrücke auf der Bundesautobahn A45 für die Region rund um Lüdenscheid wies Florian Müller (CDU/CSU) zu Beginn der Debatte hin. Seit einem Jahr litten die Menschen unter den Folgen der Brückensperrung und seien auf der Suche nach einer Perspektive. Zehntausende Lkw und Pkw stünden auf den Umleitungsstrecken im Dauerstau, was zu hohen Belastungen bei den Anwohnern führe.
„Wir müssen Familien und Unternehmen in der Region helfen“, sagte Müller. Die beste Lösung sei eine so schnell wie möglich aufgebaute Brücke. Stattdessen sei aber zu vernehmen gewesen, dass sich das Verkehrsministerium mit dem Umweltministerium darüber streite, ob die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren auch für Autobahnbrücken gelten soll. „Was für eine traurige Botschaft für diese Region“, sagte der Unionsabgeordnete und warb für den Vorschlag seiner Fraktion für ein „Schnellspurgesetz für Brückensanierungen“.
SPD verweist auf geplante Verbesserungen
„Selbstverständlich müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren deutlich schneller ablaufen, als es in der Vergangenheit der Fall war“, bestätigte Jürgen Berghahn (SPD). Den Antrag der Union brauche es dazu aber nicht. Die Koalition habe in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmen verabschiedet und teils auch schon umgesetzt, sagte der SPD-Abgeordnete. An weiteren Verbesserungen werde gearbeitet.
Erst vor zwei Tagen, so Berghahn, sei ein Gesetzentwurf zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich beschlossen worden, der eine Verschlankung der Gerichtsverfahren vorsehe. Die von der Union geforderte Kürzung der Planfeststellungsbedürftigkeit wolle die Ampel umsetzen, indem beispielsweise bei Ersatzneubauten die Genehmigungsfreiheit ausgeweitet werden solle. „Die Regierung erarbeitet längst ganz konkrete Lösungen, während die Opposition noch Anträge schreibt“, sagte Berghahn.
AfD gegen Umweltverträglichkeitsprüfung
Von einer katastrophalen Situation sprach Dr. Dirk Spaniel (AfD). „Wir haben eine marode, nicht mehr ausreichende Infrastruktur in Deutschland“, sagte er. Bauzeiten bei Infrastrukturprojekten lägen – inklusive Planung – bei ungefähr 20 Jahren. Grund dafür seien Gesetze, die es ermöglichten, „dass eine beliebige Organisation praktisch zu jedem Zeitpunkt im Planungsverfahren eingreifen und das Verfahren verzögern kann“, sagte Spaniel. Da helfe es auch nicht, Gerichtsverfahren beschleunigen zu wollen.
Der Schlüssel ist aus Sicht des AfD-Abgeordneten die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Beim Bau des LNG-Terminals sei diese ausnahmsweise herausgenommen worden, was einen Bau innerhalb kürzester Zeit ermöglicht habe. Diese Ausnahme nicht beim Autobahnbrückenbau anzuwenden sei eine „Sabotage an den Menschen in Lüdenscheid“, befand Spaniel.
Grüne: Klima- und Naturschutz berücksichtigen
Susanne Menge (Bündnis 90/Die Grünen) machte indes deutlich, dass der Bau des LNG-Terminals ein klar definierter Ausnahmefall sei. „Das ist nicht übertragbar auf Straßen- und Brückenbau“, betonte die Grünenabgeordnete. Der Verzicht auf die UVP sei der falsche Weg, so Menge mit dem Verweis auf die Situation im Ahrtal. Die gravierenden Folgen der Flutkatastrophe hingen auch damit zusammen, „dass Infrastrukturplanung überhaupt nicht kompatibel mit Natur- und Umweltschutz gemacht worden ist“.
Beim Wiederaufbau müsse dem Natur- und Umweltschutz endlich der Maßstab gegeben werden, den er auch verdiene, sagte die Grünenabgeordnete. Klimaschutz, Umweltschutz und Flächenschutz seien – ebenso wie die zivilgesellschaftliche Expertise – „unbedingt notwendig, um Planungsfehler zu verhindern“.
Linke kritisiert „Demokratieabbau bei Bauprojekten“
Aus Sicht von Thomas Lutze (Die Linke) bedeuteten die von der Union „unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus“ vorgeschlagenen Maßnahmen eine Begrenzung der Rechte von Anliegern sowie eine Beschneidung von Mitwirkungsrechten gesellschaftlich relevanter Organisationen. „Zu diesem Demokratieabbau bei Bauprojekten sagen wir ganz deutlich Nein“, sagte der Linken-Abgeordnete.
Lutze verwies darauf, dass es die vielen Tausend Lkw täglich seien, die die Brücken kaputtmachten. Die Entscheidung aus den 1990er Jahren, möglichst viel Güterverkehr von der Bahn auf die Autobahn zu verlagern, komme Deutschland jetzt teuer zu stehen. „Der Güterfernverkehr quer durch Europa gehört auf die Schiene“ forderte Lutze. Außerdem müssten regionale Wirtschaftskreisläufe noch viel stärker gefördert werden.
FDP macht Union für „Mangelwirtschaft“ verantwortlich
Carina Konrad (FDP) nannte den Antrag der Unionsfraktion „ein Dokument des eigenen Versagens in den letzten Jahrzehnten“. Der ehemalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe noch 2018 mit Blick auf „Rekordinvestitionen“ verkündet, man müsse sich keine Sorgen machen, man habe die Brücken im Griff. „Was für eine Fehleinschätzung“, sagte Konrad. Davon habe der aktuelle Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing (FDP) erfahren, „kurz nachdem wir hier Verantwortung übernommen haben“.
Die Union versuche mit dem vorgelegten Antrag ihre Verantwortung für die Mangelwirtschaft von sich zu weisen. Die Schuldweitergabe sei aber kein Lösungsangebot für die Menschen in der Region Lüdenscheid und anderswo. „Wir sind hier angetreten, um diese Probleme zu lösen, was nicht einfach ist“, sagte die FDP-Abgeordnete. „Wir bauen jetzt die Hürden ab, die Sie jahrzehntelang aufgebaut haben“, so Konrad an die Union gewandt.
Gesetzentwurf der Union
Nach dem Willen der CDU/CSU-Fraktion sollen Sanierungen von Brücken an Bundesfernstraßen beschleunigt werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass im Fall einer Baumaßnahme an einer Bundesfernstraße, für die ein Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben ist, das Planfeststellungsverfahren und die Umweltverträglichkeitsprüfung verkürzt werden können. Eine vergleichbare Regelung habe der Gesetzgeber bereits mit dem Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG) getroffen, heißt es in der Gesetzesvorlage.
Konkret sollen nach den Vorstellungen der Union identische Ersatzbauten für beschädigte oder abgerissene Brücken als Unterhaltungs- und Instandhaltungsmaßnahmen eingestuft werden, für die kein Planfeststellungsverfahren nötig ist. Ebenfalls von der Pflicht eines Planfeststellungsverfahren ausgenommen werden sollen Neubauten, die provisorische Übergangsbauten ersetzen. Dies soll auch für Ersatzbauten gelten, bei denen eine Kapazitätserweiterung durch die Freigabe der Standstreifen und einer gleichzeitigen Kapazitätsreduzierung des Mittelstreifens erfolgt.
Zudem sieht der Gesetzentwurf vor, dass das Bundesverkehrsministerium in Ausnahmefällen Bauvorhaben an Brücken ganz oder teilweise von den Anforderungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes ausnehmen kann. Im Fall einer Umweltverträglichkeitsprüfung soll die Frist zur Stellungnahme von zu beteiligenden Behörden einen Zeitraum von einem Monat nicht überschreiten dürfen. (aw/vom/02.12.2022)